
Das Geschäft mit dem Tod: Bestatter in Deutschland
Bestatter in der Kritik Gewinne so sicher wie der Tod
Hamburg - In dieser Situation konnte Jörg P. wirklich keinen Ärger gebrauchen. Überraschend war sein Bruder gestorben, mit 37 Jahren, ein Schicksalsschlag für die Familie aus dem nordrhein-westfälischen Witten. Doch Jörg P. blieb kaum Zeit zum Trauern. Denn die Beisetzung verlief alles andere als wunschgemäß.
"Niemand hat sich für mich zuständig gefühlt", erzählt Jörg P. Der örtliche Bestatter habe einfach sein eigenes Ding gemacht, sobald er den Auftrag sicher in der Tasche hatte. Der bestellte Sarg war auf einmal nicht mehr lieferbar, stattdessen sollte P. ein teureres Modell kaufen. Für Nachfragen war der Bestatter tagelang nicht zu erreichen, die Todesanzeige musste die Familie schließlich selbst aufgeben.
Als die Trauerfeier endlich stattfand, sei der Sarg eine Zumutung gewesen, berichtet P. "Beschädigt, voller Macken, ein Fuß war abgebrochen." Besonders pietätlos: Direkt nach der Beisetzung habe der Friedhofsgärtner Bargeld für das ausgeschaufelte Grab gewollt - dabei sollten diese Kosten eigentlich über den Bestatter abgerechnet werden. P. stellte schließlich Anzeige wegen Betrugs.
Ärger mit dem Bestatter ist ein sensibles Thema. Die Hinterbliebenen möchten trauern, des Verstorbenen gedenken - und sich nicht mit irdischen Dingen wie Kostenvoranschlägen, Friedhofsgebühren oder Sargpreisen beschäftigen. Schließlich steht ein viel wichtigeres Ereignis im Vordergrund: der Tod eines geliebten Angehörigen.
Manche Bestatter nutzen diese Zeit extremer emotionaler Anspannung aus. Experten schätzen, dass jährlich Tausende Trauernde mit ihrem Bestattungsunternehmen unzufrieden sind oder sich gar abgezockt fühlen. Doch kaum einer unternimmt etwas dagegen. Die meisten Hinterbliebenen überlassen sich ihrem Schmerz - und zahlen brav die Rechnung. Für die Betriebe ein gutes Geschäft.
Es geht um die Würde der Toten, aber auch um Geld
Die meisten Bestatter erledigen ihre Arbeit professionell und einfühlsam, betonen Verbraucherschützer wie die Stiftung Warentest oder die Hinterbliebenen-Organisation Aeternitas. Doch einzelne Unternehmer schaffen es immer wieder, den Ruf der Branche zu beschädigen. Buchautoren wie Michael Schomers ("Todsichere Geschäfte") oder Peter Waldbauer ("Die Bestattungsmafia") haben verdeckt in Bestattungsbetrieben recherchiert. Sie kennen die Tricks der Branche. SPIEGEL ONLINE stellt die gängigsten vor:
- Viele Bestatter unterhalten gute Kontakte zu den örtlichen Krankenhäusern. So kommen sie schnell ins Geschäft, wenn ein Leichnam abtransportiert werden soll - manchmal sogar ohne Einwilligung der Angehörigen.
- "Es soll nach was aussehen": Manche Bestatter versuchen, den Angehörigen ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn diese sich nach günstigen Angeboten erkundigen.
- Eine Aufbahrung zu Hause ist legal. Trotzdem drängen viele Bestatter auf einen schnellen Abtransport des Leichnams - und eine lange Aufbahrung im eigenen Institut.
- Für eine Feuerbestattung reicht ein einfacher 400-Euro-Sarg. Es passiert aber immer wieder, dass Angehörige deutlich mehr zahlen müssen.
- Fachleute halten Vorsorgeverträge für überflüssig - wer rechtzeitig spart, bekommt das nötige Geld für die eigene Bestattung auch so zusammen. Trotzdem überreden viele Bestatter ihre Kunden zu solchen Versicherungen.
- Manche Bestatter weigern sich, einen schriftlichen Kostenvoranschlag vorzulegen. Stattdessen rechnen sie viele kleine Extras ab. Bisweilen wissen die Hinterbliebenen erst am Tag der Abrechnung, wie teuer die Bestattung tatsächlich war.
Laut Stiftung Warentest kostet eine durchschnittliche Bestattung 6000 Euro (siehe Tabelle in der linken Spalte). Doch je nach Anbieter unterscheiden sich die Kosten erheblich - zum Teil um mehrere hundert Euro. Verbraucherschützer empfehlen deshalb, trotz aller Trauer mehrere Angebote mit konkretem Kostenvoranschlag einzuholen. Nur so finde man den passenden Bestatter.
Oft genug treten die Angehörigen jedoch unsicher auf - in ihrer Situation verständlich. Mancher Unternehmer weiß dies auszunutzen. "Bestatter haben auf die Angehörigen einen großen Einfluss, da sie in der Regel als erste angesprochen werden", sagt Hermann Weber, Vorstand des Verbraucherschutzvereins Aeternitas. Die Organisation besteht seit 25 Jahren, die Gründungsmitglieder hatten selbst Probleme mit Bestattern, Friedhofsgärtnern oder Steinmetzen.
Doch Experten bleibt oft nur ein Appell: "Wir fordern die Branche auf, die Wünsche der Kunden nach einer preiswerten, aber würdigen Bestattung zu erfüllen", sagt Falk Murko von der Stiftung Warentest.
