Hermann-Josef Tenhagen

Vermeiden von Altersarmut Wo es bei der Rente hakt

Wie sieht die Zukunft der Rente in Deutschland aus? Fans der staatlichen Vorsorge konkurrieren mit Verteidigern des privaten Ansparens. Drei Empfehlungen für diejenigen, die unabhängig handeln wollen.
Foto: Westend61/ Getty Images

Der Kampf tobt auf zwei Ebenen. Hier die vielen Anbieter, die weiter an der privaten Altersvorsorge verdienen wollen. Dort die Politik, wo die Parteien um die Gunst der Wähler konkurrieren. Es geht um Betriebsrente versus Riester, private Altersvorsorge gegen gesetzliche Rente. Fans der staatlichen Vorsorge kämpfen gegen Verteidiger des privaten Ansparens.

Es geht um viel Geld und viel Einfluss, wenn folgende Fragen entschieden werden: Sparen die Erwerbstätigen besser in die Betriebsrente oder riestern sie? Bekommen sie eine gänzlich neue dritte Alternative wie die Extra-Rente? Verlieren die Jüngeren den Glauben an die private Altersvorsorge? Und gewinnt die gesetzliche Rente wieder an Bedeutung?

Mitten im Wahlkampf um Europa und vor weiteren Landtagswahlen bewegt sich auch die Politik. Im Moment geht es vor allem um die Grundrente für diejenigen, die lange gearbeitet haben. Altersarmut droht vielen Arbeitnehmern, vor allem Niedriglöhnern und Menschen mit "gebrochenen Erwerbsbiografien". Das ist Behördendeutsch etwa für gescheiterte Selbstständige oder Frauen, die sich lange vor allem um die Familie gekümmert haben. Wer heute den Mindestlohn verdient, kann im Alter praktisch nicht über Hartz-IV-Niveau kommen. Gerade die ärmsten Rentner sind praktisch komplett auf den Staat angewiesen . Dagegen besteht das einkommensstärkste Zehntel der Rentner zu guten Teilen aus Beamten, wie das Berliner Forschungsinstitut DIW jüngst ermittelt hat.

Um nun das Problem der privaten (Zusatz-)Vorsorge zu lösen, sind drei Gruppen am Start:

  • die Anbieter betrieblicher Altersvorsorge in der aba (Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge),
  • die Verbraucherzentralen,
  • und die privaten Rentenversicherer als Anbieter von Riester-Produkten.

Als gewichtiger Vertreter der aba hat der Anbieter Metallrente zum Wochenbeginn eine neue Jugendstudie vorgestellt . Die Kernbotschaft lautete: Junge Leute sparen immer weniger. Wer in die Zahlen reinschaut, sieht, sie zahlen weniger in Riester- und Bausparverträge ein. Und: Die jungen Leute würden mehr vom Staat erwarten.

Ganz vermessen ist der Wunsch ja nicht, dass der Staat für bessere Produkte sorgt und die Qualität kontrolliert, wenn er schon mit unseren Steuergeldern das Alterssparen fördert. Außerdem wünschen die Millennials, also die in den Achtziger- und Neunzigerjahren Geborenen, dass die Förderung der Altersvorsorge vereinfacht wird. Und natürlich möchten sie auch mehr verdienen, um überhaupt einzahlen zu können.

Die Anbieter betrieblicher Altersvorsorge (aba) würden jetzt sicher sagen, das ließe sich alles über die Betriebe organisieren. An der Spitze der aba tummeln sich unter anderem die Chefs der BASF-Pensionskasse und des Bosch-Pensionsfonds und ehemalige Tarifexperten der IG Metall .

Die Verbraucherorganisationen wiederum sind schon lange unglücklich mit den provisionsgetriebenen Modellen privater Renten - auch bei Riester und Betriebsrente. Sie setzen jetzt auf ein ganz neues Modell, die sogenannte Extra-Rente. Die Sparraten sollen bei jedem Arbeitnehmer direkt vom Gehalt abgezogen werden (über eine staatliche Agentur). Vertriebs- und Provisionskosten sollen entfallen.

Trotzdem wollen die Verbraucherzentralen dem Staat die Geldanlage nicht anvertrauen. Vielmehr soll eine vom Staat ausgesuchte Bank, Versicherung oder Fondsgesellschaft das Geld der Altersvorsorgesparer mehren - nach skandinavischem Vorbild. Und um vorzubeugen gegen "Zwangsrenten"-Schlagzeilen, wie es sie einst gegen frühe Riester-Pläne gab, schlagen die Verbraucherzentralen die Möglichkeit vor, das Modell individuell abzuwählen  - im Fachjargon "Opt out" genannt.

