Embargo Sehr hart getroffen
Die SPD-Bundestagsfraktion ist sich ihrer Sache ganz sicher: Der Krieg am Golf war vermeidbar.
»Wir bedauern, daß den Sanktionen gegen den Irak nicht die erforderliche Zeit gegeben worden ist, um sich voll auszuwirken«, beklagen die Sozialdemokraten in einer Entschließung. Um so mehr seien politische Lösungen zur Beendigung des voreilig begonnenen Krieges dringend geboten.
Das Argument ist nicht nur im Fraktionssaal der Genossen zu hören. Es wurde US-Präsident George Bush im Kongreß entgegengehalten, es zählt auf den Demonstrationen der Friedensbewegung zum Standardrepertoire. Und es ist, in Grenzen, auch etwas dran.
Wirtschaftsboykott, das ist die übliche Meinung der Experten, bringt in der Regel die erhoffte Wirkung nicht. Doch dieses Mal sind auch die Fachleute unsicher.
Mit beachtlichen Folgen eines Irak-Boykotts rechnet Hans-Martin Burkhardt, Arabien-Referent im Bonner Wirtschaftsministerium. »Der Irak«, bestätigt auch Otto Plassmann, Geschäftsführer des Hamburger Nah- und Mittelost-Vereins, »wird dadurch längerfristig sehr hart getroffen.«
Die entscheidenden Fragen jedoch wagen die Fachleute nicht zu beantworten: Ob und wann selbst harte Embargofolgen Saddam Hussein zum Aufgeben gezwungen hätten, wie lange fast die ganze Welt den Boykott gegen den Irak durchgehalten hätte.
Das Embargo gegen Saddam Hussein unterscheidet sich in einigen Punkten wesentlich von früheren, erfolglosen Boykottversuchen. Nie waren die Vereinten Nationen so geschlossen für eine Wirtschaftssperre, nie wurde sie mit dem »Willen zur allerletzten Konsequenz« (Burkhardt), dem Krieg, verhängt.
Der Export des Irak besteht zu 99 Prozent aus Öl und Ölprodukten, die wiederum zu 90 Prozent über Pipelines durch die Türkei und Saudi-Arabien zum Kunden kommen. Diese Ausfuhren brachten dem Diktator je nach Ölpreis und -menge jährlich zwischen 12 und 20 Milliarden Dollar an Devisen ein. Nach dem Uno-Boykott blieben die Einnahmen aus. Ölpipelines und die Tankerverladung lassen sich 100prozentig überwachen: Saddam Husseins Devisenkasse fehlt der Nachschub.
Die Beute seines Raubzuges kann diesen Verlust nicht ausgleichen. In Kuweit fielen dem Diktator zwar reichlich Devisen-Banknoten und Gold in die Hände, die Schätzungen liegen zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Dollar. Doch die Preise für Schmuggelware steigen schnell, da schmelzen auch große Summen rasch dahin.
An Versuchen, die Lieferungen durch hohe Risikoprämien für Blockadebrecher zu unterlaufen, fehlt es nicht. Der Importstopp gilt dennoch als einigermaßen stabil.
Bestellte Großmaschinen und Einrichtungen, für den industriellen Aufbau des Landes wichtig, kommen nicht durch, neue Orders werden nicht angenommen. Doch das trifft den Irak kurzfristig wenig.
Schneller wirkt das Fehlen von Ersatzteilen und Betriebsmitteln. Doch die Konsequenzen halten sich in Grenzen; die Frist vom 6. August 1990 bis zum 17. Januar, dem Kriegsbeginn, war zu kurz.
Die schlimmsten Folgen hätte der Einfuhrstopp für Nahrungsmittel verursachen müssen. Der Irak importierte 75 Prozent seiner Grundlebensmittel, darunter etwa Weizen und Reis aus den USA.
Die Ernährung der Iraker hat sich tatsächlich verschlechtert, Saddam Hussein mußte Lebensmittelkarten ausgeben. Die Preise schossen in die Höhe. Der von westlichen Geheimdiensten vorausgesagte Zusammenbruch blieb jedoch aus.
Der Diktator hatte offenbar vorgesorgt, die Nahrungsvorräte müssen beachtlich gewesen sein. Der Irak hatte sich außerdem bemüht, die eigene Landwirtschaft fit zu machen; dies war in den Jahren zuvor noch sträflich vernachlässigt worden. Das blieb nicht ohne Erfolg.
Hilfreich war für Saddam Hussein sicher auch, daß die unwirtlichen Grenzen zur Türkei und zum Iran den Schmuggel gedeihen ließen. Anders als bei Maschinen läßt sich der Lebensmittelhandel per Lkw nicht wirksam unterbrechen, hohe Gewinnmargen locken.
Erstaunlich jedenfalls ist, daß der Export der Bundesrepublik in den Iran in den ersten zehn Monaten 1989 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum stark zunahm, von knapp 2 auf 3,2 Milliarden Mark. Iranische Importeure könnten, der Verdacht liegt nahe, einen Teil der unerwarteten Mehrbestellungen gegen happige Aufschläge an irakische Kunden weitergegeben haben.
Die Irak-Blockade war kein Schlag ins Wasser, ihre Folgen hätten sich bei längerer Dauer noch verschärft. Doch hätte sie Saddam Hussein über kurz oder lang zum Aufgeben zwingen können? Die bisherigen Erfahrungen mit Wirtschaftsblockaden lassen Zweifel aufkommen: Je länger sie dauern, desto mehr Schlupfwege für illegale Handelsströme werden gefunden - und desto schwerer wird es, die Boykotteure zusammenzuhalten.
Entscheidend aber ist die Frage, wie geduldig die irakischen Bürger sind, wie lange sie trotz aller Not zu Saddam Hussein stehen. Auf solche Fragen wissen auch Experten nur mit einer allgemeinen Erkenntnis zu antworten. Otto Plassmann: »Des Menschen Leidensfähigkeit ist sehr groß.«
Exportautos für den Irak: Neue Orders werden nicht angenommen