MITBESTIMMUNG Schriftlich angefragt
Nach der viertägigen parlamentarischen Haushaltsdebatte ließen sich die Bonner Minister am vergangenen Freitagmittag zu ungewohnter Stunde ins Kanzleramt chauffieren. Es galt, noch eilends in einer Sondersitzung des Kabinetts ein umstrittenes Papier zu verabschieden: den Gesetzentwurf zur Montanmitbestimmung.
Das Gesetz, durch die Umgliederung im Mannesmann-Konzern notwendig geworden, soll für sechs Jahre die paritätische Mitbestimmung auch in jenen Eisen-und-Stahl-Betrieben sichern, in denen mittlerweile weniger als die Hälfte der Produkte zum Montanbereich zählt.
Zuvor hatten sich die Sozialliberalen wochenlang in einen kleinlichen Streit um Details des Gesetzentwurfs verbissen. Daß sie sich dann auf einen Kompromiß verständigen konnten, galt so manchem der bescheiden gewordenen Frei- und Sozialdemokraten schon als beachtlicher Erfolg.
Dennoch blieb die Freude gedämpft, vor allem bei den Parteifreunden von Bundeskanzler Helmut Schmidt: Der Ärger könnte jetzt erst richtig anfangen.
Jetzt, da der Koalitionsbeschluß in einen Gesetzentwurf gefaßt wurde, wollen die Gewerkschaften verstärkt mit einer massiven Kampagne gegen die Absichten der Bonner Regierung angehen. Im ganzen Bundesgebiet will die IG Metall Protestaktionen gegen jenes Gesetz durchführen, das nach Gewerkschaftsmeinung das Ende der Montanmitbestimmung besiegelt.
IG-Metall-Vorstandsmitglied Lutz Dickerhoff sprach auf einer Kundgebung am Freitag in Solingen von einem »Mitbestimmungstod auf Raten«. In der Gewerkschaftspresse ist die Rede von einem »Auslaufgesetz«.
Zu einem willkommenen Propaganda-Gag kamen die Gewerkschaften durch den eher zufälligen Umstand, daß die Bonner ihr Montangesetz just am 30. Januar 1981 durchs Kabinett brachten. Denn genau 30 Jahre vorher, am 30. Januar 1951, hatte der damalige DGB-Vorsitzende Hans Böckler verkündet, CDU-Kanzler Konrad Adenauer wolle die gleichberechtigte Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Montanbereich verankern.
Von der Frankfurter IG-Metall-Zentrale gesteuert, werden vor allem die Bonner Sozialdemokraten mit Gewerkschaftseingaben bombardiert. Die Delegierten einer IG-Metall-Konferenz in Dortmund schrieben beispielsweise Kanzler Schmidt, sie ließen sich die einzige unter einem CDU-Kanzler erkämpfte Errungenschaft nicht nehmen -- »auch nicht in der Regierungszeit eines SPD-Kanzlers«.
Nach den Vorstellungen der Gewerkschaften hätte zumindest jener Entwurf Gesetz werden müssen, den die Mehrheit der SPD-Fraktion im letzten Sommer eingebracht hatte.
Danach bliebe die Montanmitbestimmung auch in jenen Betrieben auf unbestimmte Zeit erhalten, in denen die Eisen- und Stahlproduktion heute weniger als die Hälfte des Umsatzes erbringt. Dieser gewerkschaftsfromme Entwurf war nach harten Vorhaltungen der FDP aus dem Verkehr gezogen worden.
Die IG-Metall-Postille »Metall« stieß dennoch jetzt nach. Bei Bonner SPD-Parlamentariern fragten die Gewerkschaftsjournalisten schriftlich an, ob sie weiterhin bereit seien, den ausgemusterten Gruppenantrag zur endgültigen Sicherung der Montanmitbestimmung noch zu unterstützen.
Wütend beschwerte sich SPD-Fraktionschef Herbert Wehner über die Gewissensschnüffelei der Gewerkschaftszeitung, als sich Montag vergangener Woche IG-Metall-Vorstandsmitglieder mit SPD-Abgeordneten im Bonner Steigenberger-Hotel trafen.
Wehner im Wehner-Stil: Ob die IG Metall die sozialliberale Koalition kaputtmachen wolle? Es gebe nun einmal in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit für eine dauerhafte Sicherung der Montanmitbestimmung. Auf die Union sollten die Gewerkschaften besser nicht setzen.
IG-Metall-Chef Eugen Loderer antwortete, er wolle die Koalition »nicht umbringen« und habe den Feldzug der Zeitschrift schon gestoppt. Doch die Aktionen an der Basis, so Loderer scheinheilig, seien nicht zu verhindern. Schließlich könne die IG Metall nicht tatenlos zusehen, wenn die Chance für eine paritätische Mitbestimmung in der Gesamtwirtschaft immer geringer werde und nun auch noch die Montanmitbestimmung auslaufe.
Trost konnten die Sozialdemokraten ihren Gewerkschaftsfreunden auch mit jenem Kompromiß nicht bescheren, den sie vergangene Woche mit den Liberalen ausgehandelt hatten.
In zwei Detailfragen zeigten sich die Freidemokraten konzessionsbereit. So müssen die Gewerkschaften, die bisher die »externen« Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten der Montanindustrie selbst bestimmten, zwar ihre Aufsichtsräte künftig auch von den Betriebsräten wählen lassen. Doch sie brauchen nicht, wie von der FDP bis zuletzt gefordert, mehrere Kandidaten zur Auswahl zu stellen.
Die FDP legte im Gesetz lediglich fest, daß die absolute Mehrheit der Betriebsräte den Gewerkschaftskandidaten ablehnen kann. Da jedoch bis zu 90 Prozent der Betriebsräte Gewerkschaftsmitglieder sind, ist mit einem Veto wohl kaum zu rechnen.
Zudem setzte die SPD durch, daß Walzwerkerzeugnisse künftig als Montanumsatz gewertet werden. So wird die Gefahr geringer, daß schon bald noch mehr Unternehmen aus der Montanmitbestimmung herausfallen.
»Wir waren«, erläuterte der FDP-Fraktionsvize Hans-Günter Hoppe das Einlenken der Liberalen, »nicht daran interessiert, das Verhältnis des Kanzlers zu den Gewerkschaften und damit die Koalition noch mehr zu belasten.«
Das Erreichte war schon genug.