"Fünf Leichen zum Preis von vier"
Dabei kämpfen die Unternehmen auch untereinander mit harten Bandagen. Bundesweit gibt es etwa 4000 Bestatter - und das bei einem schrumpfenden Markt. In den vergangenen zehn Jahren gingen die Umsätze um rund 20 Prozent zurück, denn die Kunden achten immer stärker aufs Geld. Entsprechend scharf ist der Wettbewerb. Ein Insider berichtet SPIEGEL ONLINE von knallharten Rabattverhandlungen mit den Krematorien: "Die Regel lautet: fünf Leichen zum Preis von vier."
Die Angehörigen bekommen dies im Normalfall nicht mit. Doch irgendwie bleibt ein ungutes Gefühl. In Internetforen tauschen viele Hinterbliebene ihre Erfahrungen aus. Die Berichte sind eine laute Anklage, voll Schmerz und Trauer - aber auch Wut:
- "Ich war mit der Bestattung eines Mannes beauftragt, der am 17.3.09 gestorben war", schreibt ein Diskussionsteilnehmer. "Etwa zwei Mal wöchentlich fragte ich bei dem Bestatter nach, wann denn die Urnenbeisetzung sein würde. Als ich am 6.4. erneut nachfragte, wurde mir gesagt, die Beisetzung habe bereits am 3.4. stattgefunden. Man habe sich gewundert, dass niemand da war."
- Ein anderer berichtet, dass er für eine verstorbene Angehörige eine Urnenverbrennung wollte, mit ganz normalem Sarg und ohne Trauerfeier. "Das Unternehmen hat die Kosten kurz überschaut und sagte uns, wir würden uns bei etwa 2000 Euro befinden. Jetzt sind es Kosten von bis zu 3200 Euro. Wie kann das sein???"
- Eine Familie aus Stuttgart hatte ebenfalls Ärger mit ihrem Bestatter. Daraufhin wollte die Familie die Schlichtungsstelle des Verbandes deutscher Bestatter anrufen. Aber: "Ob wir uns letztlich an sie wenden können, muss zuerst unser Anwalt klären, da uns die Firma K. mit Verleumdungsklage gedroht hat."
- "Zu allem Kummer und Leid nun noch diese Scheiße", erzählt ein Forumsdiskutant. Der Bestatter habe den Kostenvoranschlag einfach nicht eingehalten. "Ich will nur, dass meine Frau ihre Ruhe bekommt."
- Und wieder ein anderer: "Ich fühle mich abgezockt und betrogen."
Dabei sind dies nur die vielen kleinen Fälle, die Ärger verursachen, aber selten vor Gericht landen. Weitaus schlimmer wird es, wenn ein Bestatter den juristischen Graubereich verlässt - und zu absolut illegalen Praktiken greift. In den vergangenen Jahren wurden eine ganze Reihe mutmaßlicher Betrugsfälle bekannt:
- Zwei Bestatterinnen aus Wilhelmshaven sollen ihre trauernde Kundschaft über Jahre abgezockt haben. Gekaufte Luxussärge tauschten sie auf dem Weg zum Krematorium gegen billige Holzkisten aus. "Umpacken nennt man das im Fachjargon", sagt Buchautor Waldbauer.
- "Was nicht passt, wird passend gemacht" - nach diesem Motto verfuhr ein Bestatter im US-Bundesstaat South Carolina. Weil sein Kunde mit einer Körpergröße von zwei Metern nicht in den handelsüblichen Sarg passte, trennte er ihm die Beine ab - mit einer Kettensäge.
- In New York soll eine Bande vor Gericht kommen, die bis zu tausend Leichen heimlich Knochen und Gewebe entnommen und an die Pharmaindustrie verhökert haben soll. Mehrere Bestatter bekannten sich schuldig.
- Buchautor Waldbauer berichtet, immer wieder würden Leichen gefleddert. Bestatter oder ihre Mitarbeiter steckten Eheringe und Armbanduhren ein, in Einzelfällen brächen sie auch Goldzähne heraus.
- Ein Totengräber aus Malsch bei Karlsruhe wurde im vergangenen Jahr zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Mann hatte in 67 Fällen den Sarg aufgebrochen, bevor er das Grab zuschüttete - die Erde landete direkt auf den Leichnamen. Auf diese Weise ersparte sich der Totengräber mühevolle Handarbeit: "Was man hineinschüttet, braucht man nicht mit der Schubkarre wegzubringen", erklärte der Mann vor Gericht.
Der Bundesverband deutscher Bestatter distanziert sich ausdrücklich von diesen Fällen. Sie seien in keiner Weise exemplarisch für die Branche. "Schwarze Schafe gibt es überall", teilt die Lobbyorganisation mit. Von Einzelfällen dürfe man keine unzulässigen Rückschlüsse auf andere Unternehmen ziehen. Zuverlässige Bestatter könnten Kunden auf der verbandseigenen Webseite www.memoriam.de finden . Auch der unabhängige Verein Aeternitas listet ausgewählte Unternehmen auf seiner Seite www.gute-bestatter.de auf .
Immerhin: Auch die Stiftung Warentest und Aeternitas bescheinigen den meisten Bestattern guten Willen. Nach Meinung der Experten bemüht sich die Branche, professioneller zu werden und stärker auf die Wünsche ihrer Kunden einzugehen.
Dass dies nötig ist, sehen viele Unternehmer selbst ein. Ein Bestatter aus Nordrhein-Westfalen sagt: "Das ist ein ganz sensibles Geschäft. Da dürfen keine Fehler passieren."