
Marketing-Wahnsinn BahnCard: 87 Prozent aller Fahrten sind rabattiert
Foto: Kay Nietfeld/ dpaMan stelle sich folgendes Szenario vor: Zum 1. Januar verdoppelt Aldi alle Preise, um sich ein teureres Image zuzulegen und so die Auslastung der Läden zu reduzieren. Butter kostet statt einem nun zwei Euro. Um die Kunden nicht vollends zu verprellen, führt das Unternehmen gleichzeitig die sogenannte AldiCard ein. Mit der AldiCard50 für 250 Euro Jahresgebühr bekommen Kunden 50 Prozent Rabatt auf den Normalpreis, die Butter kostet dann also wieder einen Euro.
Mit der günstigeren AldiCard25 für 50 Euro pro Jahr gibt es zwar nur 25 Prozent Rabatt auf den Normalpreis. Zusätzlich bietet die Karte jedoch die Möglichkeit, diese Ersparnis mit allerlei Sonderaktionen zu verbinden. Schließlich will Aldi in den Wochen, in denen Butter bei Lidl besonders günstig ist, nicht vollends unattraktiv sein. Deshalb bietet jede Filiale zehn Packungen Butter für 0,49 Euro, zehn weitere für 0,59 Euro und so weiter an. Diese Schnäppchen stehen zwar allen Kunden offen, wer eine AldiCard25 besitzt, bekommt aber ein weiteres Viertel des Preises erlassen. Sofern er sich im Internet rechtzeitig ein Päckchen gesichert hat.
Klingt verrückt? Ja. Ist allerdings keine Satire.
So funktioniert das Tarifmodell der Bahn. Die Normalpreise des Konzerns sind derart astronomisch, dass viele Kunden abgeschreckt werden. Dass die Bahn das Image eines überteuerten Verkehrsmittels hat, verwundert nicht. Die Frage, warum jemand für eine 13 bis 14 Stunden dauernde Hin- und Rückfahrt von Berlin nach München mindestens 260 Euro zahlen sollte, wenn mit etwas Glück ein günstigerer Flug zu haben ist, können selbst Bahnmanager nicht überzeugend beantworten.
Ihre gängige Antwortet lautet: Das Problem ist kleiner als es erscheint, denn den Normalpreis zahlt ja eh kaum jemand. Das stimmt. Fast 90 Prozent aller Fahrten im Fernverkehr sind rabattiert, also gerade einmal jeder neunte Kunde zahlt den Preis, der ausgewiesen wird. Aber genau das ist das Problem.
Ein hoher Normalpreis, der potenzielle Kunden abschreckt, von den tatsächlichen Kunden aber nicht gezahlt wird, ist Marketing-Wahnsinn. Das Preismodell wirkt wie aus einer Zeit, als das Auto die einzig realistische Alternative zur Bahn war. Heute konkurriert der Konzern allerdings längst nicht mehr nur mit dem Flugzeug, sondern eben auch mit Fernbussen. Die werden in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 20 Millionen Fahrgäste transportieren. Dank optisch niedriger Preise und eines einfach zu durchschauenden Tarifsystems.
Statt die ungeliebte Konkurrenz mit allen Mitteln zu bekämpfen und einen Preiskampf zu beklagen, sollte die Bahn lieber an einem attraktiveren Angebot arbeiten.