
Apple Pay und Co. Diese Gefahren drohen beim mobilen Bezahlen

Bezahldienst Apple Pay
Foto: Lino Mirgeler/ dpaMit einem alten Bonmot hat IT-Professor Key Pousttchi zum Safer Internet Day seinen Zuhörern das Dilemma beim mobilen Zahlen verdeutlicht. "MasterCard kann seit Jahren weit besser vorhersagen, ob Sie sich scheiden lassen als Sie selbst", so der Potsdamer Professor diese Woche auf einer Konferenz des IT-Branchenverbands Bitkom und des Bundesjustizministeriums. Und Mastercard verfüge mit den Zahldaten nur über eine kleine Datenspur seiner Kunden. Der Rechtsprofessor Ian Ayers von der Universität Yale hatte vor mehr als zehn Jahren erstmals über den Infozugang der Kreditkartenfirmen in den USA berichtet .
Die Internetgiganten Google, Amazon, Apple oder Facebook hingegen verfügten nicht nur über eine Datenspur, sagt Pousttchi, sondern über einen wahren Datenteppich. Den US-Konzernen fehlten eigentlich nur die Transaktionsdaten, also die Bezahldaten, um die wirtschaftliche Informationshoheit über die Mehrzahl der Kunden und Geschäftsbereiche zu gewinnen. Keiner habe dann mehr Informationen über die Kunden und könne passendere Empfehlungen aussprechen, so der Wissenschaftler.
Die Tech-Giganten könnten ihre Informationen zu passenden lebenspraktischen Empfehlungen bündeln, damit wir dort Geld ausgeben, wo sie es gern hätten. Sie, liebe Leserinnen und Leser, kennen die Anfänge des Modells: Kunden, die dieses Paar Schuhe gekauft haben, haben sich auch für solche feschen Wintermäntel interessiert.
Ist das dann klassische Werbung? Empfinden das Kunden als Werbung? Oder ist es einfach nur angsteinflößend. "96 Prozent der Kunden wollen keine Nutzung ihrer Bezahldaten zu Werbezwecken", sagte Justizministerin Katarina Barley (SPD) auf der Konferenz. In der Folge müssten aber eigentlich Bezahldaten von den sonstigen Onlinedaten getrennt und vor allem virtuell geschreddert werden.
Auf die Beteuerungen der Internetgiganten, die Daten nicht zusammenzubringen, sollte man sich jedenfalls nicht verlassen. Facebook, das die eigenen Messengerdienste mit WhatsApp und Instagram zusammenführen will, bietet aktuell ein abschreckendes Beispiel. Der Datenhunger des Konzerns ist unersättlich.
"Per Smartphone wird bisher kaum bezahlt"
Angesichts dieser Datenschutzdebatte tritt eine andere Frage in den Hintergrund: Wie sicher ist mein Geld beim Bezahlen im Netz und beim mobilen Bezahlen mit dem Smartphone? Wenn man sein Handy mit der Bezahl-App verliert oder es gestohlen bekommt, ist das im Alltag möglicherweise schlimmer als der Verlust des Portemonnaies: Kontaktdaten, Bilder, Zahldaten - alles weg. Aber man läuft nicht unbedingt Gefahr, zusätzlich Geld zu verlieren .
Vielleicht haben sich aber auch noch zu wenige Verbraucher diesem Risiko tatsächlich ausgesetzt. Vor gut einem Jahr hatte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation Marktwächter ermittelt, dass nur drei Prozent der Befragten in Deutschland schon mal mit dem Smartphone bezahlt haben. Die Bundesbank befand fast zeitgleich: "Per Smartphone sowie mit Kunden- und Prepaid-Karten wird bisher kaum bezahlt."
