Second-Hand-Software Erfolg mit alt und billig
Hamburg - In der IT-Abteilung des Kölner Pharmaanbieters Klosterfrau war die Freude groß. Die Ware war alt, die sie da anbot - und trotzdem konnte sie damit noch richtig was rausschlagen.
Die Ware war Office 97 von Microsoft . Auf den Computern der Mitarbeiter sollte das neuere Programm Office 2003 installiert werden - was tun mit dem alten? Die Idee der Techniker: die Lizenzen weiterverkaufen. Auf diese Weise brachte Klosterfrau zwar nicht den kompletten Betrag für die 600 neuen Lizenzen zusammen - aber doch "einen vierstelligen Betrag", der die Kosten zu drücken half.
Mit alten Software-Lizenzen Geld verdienen: Das ist neu für viele Unternehmen. "Lizenzpflege ist eher lästig", heißt es bisher oft. Die Folge: Firmen haben zu viele Lizenzen, oder sie zahlen noch für Software, die längst kein Mitarbeiter mehr nutzt. Alte Software landet im Büroschrank - als totes Kapital.
"Wir brauchten Office 97 nicht mehr", sagt Robert Wagner, IT-Experte von Klosterfrau. "Es ist für Updates nicht mehr interessant und liegt hier nur rum." Die alte Software zu verhökern, war allerdings auch für den Computerfachmann eine ungewohnte Aufgabe: "Man hat so was zwar schon mal gehört", sagt der 36-Jährige. Doch anfangs war ihm nicht ganz klar, "ob das alles rechtmäßig ist".
Die Aachener Firma Susensoftware hat die Lizenzen von Klosterfrau übernommen. "Man wundert sich, aber Office 97 können wir noch verkaufen", sagt Firmenchef Axel Susen. Manche Unternehmen würden nicht so viel Wert auf die allerneueste Software legen: Mitarbeiter seien schon mit Office 97 vertraut, die Fehler des Programms seien bekannt. "Es gibt also keinen Grund zu wechseln."
Potenzial für 400-Millionen-Euro-Markt
Der Markt für gebrauchte Software ist noch jung. Ende der neunziger Jahre etablierten sich die ersten Händler. Mittlerweile hat sich eine Handvoll von ihnen darauf spezialisiert, Lizenzen zu kaufen und an Kunden weiterzureichen. "Wir waren einer der Pioniere", sagt Dirk Lynen vom Anbieter 2ndsoft in Aachen. "Software verschleißt ja nicht. Unser Angebot stieß schnell auf hohe Nachfrage."
Ob Susensoft und 2ndsoft in Aachen, die Preo AG in Hamburg oder die Münchner Usedsoft: Die Anbieter werben mit Rabatten zwischen 20 und 70 Prozent für Second-Hand-Software. So ködert Susensoftware seine Kunden damit, 218 Lizenzen der Standard-Version von Microsofts Office XP für 32.000 Euro im Angebot zu haben. Der Neupreis liegt bei 70.000 Euro. Oder es gibt 400 Versionen der mySAP Business Suite - für 750.000 Euro statt für 1,5 Millionen Euro. Die Preo AG rühmt sich, dass die Berliner Volksbank mit gebrauchter Microsoft-Software 750.000 Euro gespart habe.
Die Händler bieten ihren Kunden Programme von Microsoft, SAP und Oracle , aber auch von Citrix, Novell, Adobe und anderen Herstellern. Besonders beliebt sind Betriebssysteme und betriebswirtschaftliche Standardsoftware. Eine Studie der Experton Group kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Handel mit gebrauchter Software hierzulande auf 30 Millionen Euro summiert. Bald sollen es sogar bis zu 400 Millionen Euro sein.
2000 Programme für das Münchner Sozialreferat
Längst geht es in diesem Geschäft nicht mehr um das Verhökern alter Windows-CDs über Ebay. Die Second-Hand-Anbieter verscherbeln hunderte, bisweilen tausende Lizenzen - und schaffen einen Zweitmarkt neben den etablierten Herstellern wie Microsoft und SAP. Nicht nur kostenbewusste Verkäufer wie Klosterfrau mischen da mit. Als Käufer greifen Firmen wie der Heinrich-Bauer-Verlag oder der Edeka-Konzern gerne zu. Ebenso die Stadt München: Für ihr Sozialreferat sucht die Stadt derzeit per Bieterverfahren 2000 gebrauchte Windows-2000-Lizenzen.
Das größte Problem der Branche ist die bisweilen unklare Rechtslage. Zwar hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2000 entschieden, dass der Weiterverkauf von Software-Lizenzen erlaubt ist. Doch was online erworbene Lizenzen angeht, "ist das noch nicht abschließend geklärt", sagt IT-Rechtsexperte Jörg-Alexander Paul von der Kanzlei Linklaters. Usedsoft und Oracle streiten darüber vor Gericht. Usedsoft liegt auch mit einem Microsoft-Händler im Clinch.
"Der Handel mit gebrauchter Software ist eine neue Facette und hat in den vergangenen Monaten Professionalisierung erfahren", sagt Anwalt Paul. Klar ist: Software darf man weiterverkaufen. "Vorausgesetzt, man löscht alles und behält keine Kopie." Wer die CD mit der Software inklusive Verpackung und Handbuch weiterverkaufe, habe nichts zu befürchten. Doch nach Einschätzung von Anwalt Paul "steht der Verkauf von gebrauchter Software weiterhin in großer Frage". Es werde vorerst "ein Graumarkt bleiben".
Lange haben die mächtigen Softwarehersteller versucht, ihr Monopol zu sichern. Sie behaupteten gerne, solche Geschäfte seien grundsätzlich illegal.
SAP, Microsoft und Co. warnen vor Nachteilen
Inzwischen gibt sich Marktführer Microsoft betont gelassen: "Gegen den Handel mit gebrauchter Software haben wir nichts einzuwenden." Aber: "Die Übertragung von Volumenlizenzen muss über uns gehen." Es könne ja nicht sein, dass eine Lizenz für 100 Arbeitsplätze mit Rabatt verkauft werde und dann "im Zehnerpack bei Ebay verkloppt wird".
SAP, Microsoft und Co. warnen vor den Nachteilen der Second-Hand-Software. Wer sie kaufe, "hinkt drei bis vier Jahre hinterher", sagt ein Microsoft-Sprecher. Außerdem sei die Sicherheit bei neuer Software größer. SAP teilt mit, man könne nicht garantieren, dass Kunden nach dem Kauf von gebrauchter Software "den direkten SAP-Support" bekommen.
Das ist zumindest die offizielle Linie. Tatsächlich aber haben sich viele Hersteller längst mit dem Gebrauchthandel arrangiert - auch SAP. Wer über die Second-Hand-Händler SAP-Programme kauft, bekommt auch Wartungsverträge von SAP. Schließlich verdient der Walldorfer Softwarehersteller gut daran. "Bisher wurde noch keiner Lizenzübertragung widersprochen", heißt es bei der Hamburger Preo AG.
Trotz aller juristischen Feinheiten bei Lizenz- und Wartungsverträgen: Wer erst mal den Gebrauchtmarkt für Software entdeckt hat, will ihn nicht mehr missen. So wünscht man sich bei Klosterfrau, dass eine solche Handelsplattform schon viel früher möglich gewesen wäre: "Wir haben noch Software im Schrank, die ist schon 20 Jahre alt", sagt IT-Mann Wagner. "Dafür kriegt man heute leider nichts mehr."