BGH zu Bonitätsbewertung Was das Schufa-Urteil für die Verbraucher bedeutet

Nicht kreditwürdig: Warum fällte die Schufa dieses Urteil über eine Angestellte aus Hessen? Die Frau verlangte eine Antwort, zog bis vor den Bundesgerichtshof. Doch der wies die Klage ab. Was das Urteil für Verbraucher bedeutet - der Überblick.
Kreditkarten oder Handy-Verträge: Schufa muss Geheimformel nicht verraten

Kreditkarten oder Handy-Verträge: Schufa muss Geheimformel nicht verraten

Foto: Arne Dedert/ picture-alliance/ dpa

Verbraucher haben einen Anspruch darauf zu erfahren, für wie kreditwürdig sogenannte Wirtschaftsauskunfteien sie halten - wie das ermittelt wird, bleibt für sie aber weiterhin im Dunkeln. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage einer Frau auf eine entsprechende Auskunft ab.

Firmen wie die Schufa ermitteln die Kreditwürdigkeit durch komplizierte mathematisch-statistische Verfahren - dem sogenannten Scoring: Aus verschiedenen persönlichen Daten wird ein Wert erstellt, der im besten Fall bei 100 Prozent liegt, der höchsten Bonitätsstufe. Liegt der Wert unterhalb von 100 Prozent, können Kredite für Verbraucher teurer werden, im schlimmsten Fall verweigern Firmen das Darlehen gleich ganz.

Genau das war der Fall bei der Angestellten aus dem Landkreis Gießen, die bis vor den BGH zog: Sie wollte sich im Herbst 2011 ein Auto kaufen - per Leasingvertrag. Der Händler lehnte wegen einer negativen Schufa-Auskunft ab. Der Grund war zwar nur eine Namensverwechslung. Im zweiten Versuch klappte es mit dem Autokauf dann, allerdings wunderte sich die Käuferin über ihre persönliche schlechte Bonitätsnote: Die Schufa stufte sie mit 92,9 Prozent gegenüber Banken und 81,1 Prozent gegenüber Telekommunikationsunternehmen ein, obwohl sie bei anderen Firmen eine hervorragende Bonität genoss.

Der BGH musste entscheiden, ob die Schufa offenlegen muss, welche Daten in die Bewertung einfließen und wie der Basis-Score festgelegt wird. Die Schufa hatte von den niedrigeren Instanzen mit der Ansicht recht bekommen, dass die Berechnungsformeln zum Geschäftsgeheimnis des Unternehmens gehören. Der BGH schloss sich dem an und wies die Klage ab.

Aber was darf die Schufa überhaupt über Verbraucher speichern, und worauf sollte man im Umgang mit den Datensammlern achten? Die wichtigsten Antworten im Überblick:

1. Welche Daten werden gespeichert?

Die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) ist mit Daten zu mehr als 66 Millionen Personen die mit Abstand größte und wichtigste Auskunftei in Deutschland. Seit 1927 sammelt und liefert das Unternehmen sehr erfolgreich Daten zur Kreditwürdigkeit von Verbrauchern und Firmen. Rund 8000 Unternehmen nutzen die Scores, die meisten Informationen stammen direkt von Handelsunternehmen oder Banken - von denen viele selbst Aktionäre der Schufa sind.

Schufa und andere Datendienstleister speichern Angaben zur Person, also Name, Geburtstag und -ort sowie die Adresse. Außerdem sammeln sie Finanzmerkmale wie die Anzahl der Bankkonten, Zahl und Art von Krediten, Handy- und Leasingverträge, Angaben über unbezahlte Rechnungen, Mahnungen oder Insolvenzen. Laut Gesetz dürfen die Datensammler nur rechtskräftig festgestellte offene Ansprüche berücksichtigen, verjährte Forderungen müssen gelöscht werden.

Nicht gespeichert werden dagegen Kontostand, Einkommen, Vermögen, Beruf, Familienstand oder die Nationalität. Händler und Banken melden beispielsweise der Schufa, wenn ein Kunde eine Rechnung nicht bezahlt oder einen Kredit nicht getilgt hat.

2. Was passiert mit den Daten?

Alle über eine Person gesammelten Daten fließen mit Hilfe eines mathematisch-statistischen Verfahrens, dem sogenannten Scoring, in eine Prognose des Zahlungsverhaltens ein. Seit einer Gesetzesverschärfung müssen die Daten für die konkrete Wahrscheinlichkeit relevant sein, dass ein Kunde zahlen kann. Früher reichte für eine Herabstufung oft bereits eine Meldeadresse in einem Stadtteil mit vielen Kunden mit schlechter Bonität.

Den ermittelten Bonitätswert, Score genannt, verkaufen Schufa und andere Firmen an Banken, Versandhandelsunternehmen oder Telefonanbieter. Diese Firmen stufen die Kunden anhand ihres Scores ein - so müssen einige Kunden Vorkasse leisten, während andere auf Rechnung zahlen dürfen. Banken geben Verbraucher mit hoher Bonität günstigere Kredite, während andere mehr Zinsen zahlen müssen.

3. Welche Auskunftsdienste gibt es?

Hinter der Schufa rangieren im Markt Creditreform, Deltavista und Bürgel. Insgesamt sind im Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen mehr als 100 Firmen registriert, die Risikodaten ermitteln - zudem betreiben Banken oder Versicherungen häufig ein eigenes Scoring.

Viele der privaten Bonitätsbewerter sind weitgehend unbekannt. Aber auch der Medienkonzern Bertelsmann verdient mit seiner Tochter Arvato-Infoscore an dem Geschäft, ebenso die Deutsche Post.

4. Wie können Verbraucher Fehler in ihrer Bewertung erkennen?

Jeder Verbraucher darf einmal im Jahr kostenlos eine Auskunft über seinen Score verlangen und sollte das auch tun. Datenschützer raten dazu, Folgendes abzufragen: die gespeicherten Daten und ihre Herkunft, die Empfänger dieser Daten, die aktuellen und die in den vergangenen zwölf Monaten weitergegebenen Scores sowie eine "individuelle und einzelfallbezogene Erklärung" dieser Werte. Vordrucke zur Selbstauskunft gibt es bei der Bundesdatenschutzbeauftragten .

5. Was kann man tun, wenn die Daten falsch sind?

Die Zeitschrift "Finanztest" hat in einem Versuch gezeigt, dass nur elf von 89 Testpersonen komplette und korrekte Daten übermittelt bekamen. Die Auskunfteien sind dazu verpflichtet, falsche Daten zu berichtigen. "Finanztest" empfiehlt, einer formlosen, schriftlichen Beschwerde jene Unterlagen beizulegen, die den Fehler belegen. Bis zu einer Klärung des Streitfalls müssen die Unternehmen die Daten sperren, das heißt, auf Basis der strittigen Daten darf es keine negative Bonitätsbewertung geben.

6. Kann man seinen Score beeinflussen?

Weil die Unternehmen nicht preisgeben, wie die Scores berechnet und welche Daten wie stark gewertet werden, ist das kaum möglich. Anders als viele meinen, bekommt nicht jeder Verbraucher einen besonders guten Bonitätswert, der zum ersten Mal einen Kredit aufnimmt - sondern der, der ständig auf Pump lebt, seine Raten aber regelmäßig zahlt.

nck
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