Inzwischen sind zwar Apple Pay, Google Pay und die Apps von Sparkassen und Volksbanken an den Start gegangen. Aber dass, wie der Bitkom behauptet, tatsächlich schon "30 Prozent der Kunden einer repräsentativen Umfrage" einmal mobil bezahlt haben, mag ich kaum glauben. Die meisten Kunden hätten im Supermarkt mit dem Smartphone bezahlt, etliche aber auch beim Kauf eines Bahn- oder U-Bahntickets, so der Branchenverband. Genutzt würden dabei auch die Bezahl-Apps neuer Finanzdienstleister.

Micha Kirsten / Finanztip
Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip« refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .
Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.
Vielleicht teilen Sie meine Skepsis gegenüber den Bitkom-Zahlen von der neuen mobilen Bezahlnation, haben in Ihrem Lieblingssupermarkt in Schwabing, im Hamburger Schanzenviertel oder in Berlin-Neukölln auch selten oder nie jemanden mit dem Smartphone bezahlen sehen. Hier noch ein paar Zahlen : Im November 2018 berichteten die Sparkassen, ihre Bezahl-App sei gut 300.000 Mal heruntergeladen worden, 186.000 Kunden könnten damit schon tatsächlich bezahlen und insgesamt hätten mehr als 500.000 Bezahlvorgänge stattgefunden.
70 Prozent der Bankkunden hierzulande haben ihr Konto bei Volksbanken und Sparkassen. Das Mobile-Banking-Vorzeigeinstitut N26 hat zwar nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Kunden - aber in 24 Ländern. Apple Pay, mit dem die Apple-Nutzer unter den Kunden der Deutschen Bank, der HypoVereinsbank, von Comdirect und N26 zahlen können, startete seinen mobilen Bezahldienst in Deutschland gerade erst Mitte Dezember 2018. Und auch Google Pay hat es nur wenige Monate vor Apple Pay auf den deutschen Markt geschafft.
Also insgesamt sind wir in Deutschland noch nicht so weit gekommen beim mobilen Bezahlen : Etliche Anbieter sind gescheitert, andere gerade erst aus dem Startblock gekommen. Auch im europäischen Vergleich hängen wir hinterher. Für den Verbraucher muss das anders als für die Banken aber nicht schlimm sein. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Sie und auch der Gesetzgeber können sich anschauen, wie Mobile Payment in anderen Ländern funktioniert, und was zu tun ist, um für mehr Datenarmut und eine bessere Datentrennung beim mobilen Bezahlen zu sorgen.
- Wenn Sie gern vorn dran sein wollen, probieren Sie doch neben dem mobilen Bezahlen auch die neuen mobilen Konten aus - erst mal als Zweitkonto. So bekommen Sie ein Gefühl für die Chancen und Tücken. Einsteigerkonten gibt es fast kostenlos.
- Testen Sie dann vor allem, ob Sie Vorzüge des mobilen Bankings, also etwa die Überweisung von Geld an Freunde im Restaurant - ohne Kontonummer, nur mit Handynummer - überhaupt nutzen können. Bei meinem Selbstversuch bot sich als Überweisungsopfer nur ein Journalistenkollege an.
- Rüsten Sie vor dem Einsatz als Geldbörse oder Konto in der Hosentasche in jedem Fall Ihr Smartphone sicherheitstechnisch hoch. Verlassen Sie sich dabei nicht auf Schnelligkeit der Behörden: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) konnte auch 50 Stunden nach meiner Anfrage noch nicht mitteilen, ob in den vergangenen zwei Jahren Verbraucher beim mobilen Banking zu Schaden gekommen sind.
- Und bezahlen Sie auch weiter den einen oder anderen Einkauf bar. Nicht nur im Sexshop. Datenschutz funktioniert aktuell eigentlich nur beim Bezahlen mit Bargeld.
Letzteres räumt sogar der Bitkom-Chef ein. Achim Berg denkt laut über eine Art Artenschutz fürs Bargeld nach. "Es gibt gute legale Gründe, anonymes Bezahlen zuzulassen." Seine Beobachtung: "Es gibt einen Trend, dann doch nicht komplett überwacht werden zu wollen und Bargeld noch irgendwo zu nutzen."