NPD Schrecklich, schrecklich
Einst stand er, zumindest »im Geist«, auf der Insel Helgoland und schaute »brennenden Auges herüber zu diesem zerrissenen, zerfahrenen Deutschland«, so Adolf von Thadden als Bundesvize auf einem Kongreß seiner Nationaldemokratischen Partei.
Heute, zehn Jahre danach, steht Thadden abermals auf einer Insel, nun aber leibhaftig: Als Makler für Auslandsimmobilien verkauft er auf Ibiza und Teneriffa »paradiesische Angelegenheiten« zu 50 000, aber auch zu zwei Millionen Mark.
Und nicht nur Gespinsten wie Helgoland, auch der NPD hat deren Mitbegründer und Mitglied Nummer 113 nun den Rücken gekehrt: »Ich habe«, sprach er am Mittwoch vergangener Woche zum SPIEGEL, »den Schlußstrich unter ein immerhin 28 Jahre währendes parteipolitisches Tun gezogen« -- 1947 hatte dieses Tun damit begonnen, daß der adlige Pommer in Göttingen der »Deutschen Rechtspartei« beigetreten war.
Den NPD-Vorsitz hatte Thadden, heute 54, weil er sich »für einen Tanz auf einem Vulkan irrationaler Unvernunft« ungeeignet hielt, schon vor vier Jahren hingeschmissen. Doch seine »Hoffnung, daß der dadurch bewirkte Schock eine Wandlung bewirken« würde, erfüllte sich nicht. »Aktionismus und Traumtänzerei«, ja »Narreteien«, so Thadden, behielten bei den Nationaldemokraten (zuletzt 1,11 Prozent bei der Bremer Bürgerschaftswahl) die Oberhand. »Ich halte diese Politik ... für verhängnisvoll«, schrieb er daraufhin dem derzeitigen Parteichef Martin Mußgnug nach Stuttgart, »und trete daher aus der NPD aus.«
Als äußeren Anlaß benutzte Thadden, daß Mußgnug die NPD bei ihrem Parteitag vor zwei Wochen in Ketsch bei Mannheim mal wieder auf »neuen Kurs« gebracht, laut Thadden freilich nur »die Flucht in eine sogenannte Sammlung, die keine ist«, angetreten hatte.
Mußgnug hatte den 339 »ahnungslosen« (Thadden) Delegierten eine zwischen ihm allein und »Herrn Dr. Frey als Vorsitzendem der Deutschen Volksunion« ausgehandelte »Bonner Erklärung« präsentiert, derzufolge »die Sammlung aller verfassungstreuen Patrioten« nun endlich damit zu beginnen habe, daß Frey' der auch einem »Freiheitlichen Rat« vorsitzt und vor allem den monströsen Inhalt der »Deutschen National-Zeitung« verantwortet, stellvertretender NPD-Vorsitzender wird.
Da sah Thadden, der nicht als Delegierter, sondern als »Mitglied mit besonderem Status« nach Ketsch gekommen war, noch einmal seine Stunde gekommen. Er eilte, nachdem ihm Rederecht außerhalb der Rednerliste eingeräumt worden war, hinters Pult und las dem Parteitag wegen der Frey-»Posse~' die Leviten wie in alten Zeiten: Eine Wahl Freys bedeute, schimpfte Thadden, »die Identifizierung der Partei mit einer Zeitung, deren Themen nicht die der Partei sein können«, und dränge die NPD »nur noch stärker in das politische Abseits«.
Und als es nicht nur Unruhe, sondern »Gebrüll im Saal« gab, fuhr Thadden dazwischen: »Noch ein Zwischenruf, dann höre ich mitten im Satz auf, und Sie sehen mich nie wieder.« Doch es half nichts: Zwar wurde Frey nicht zum Stellvertreter, aber doch in den Vorstand gewählt, und Thadden verließ den Saal nun doch Aufnimmerwiedersehen: »Viele stellten sich mir in den Weg, heulten und wollten mir den Mantel ausziehen. Schrecklich, schrecklich, schrecklich.«
In diesem Augenblick war ihm klar: »Die hätten mich im Juchhei wiedergewählt«, und auch daran, was ihm wenige Tage zuvor eine hannoversche Ärztin in Sütterlin geschrieben hatte, dachte er wohl: »Der alte Geist muß wieder bei uns herrschen, wir müssen wieder eine Thadden-Partei werden.«
Doch dazu hätte er die NPD nicht nur »personell gründlich umkrempeln« müssen, dazu war es auch sonst zu spät:
Die Geister, »Exzentriker und Steckenpferdreiter"' die er schließlich selber, wenn nicht gerufen, so doch mobilisiert hatte, waren, so sah er nun ein, »auf den Boden der Wirklichkeit« nicht mehr zurückzubringen.
Vorbei der Traum einer »leistungsfähigen Partei am rechten Flügel« und wie alle die Sprüche hießen, kein Platz mehr »an der Schwelle der Verantwortung« wie 1966, als die NPD bei den hessischen Landtagswahlen auf 7,9 Prozent der Stimmen kam, vergangen die Zeit, als die Mitgliederkartei schon bei der Registriernummer 44 362 angelangt war -- 14 000 allenfalls sind es heute noch, und seit voriger Woche nun noch einer weniger: Thadden.