Lockdown-Folge Deutschland trinkt 500 Millionen Liter weniger Bier

Ausgefallene Festivals, geschlossene Kneipen: Der Bierabsatz in Deutschland sank 2020 auf einen historisch niedrigen Wert. Der Deutsche Brauerbund spricht von einer dramatischen Lage.
Bierfässer werden in der Pandemie deutlich seltener geleert

Bierfässer werden in der Pandemie deutlich seltener geleert

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Sebastian Gollnow / dpa

Das Corona-Jahr hat die deutschen Brauereien empfindlich getroffen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte , wurden 2020 insgesamt 8,7 Milliarden Liter Bier abgesetzt – das sind 5,5 Prozent oder 508,2 Millionen Liter weniger als im Jahr zuvor.

»Die Situation der deutschen Brauwirtschaft ist dramatisch und in der Nachkriegszeit ohne Beispiel«, teilte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, mit. Die Krise sei »weitaus tiefer als die jüngsten Absatzzahlen auf den ersten Blick vielleicht vermuten lassen«. Laut Verbandsumfrage erlitten die Brauereien 2020 ein Umsatzminus von durchschnittlich 23 Prozent. »Der mehrmonatige Lockdown der Gastronomie, das Verbot von Veranstaltungen und der Kollaps wichtiger Auslandsmärkte hat die Brauwirtschaft schwer getroffen.«

Mit den Lockdowns und dem dadurch ausgelösten Zusammenbruch des Fassbiermarktes hätten die Brauereien von einem Tag auf den anderen einen großen Teil ihrer wirtschaftlichen Basis verloren. Ware im Millionenwert musste vernichtet werden. »Je größer das Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft einer Brauerei, desto verheerender die finanziellen Verluste.« Während einige Unternehmen, die ihre Biere überwiegend im Handel und nur wenig in der Gastronomie absetzten, deutlich besser durch die Krise kämen, beklagten andere Betriebe »massive und oftmals existenzbedrohende Umsatzeinbrüche, die in einzelnen Fällen bis zu 70 Prozent betragen«.

Fehlende Hilfen für Brauereien beklagt

Auch insgesamt ist die Lage der Beschäftigten im Gastgewerbe dramatisch. Für die meisten werde es immer schwieriger, weil sie durch den zweiten Lockdown nun bereits seit Monaten mit einem Kurzarbeitergeld von 60 oder 67 Prozent vom letzten Nettoverdienst auskommen müssten, sagte Guido Zeitler von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. »Wer jetzt als Kurzarbeitergeld noch deutlich weniger als den Mindestlohn bekommt, der ist finanziell längst am Ende.« Laut Ifo-Institut befinden sich fast 594.000 Menschen aus der Branche in Kurzarbeit.

Für die deutschen Brauer konnte auch das Exportgeschäft die Einbrüche nicht ausgleichen. Im Gegenteil: Steuerfrei – als Exporte und kostenloser Haustrunk für Brauereimitarbeiter – wurden laut Bundesamt 1,5 Milliarden Liter Bier abgesetzt und damit fast sechs Prozent weniger als im Vorjahr. Die Ausfuhren in EU-Staaten brachen sogar um rund 13 Prozent ein, während die Exporte in Nicht-EU-Staaten um 3,7 Prozent zulegten.

Der Brauer-Bund forderte »gezielte und entschiedene« Hilfen von Bund und Ländern für die Brauereien. Die 1500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien als indirekt Betroffene gingen bei den staatlichen Hilfen für die Gastronomie »bis auf wenige Ausnahmen leer aus«. Hauptgeschäftsführer Holger Eichele sagte: »Wir sprechen von Betrieben, die sich oft schon seit Generationen im Familienbesitz befinden, die Weltkriege, Wirtschafts- und Währungskrisen überstanden haben – und nun völlig unverschuldet vor dem Aus stehen.«

apr/Reuters/AFP
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