S.P.O.N. - Die Spur des Geldes Die spanische Bombe

Unfertiges Immobilienprojekt in Spanien: Die Blase stellt alles in den Schatten
Foto: Oli Scarff/ Getty ImagesNach dem Trommelfeuer der Europäischen Zentralbank ist Stille eingekehrt. Die Krise hat erneut eine akute Phase hinter sich gelassen und ist wieder chronisch. Der neue Rettungsschirm ESM hat seine Arbeit aufgenommen. Über eine Bankenunion wird verhandelt. Im November wird Spanien seinen Hilfsantrag stellen. In Italien sammelt sich das Establishment hinter Mario Monti. Bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Tokio treten die Europäer zum ersten Mal seit langem wieder mit etwas Selbstbewusstsein auf. Ist die Krise vorbei? Können wir uns jetzt ernsteren Themen widmen - etwa den Redner-Gebühren von Politikern?
Es gibt in der Tat eine gute Nachricht: Die EZB hat mit ihrem Aufkaufprogramm für Staatsanleihen das sogenannte Randrisiko beiseitegeräumt. Investoren hatten im Sommer den Euro-Raum fluchtartig verlassen, weil sie eine kleine, aber deutliche Wahrscheinlichkeit eines Euro-Zusammenbruchs sahen. Das tun sie jetzt nicht mehr. Eine akute Gefahr für den Euro-Raum ist also gebannt.
Was sich aber nicht geändert hat, sind die ökonomischen Fakten. Das Land, das mir am meisten Sorgen macht, ist nicht einmal Griechenland, sondern Spanien. In Griechenland wird es zum großen Schuldenschnitt kommen. Das wird erst nach der Bundestagswahl passieren. Wenn das aber geschieht, dann ist die akute Krise in Griechenland damit auch vorbei. Denn in Griechenland ist der Staat zwar hoffnungslos pleite, aber der Privatsektor ist zumindest nicht massiv überschuldet. Die griechische Industrie leidet auch nicht annähernd so stark unter den Wettbewerbsproblemen, die man in Spanien und Italien kennt. Griechenland muss sich selbst und seine Wirtschaft komplett neu erfinden. Wenn das passiert und wenn man die Staatsschulden auf einem erträglichen Niveau stabilisiert, dann sollte es wieder aufwärtsgehen.
Nicht so in Spanien. Ein Schuldenschnitt für den spanischen Staat würde wenig ändern. Das Problem dort liegt in einer hoffnungslosen Überschuldung des Privatsektors und einer Verstopfung aller Kanäle der wirtschaftlichen Anpassung.
Auf die spanischen Banken kommen enorme Risiken zu
Man vergisst manchmal, was in Spanien im letzten Jahrzehnt geschehen ist: Der von deutschen Banken finanzierte Bauboom dort stellte alles an vorangegangen Blasen in den Schatten, auch unsere eigene Wiedervereinigungsblase. Selbst die auf Pump finanzierte amerikanische Hypothekenblase erscheint dagegen klein. Spaniens private Verschuldung hat zuletzt eine Höhe von 235 Prozent des Volkseinkommens erreicht. Und auf die spanischen Banken kommen noch viele Risiken zu - ein Vielfaches dessen, was heute offiziell veranschlagt wird. Die anvisierte Rekapitalisierung mit 60 Milliarden Euro ist ein Witz angesichts der Risiken, denen die spanischen Banken ausgesetzt sind. Auch der IWF betonte in seinem Wirtschaftsausblick, dass man aus der Schuldenfalle ohne eine Bereinigung der Bankbilanzen nur schwerlich entweichen kann.
Man vergleiche einmal die Situation mit den USA, wo sich der Privatsektor ebenfalls überschuldete: Die Amerikaner sind anpassungsfähiger als die Europäer, weil sie eine viel aktivere Wirtschaftspolitik betreiben. Zu den Handlungen der Obama-Administration gehörte die Zwangsrekapitalisierung der Banken. Die Notenbank senkte nicht nur die Zinsen auf nahezu null. Sie kaufte außerdem aggressiv Anleihen auf, gleich zu Anfang der Krise. Geldmenge und Kredite wachsen jetzt wieder langsam. Auch das amerikanische Haushaltsdefizit geht langsam runter, weil ein moderates Wachstum zurückgekehrt ist. Die Häuserpreise sind wieder fast auf Vorkrisenniveau. In Spanien war die Blase größer, und das Bankensystem hat höhere Risiken auf sich genommen. Gleichzeitig kann Spanien nicht abwerten. Geldmenge und Kreditvergabe fallen weiterhin. Der spanische Staat spart im Haushalt und wird es auf absehbare Zeit auch weiterhin tun.
Man spart, und die Schuldenquote steigt
In seinem Weltwirtschaftsausblick machte der IWF eine wichtige Bemerkung: Die Sparprogramme haben heute einen größeren Effekt als früher. Man nennt den Effekt der Haushaltspolitik auf die Wirtschaftsleistung einen Multiplikator. In Europa ging man früher von einem Multiplikator von 0,5 aus. Das heißt: Wenn der Staat eine Milliarde spart, dann verringert sich das Volkseinkommen nur um eine halbe Milliarde. Der IWF vermutet aber, dass der Multiplikator mittlerweile in einer Bandbreite von 0,9 und 1,7 liegt. Wenn er größer ist als eins, heißt das, die Wirtschaft schrumpft insgesamt mehr als das Haushaltsdefizit. Genau das zeigt die europäische Erfahrung der vergangenen Jahre: Man spart, und die Schuldenquote steigt.
Was wird jetzt geschehen? Ich sehe keine Änderung der Politik und auch keine Änderungen der äußeren Umstände. Im besten Fall wird der spanische Premierminister Mariano Rajoy sein Katz-und-Maus-Spiel mit der Europäischen Union beenden und sich zu einem Hilfsprogramm durchringen - wegen der Wahlen in Galizien und Katalonien wahrscheinlich erst im November. Damit ist aber nicht viel gewonnen. Das verringert bestenfalls die Finanzierungskosten des spanischen Staates - an der negativen ökonomischen Dynamik ändert es nichts.
Ich sehe nur zwei Wege aus dem Dilemma: Entweder Spanien und notgedrungen auch Portugal verlassen den Euro, oder die Euro-Länder entschulden den spanischen Privatsektor. Letzteres würde den Euro-Raum ökonomisch überfordern, und politische Mehrheiten gibt es dafür auch nicht. Und damit wären wir wieder bei den Randrisiken.