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AUTO-INDUSTRIE Schweizer Tante

General Motors ordnet sein Europa-Geschäft neu. Die Rüsselsheimer Tochter Opel verliert an Bedeutung. *
aus DER SPIEGEL 5/1986

Ferdinand Beickler, Vorstandsvorsitzender des Rüsselsheimer Autoherstellers Opel, war stets stolz auf die kontinentale Bedeutung seines Jobs. »Was sich bei GM in Europa auf dem Personenwagensektor tut«, so strich Beickler noch vor kurzem seine grenzüberschreitenden Befugnisse heraus »das wird von der Adam Opel AG gesteuert.« Wenn er mit der Konzern-Zentrale in Detroit telephoniere, müsse er »abwechselnd zwei Hüte aufsetzen einen für Opel und einen für Europa«.

Der ständige Hutwechsel war für den 63jährigen Beickler offenbar zuviel. Am Dienstag vergangener Woche wurde der Opel-Chef von seinem Deutschland-Posten abgelöst. Als Präsident einer neuzugründenden GM-Filiale in Zürich soll sich Beickler künftig nur noch um die europäischen Pkw-Aktivitäten von General Motors kümmern. Den größeren Teil seiner bisherigen Aufgaben, die Führung von Opel in Rüsselsheim, übernimmt der derzeitige Chef der spanischen CM-Tochter, Horst Herke.

Mit Beickler räumen noch drei weitere Vorstandsmitglieder ihre Büros in Rüsselsheim: Verkaufsvorstand John Bagshaw, Finanzchef Richard Durkin und Opels oberster Öffentlichkeitsarbeiter Hans Wilhelm Gäb.

Ein Revirement an der Spitze von Opel war seit längerem zu erwarten. Schon vor über einem Jahr wurde in Rüsselsheim gemunkelt, daß Opel-Chef Beickler bald einem Jüngeren Platz machen würde (SPIEGEL 1/1985).

Beickler hatte 1984 dem Unternehmen mit 700 Millionen Mark den schlimmsten Verlust seiner Geschichte beschert. Seit seinem Amtsantritt war der Marktanteil von Opel in der Bundesrepublik von 18,2 auf 15,5 Prozent abgesackt.

In der unteren Klasse fiel Opels mutig gestylter neuer Kadett gegen den Wolfsburger Verkaufserfolg Golf II deutlich zurück. In der Mittelklasse kommt der angejahrte Rekord nur noch auf mäßige Verkaufszahlen. Und in der Oberklasse leidet Opel, trotz eines technisch guten Angebots, nach wie vor unter dem Spießer-Image seiner Autos.

Die neue Führungsmannschaft soll nun alles besser machen, eine neue Organisation soll Fehler vermeiden helfen. Zwischen die Zentrale in den USA und die europäischen Töchter wird nach dem Vorbild von Ford eine neue Organisationsebene eingezogen. »Neben unserer amerikanischen Mutter«, so Opel-Betriebsratsvorsitzender Richard Heller, »bekommen wir nun noch eine Schweizer Tante.«

Die Tante in Zürich soll unter dem Namen »General Motors Europe« die Pkw-Aktivitäten der 17 Europa-Töchter von GM überwachen und koordinieren. Zürich wurde als Standort ausgewählt, weil die Stadt, so Opel-PR-Chef Gäb ein »neutraler Ort, abseits aller GM-Werke« sei. Betriebsrat Heller vermutet da allerdings etwas ganz anderes: »Die haben«, so der Gewerkschafter, »bewußt ein mitbestimmungsfreies Land gewählt.« Ein Antrag der Arbeitnehmer im Opel-Aufsichtsrat, der Zürcher Europa-Zentrale auch eine europäische Arbeitnehmervertretung zu geben, fand

auf der Kapitalseite jedenfalls keine Zustimmung.

Bei GM Europa sollen einmal etwa 200 Mitarbeiter tätig sein. Neben Präsident Beickler werden Vizepräsidenten für alle klassischen Vorstandsbereiche der einzelnen Tochterfirmen in der Schweiz residieren.

Welche Macht die Europa-Zentrale haben wird, muß sich erst noch herausstellen. »Mehr als kosmetisch, weniger als kosmisch«, charakterisierte ein Unternehmenssprecher in Detroit die Neuordnung des GM-Europageschäfts. Die neue Firma, eine AG nach Schweizer Recht, wird keine Holding sein. Die Tochtergesellschaften bleiben rechtlich selbständig, die Vorstände allein ihren Aufsichtsräten verantwortlich. Der neue Opel-Chef Herke betonte denn auch sofort nach seiner Ernennung, Rüsselsheim bleibe »autonom«. Herke sieht in GM Europa weniger eine vorgesetzte Dienststelle als einen »starken Partner«.

Der neue Opel-Chef scheint froh zu sein, daß er sich anders als sein Vorgänger Beickler ganz auf das Wohlergehen der deutschen GM-Tochter konzentrieren kann. »Im Hinblick auf unser steigendes Geschäftsvolumen in Europa«, so Herke, sei die Zentrale in Zürich »unternehmerische Notwendigkeit«.

Im Gegensatz zum bundesdeutschen Markt hat der Absatz von Opel-Fahrzeugen europaweit in den vergangenen Jahren kräftig zugenommen. Seit 1982 stieg die Zahl der in Europa verkauften Autos aus dem Hause Opel um mehr als ein Viertel, und das trotz des Rückgangs in der Bundesrepublik; der Marktanteil kletterte von 9,5 auf 11,4 Prozent.

Die neue Entwicklung überforderte den Opel-Vorstand offenkundig. Das Resultat: Die Rüsselsheimer Spitzenleute machten keinen ihrer beiden Jobs mehr richtig. Der »erfreulich verjüngte Vorstand«, so urteilt Betriebsratschef Heller, könne sich »jetzt endlich hundertprozentig auf den deutschen Markt konzentrieren«.

Der Gewerkschafter setzt dabei große Hoffnungen in den neuen Vorstandsvorsitzenden Herke, 54. Außer dem gleichen Geburtsort, Mainz, habe der Neue, so Heller, mit Vorgänger Beickler nichts gemein. Während dieser in Rüsselsheim wie ein »Patriarch« geherrscht habe, sei Herke ein »besonnener Manager«, der »auch zuhören« könne.

Der fast zwei Meter große Herke, außer Dienst überzeugter Jogger und eifriger Besucher von Flohmärkten, ist promovierter Nationalökonom und arbeitet seit 1958 im General-Motors-Imperium. Dort hat er sich vor allem als Finanzfachmann hervorgetan.

Die Fähigkeit, richtig mit Geld umzugehen, ist bei Opel derzeit so gefragt wie keine andere: Nach den 700 Millionen Mark 1984 schloß das Unternehmen das abgelaufene Jahr erneut mit einem Minus in dreistelliger Millionenhöhe ab.

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