Gipfel im Kanzleramt Wirtschaftsweise lehnt Auto-Kaufprämie als "puren Lobbyismus" ab

Ökonomin Schnitzer: "Wichtige Trends verschlafen"
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Monika Schnitzer, neues Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise"), hat sich klar gegen staatliche Kaufprämien für alle Neuwagen ausgesprochen. "Das ist purer Lobbyismus, genauso wie die Forderung, nun Abstriche bei Umweltauflagen zu machen", sagte die Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin der "Rheinischen Post". Durch solche mit der Coronakrise begründeten Kaufanreize würden "Käufe vorgezogen, die in den Folgejahren fehlen".
Die Bundesregierung und Vertreter der Autoindustrie wollen am Dienstag über die angespannte Lage der Branche beraten. Die Nachfrage ist wegen der Coronakrise eingebrochen. Die Hersteller hoffen auf Hilfe vom Staat in Form neuer Kaufprämien, um die Nachfrage anzukurbeln. Vor dem Treffen forderte der Branchenverband VDA eine rasche Entscheidung über neue Kaufanreize.
Die Wirtschaftsweise Schnitzer gab zu bedenken, die Prämien würden auch genutzt, um ausländische Automobilmarken zu kaufen. So sei es "zumindest beim letzten Abwrackprogramm in der Finanzkrise" gewesen. Nach der Finanzkrise 2009 hatte es eine "Abwrackprämie" gegeben, die auf hohe Nachfrage stieß.
Gerade die Autoindustrie hat aus Sicht von Schnitzler lange "wichtige Trends wie die E-Mobilität und die Wasserstofftechnologie verschlafen". Da könne die Corona-Pandemie keine Ausrede sein, um das alte Geschäftsmodell auf viele weitere Jahre zu zementieren, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Schnitzer kann sich aber grundsätzlich Hilfen für die Autoindustrie vorstellen. "Eine Kombination von Kaufprämien zum Beispiel für Elektroautos, verbunden mit Investitionen in Ladeinfrastrukturen könnte schon sinnvoll sein". Zugleich warnte sie vor einer Überlastung der künftigen Generationen durch staatliche Corona-Hilfsprogramme. Diese seien ohnehin schon durch die Folgen des Klimawandels und durch den demografischen Wandel belastet. "Wir können sie nicht auch noch mit den Corona-Schulden alleinlassen", sagte die Ökonomin.
Verbraucherschützer gegen "Abwrackprämie 2.0"
Kritisch äußerte sich auch Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands: "Wir brauchen keine Abwrackprämie 2.0, die Verbrenner fördert und funktionstüchtige Autos zum Wegwerfartikel macht. Bund und Länder müssen zukunftsgewandt handeln und umweltverträgliche Mobilität fördern."
Müller sagte, die Politik dürfe auf Drängen der Autoindustrie nicht in alte Muster verfallen. Eine Kaufförderung müsse die klimapolitischen Ziele Deutschlands und der EU unterstützen. "Wenn es neue Subventionen geben soll, dann dürfen nur besonders klimaverträgliche Fahrzeuge wie Elektroautos eine Förderung erhalten."
Daneben unterstütze der Verband die Forderung einer Mobilprämie und schlage vor, dass auch Menschen von einer Förderung profitieren sollten, die ihr Auto mit anderen teilten oder ohne Auto leben, dafür aber das Rad, den öffentlichen Nahverkehr oder Carsharing-Angebote nutzen.
Luisa Neubauer von der Klimabewegung "Fridays for Future" bezeichnete eine Kaufprämie als "maximal unverantwortliche Idee - ökologisch, aber auch ökonomisch". Eine Entscheidung zugunsten solcher Zuschüsse könne nur fallen, "wenn die Bundesregierung sich von ihrer Verantwortung von jungen und zukünftigen Generationen verabschiedet", sagte Neubauer. "Der Autogipfel ist jetzt ein Richtungsgipfel, der offenlegt, wie ernst der Kanzlerin eine klimaverträgliche, nachhaltige und gerechte Coronapolitik tatsächlich ist."
Unterstützung für die Forderungen der Autoindustrie kommt von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). In der "Augsburger Allgemeinen" sagte er: "Jeder, der ein Auto ab Schadstoffklasse 6 kauft, sollte eine Prämie bekommen, beginnend bei 4000 Euro für den fabrikneuen Wagen, heruntergestaffelt auch für Jahreswagen und Autos bis circa drei Jahre mit 2000 Euro, wenn sie eben schon Schadstoffklasse 6 haben."