Auch die klassischen Riester-Anbieter haben sich neu positioniert: Sie haben registriert, dass ihre Produkte immer weniger Fans finden. Hunderttausende haben gekündigt, Millionen zahlen nicht mehr ein. So haben die Anbieter auf die harte Tour begriffen, dass sie ihre Kosten senken müssen.

Union Investment, mit seinem Fonds der größte Riester-Anbieter überhaupt, hat schon im vergangenen Herbst ein Vereinfachungsprogramm vorgelegt - "Zulagen-Rente" heißt das Konzept. Es sieht vor, dass alle Bürger bei Riester einzahlen können, dass die Förderung vereinheitlicht wird und auch nicht mehr wegen Formfehlern zurückgefordert werden kann. Die große Fondsgesellschaft DWS, an der die Deutsche Bank beteiligt ist, sieht das ähnlich.

Keine Antwort auf die wachsende Altersarmut

Ob mehr Betriebsrente, die neue Extra-Rente oder eine bessere Riester-Rente: Alle drei Konzepte verbessern vor allem die Situation derer, die sich schon um eine zusätzliche Altersvorsorge gekümmert haben - oder die das zumindest finanziell ganz gut können.

Doch keines der drei Konzepte bietet eine Antwort auf die wachsende Altersarmut. Die Zahl der Rentner, die auf Grundsicherung angewiesen ist, ist schon in den vergangenen acht wirtschaftlich guten Jahren rasant gestiegen - auf gut 560.000.

Das Problem resultiert aus einer sehr unglücklichen Kombination von Konzepten:

Der Kern der Altersversorgung der ärmeren Hälfte der Bevölkerung ist die gesetzliche Rente. Wer dort viel einzahlt und alt genug wird, bekommt viel heraus, wer wenig einzahlen kann, bekommt wenig. Äquivalenzprinzip heißt das im Fachjargon. Da sind sogar die Gewerkschaften dafür, denn eine staatliche Rente könnte in Krisenzeiten viel leichter gekürzt werden (so wie in Griechenland in der Eurokrise die Rente halbiert wurde).

Leider konnten viel zu viele nur wenig einzahlen: Da war die hohe Arbeitslosigkeit der Achtzigerjahre im Westen und die noch stärkere Arbeitslosigkeit der Neunziger im Osten. Dann stärkte Rot-Grün um die Jahrtausendwende Teilzeitjobs und den Niedriglohnsektor als Mittel gegen Arbeitslosigkeit - und vergaß deren Rente. Die allgemeine Kürzung aller Rentenansprüche und der Ersatz durch eine nicht flächendeckende (und zu teure) Riester-Rente tat ein Übriges.

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Micha Kirsten / Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip«  refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .

Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.

Hier ist generelles Umdenken nötig. Geringverdiener müssen für ihre Einzahlung in die gesetzliche Rente deutlich mehr bekommen als heute. Das ist nicht einmal so teuer, weil Geringverdiener ohnehin eine geringere Lebenserwartung haben als wohlhabende Rentner. Wodurch Geringverdiener indirekt die Wohlhabenden quasi noch subventionieren .

Die Diskussion in der Großen Koalition um die Erhöhung der Grundrente nach 35 Jahren Wartezeit adressiert die Altersarmut tatsächlich erstmal weit besser als Reformen an Riester-, Betriebs- oder einer neuen Extra-Rente. Ob man das mit Steuergeldern macht oder durch Umverteilung innerhalb der Rentenversicherung ist dabei erstmal egal.

Dennoch sind gute Reformen bei der Betriebsrente, der Riester-Rente oder eine neue Extra-Rente deswegen nicht weniger wünschenswert. Denn diese Reformen zahlen sich weitgehend selbst. Und sie sorgen dafür, dass die jungen Sparer wieder erkennen können, dass der Staat bei seiner Förderung ihrer Altersvorsorge vor allem sie als künftige Rentner und nicht so sehr die aktuellen Vertriebsfirmen im Auge hat.

Bis wir allerdings Fortschritte bei der Rente sehen, bleibt es bei folgenden drei Empfehlungen:

1. Gute Riester-Verträge abschließen oder weiterführen  und die Förderung mitnehmen. Schlechte Verträge meist beitragsfrei stellen und so dafür sorgen, dass die Förderung erhalten bleibt und der Anbieter den angerichteten Schaden kleinhalten muss.

2. Gute Betriebsrenten abschließen  und wo immer möglich den nächsten Arbeitgeber davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, in den Vertrag des vorherigen einzuzahlen.

3. Bevor Sie gar nichts tun, einen langfristigen ETF-Sparplan anlegen  und so selbst fürs Alter vorsorgen.

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