RABATT Selbst in der Straßenbahn
Bei der Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels, Frankfurt, Zeil 100, knallten die Türen, als am vergangenen Montag vor der Hauptwache Hans Zimmers »Reklame-Sensation von 1950« publik wurde. Dort klebte Zimmer sein erstes Rabatt-Reise-Spar-Plakat mit höchst eigener Spucke an das Schaufenster der Firma Rudolf Preissendörfer, Herren- und Damenwäsche: »Kostenlose Ferienreise - wenn Sie bei uns kaufen!« stand darauf.
»Ich mache da mit, wo ich am meisten verdienen kann!« trotzte Einzelhändler Preissendörfer den giftig warnenden Rundschreiben der Einzelhandelsverbände und klebte mit. Die hatten in »Eilt-sehr«-Briefen Hans Zimmers neugegründete »Ferienreise GmbH« in Acht und Bann getan, weil »wir nicht dazu da sind, die Rentabilität der Bundesbahn zu sichern«.
Mit seinem Geld-Kompagnon Dr. Kurt Badow sieht Erfinder Hans Zimmer die Ferienreise-Geschäfte unten im Börsenkeller, Zimmer U 3, trotzdem florieren. Anfang April lockten schon 60 Frankfurter Geschäfte ihre Kunden mit Zimmers Patent-Plakat in ihre Läden. Mitte April soll so ganz Hessen, ab Mai die ganze Bundesrepublik reiserabattsparen können.
Das geht verblüffend einfach. Wer künftig seinen Käse oder seine Nachttischlampe in einem »Ferienreise«-Laden kauft, bekommt an der Kasse gratis eine bunte Rabatt-Sparkarte im Werte bis zu drei Prozent der Barrechnung in die Hand gedrückt. Hat er genügend zusammen, tauscht er die Karten gegen Reisegutscheine um.
Bundesbahn, DER-Reisebüros usw. nehmen die Reisegutscheine für bare Münze und schicken sie an die »Ferienreise GmbH« zurück. Dort wird die Rechnung aus dem Erlös des Reise-Karten-Verkaufs beglichen. Abzüglich einer Vermittler-Provision in Höhe von etwa 7S bis 10 Prozent.
Hans Zimmer erkannte: »Rabatt ist, objektiv gesehen, Reklame.« Und jagte drei Fliegen zugleich unter seine Reiseklappe:
* die Einzelhändler, die ihren Umsatz steigern wollen,
* die Verbraucher, die in ihrer Lohntüte vergeblich nach ein paar Reisegroschen suchen,
* die Verkehrsgesellschaften, die mit der Reiselust der breiten Massen leben und sterben.
Das ist Zimmers Zauberformel, die auch für die »Ferienreise GmbH« noch etwas übrig läßt: die Ferienreise verkauft die Reisesparkarten direkt oder über die Vertragsbanken zum Nennwert an den Handel (Verbuchung dort unter »Unkosten") und liefert Plakate und Prospekte gratis dazu. Der Handel schenkt Marken und Prospekte seinen Kunden. Die bringen ihre Marken zur Bank zurück und tauschen sie gegen einen »Reise-Gutschein« oder bare D-Mark um.
Das Treuhandkonto mit den Sparer-Geldern ist für die »Ferienreise - Gesellschafter tabu. Nur Frankfurts Notar Dr. Werner Rhode und ein Steuer- und Revisionsbüro haben Kontozugang. Sie allein können gemeinsam Gelder an die Verkehrsgesellschaften oder Provision an die Ferienreise überweisen.
Mit den ersten 10-Millionen-Sparkarten (über drei, fünfzehn, dreißig D-Pfennig und 1,50 DM für Einkäufe von einer bis 50 DM) flogen dem Handel auch schon Hans Zimmers rosige Zukunftsprognosen ins Haus:
»Das Verkaufspersonal sagt: Bitte runden Sie Ihren Einkauf auf 1 DM, 5, 10 oder 50 DM ab, und Sie erhalten schon wieder eine größere Anzahl Reise-Sparkarten.« Zimmer verspricht sich davon steigende Umsätze. Nicht nur für den Handel.
So ist auch die Markenartikel-Industrie vor seinen Reiserabatt-Karten nicht sicher. Die Frankfurter »Vereinigten Gewürzmühlen« haben schon 500000 Sparkarten bestellt und wollen die Hausfrauen mit in die Tüten eingelegten Reisebons bezirzen.
Nährmittel-, Zahnpasta- und Margarinefabriken sind als nächste vorgemerkt. Die Firma »Merkurius Ex- und Import«, Berlin, hat mit 30 angeschlossenen Importfirmen schon bei der »Ferienreise« abgeschlossen. Sie legt Reisesparkarten in alle gängigen Importartikel. - »Bei den Zigaretten liegen Reemtsma und Brinkmann vornan im Rennen«, verrät Hans Zimmer.
Selbst die Straßenbahn will er überreden, das Fußvolk mit Reiserabattkarten zum Kauf von Sammelfahrscheinen anzuhalten. Die Kinos sollen mit Zimmers Hilfe auch nachmittags ausverkaufen, die Tageszeitungen die Auflage, die Toto-Gesellschaften den Umsatz und damit die Quoten erhöhen.
Zimmer platzt bald vor Optimismus.
»Fast sieben Millionen Westdeutsche sind im letzten Jahre in die Ferien gefahren. Wir wollen noch einmal sieben Millionen dazu auf die Beine bringen.« Hans Zimmer rechnet am Anfang mit einem 1,5-Millionen-Reiserabatt-Umsatz pro Jahr.
Nicht alle teilen diese Begeisterung. Frankfurts Einzelhandel in Hauptgemeinschaft und Landesverband schießt mit nüchternen Rechenexempeln gegen die »Ferienreise GmbH":
* Ist eine Drei-Prozent-Rabattspanne für den Handel noch tragbar, so sollte die Differenz besser in einer entsprechenden Preissenkung zum Ausdruck kommen.
* Ist die Spanne nicht mehr tragbar, müssen die Ferienreise-Geschäfte ihre Preise entsprechend erhöhen oder eine sonst mögliche Preissenkung unterlassen. Moral: der Kunde bezahlt seine Ferienreise doch selbst.
»Die Praxis wird zeigen, was der Handel darüber denkt«, belächelt Zimmer die Frankfurter Einwände. Er sagt: »Der Rabatt im großen kommt so oder so. In Hamburg sitzt schon der erste alte Rabattsparverein, der sich uns mit 1000 Läden anschließen will.«
Und wettert: »Als wir den Herren vom Frankfurter Einzelhandel unsere Idee zum ersten Male vortrugen, wollten sie sich sogar finanziell an dem Geschäft beteiligen. Erst seit wir andere Geldgeber fanden (20000 DM) sind sie böse.«