Hermann-Josef Tenhagen

Corona-Hilfen Wie Sie das Konjunkturpaket am besten für sich nutzen

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Mehrwertsteuer, Kinderbonus, E-Auto-Prämie: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung hält für Verbraucher viele Vorteile bereit. Die wichtigsten Tipps, wie Sie am ehesten davon profitieren.
Einkaufsstraße in Frankfurt am Main (Archivbild): Sinken die Preise wirklich?

Einkaufsstraße in Frankfurt am Main (Archivbild): Sinken die Preise wirklich?

Foto: Ralph Peters/ imago images

Diese Woche hat die Große Koalition das größte Konjunkturprogramm der jüngeren deutschen Geschichte an den Start gebracht. Große Teile des Geldes sollen beim Verbraucher ankommen, so die erklärte Absicht. Um den Konsum anzukurbeln und damit die Konjunktur. Doch wahrscheinlich wird nur ein Bruchteil der Gelder wirklich beim Kunden landen. Wie Sie das meiste für sich herausholen und dabei auch noch der Wirtschaft helfen, das will ich Ihnen im Folgenden zeigen.

Der wichtigste Punkt: Ab 1. Juli soll die Mehrwertsteuer deutlich sinken. Für Lebensmittel, Bücher und Tampons zum Beispiel von 7 auf 5 Prozent. Für Handwerkerrechnungen, Autos und Gucci-Handtaschen von 19 auf 16 Prozent. Zwanzig Milliarden Euro soll diese Steuererleichterung kosten .

Erstmal bravo. Denn einkaufen muss jeder und jede. Das heißt, es kann auch jeder profitieren. Nicht nur Besserverdiener und Leistungsträger, auch Rentner und Studierende. Bei einem klassischen Familienhaushalt, der jenseits der Miete oder der Raten fürs Häuschen 2000 Euro im Monat ausgibt, könnten 40 bis 50 Euro mehr im Portemonnaie bleiben.

Vorausgesetzt allerdings, die Händler geben die Mehrwertsteuersenkung tatsächlich an uns Kunden weiter. Denn dazu kann sie die Regierung nicht zwingen. Und deshalb kommen wir hier selbst ins Spiel. Nur wenn wir die viel gescholtene Geiz-ist-geil-Haltung in den kommenden Monaten regelmäßig an den Tag legen, wenn wir also Ausschau halten nach den Geschäften, die tatsächlich die Preise senken, haben wir auch etwas davon.

Das fällt leicht, wo die Konkurrenz groß ist: also bei Supermärkten oder im Handel mit Unterhaltungselektronik. Einzelhändler Lidl hat schon angekündigt, die Effekte der Mehrwertsteuersenkung komplett an die Kunden weiterzugeben. Auch Rewe und Netto haben solche Preisnachlässe schon versprochen. Auch, wenn das immer ein wenig Marketing ist und am Ende vielleicht nicht ganz zutreffen wird – es ist doch schon mal eine Kampfansage an die Konkurrenz.

Schwerer fällt es im Buchhandel, bei Mode oder dem neuen Gebrauchtwagen. Buchhändler unterliegen der Buchpreisbindung, haben also quasi Festpreise und folgerichtig in ihrem Branchenblatt, dem Börsenblatt des Buchhandels, schon angekündigt, dass sie die Mehrwertsteuersenkung natürlich nicht weitergeben können . Beim Buchhändler an der Ecke versteht man das vielleicht, aber der größte deutsche Buchhändler mit Milliardenumsätzen und vielen Millionen gesparter Steuern heißt Amazon.

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Ein anderes Problem für Kunden: In der Modeboutique können Sie anders als beim Kauf von Butter und Schokolade die Preise vor der Steuersenkung und nach der Steuersenkung nur schwer vergleichen. Noch mehr gilt das beim Kauf eines Gebrauchtwagens.

Bei Tampons hat es geklappt

Ein schönes Beispiel, wie es gut funktionieren könnte, ist der Tampon-Preis. Hier hat der Gesetzgeber schon im Januar die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent gesenkt, weil Tampons zum Grundbedarf gehören. Und tatsächlich sind die Preise seither deutlich gesunken, weil die Verbraucher mit Argusaugen drauf geguckt und entsprechend gekauft haben.

Verbraucher werden aber hartnäckig sein müssen. In der Finanzkrise 2008/2009 hatte die britische Regierung die Mehrwertsteuer für 13 Monate ordentlich gesenkt. Am Anfang reagierten die Anbieter auch mit Preissenkungen, doch schon nach wenigen Monaten gingen die Preise wieder rauf und die meisten Unternehmen vereinnahmten die Ersparnis bei den Steuern. Details kann man in einer ausführlichen Studie nachlesen .

Aber es gibt neben der Mehrwertsteuer ja weitere Positionen im Konjunkturpaket. Und bei einigen profitieren wir Verbraucher ganz direkt, vor allem Familien.

Die ärmsten Familien und Haushalte profitieren, weil sie auch in den kommenden Monaten leichter an die Grundsicherung kommen sollen – Punkt 14 der Liste mit 57 Maßnahmen. Wer nämlich bis Ende August einen Neuantrag auf Grundsicherung stellt, für den entfällt für die ersten 6 Monate die Vermögensprüfung. Außerdem werden in den ersten sechs Monaten die Ausgaben für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe gezahlt, egal wie groß oder teuer die Wohnung ist. Das ist sonst bei Hartz IV anders .

Dann wäre da Punkt 29 der Liste: mehr Geld für Alleinerziehende. Ihr Freibetrag bei der Steuer soll 2020 und 2021 von 1908 auf 4000 Euro im Jahr steigen. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende  wird bei Arbeitnehmern mit Steuerklasse II mit dem jeweils gültigen monatlichen Betrag bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt. Mein Tipp: Alleinerziehende mit Steuerklasse I sollten baldmöglichst bei ihrem Finanzamt den Wechsel in Steuerklasse II beantragen .

Mehr Geld gibt es auch für die meisten Familien mit Kindern: Die Koalition hat einen einmaligen Bonus von 300 Euro je Kind beschlossen, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Eltern müssen also zunächst nichts tun, wenn sie denn Kindergeld beziehen, weil Ihr Kind noch unter 18 ist oder weil es unter 25 in Ausbildung ist und sie das Kindergeld deshalb weiter beantragt haben. Diesmal sind die 300 Euro auch für Hartz-IV-Empfänger tatsächlich zusätzlich, sie sollen nicht mit der Grundsicherung verrechnet werden .

Wer allerdings so viel Geld verdient, dass er oder sie im Folgejahr mit der Steuererklärung vom Kinderfreibetrag profitiert hat (dabei wird das Kindergeld verrechnet), der hat zwar auch die 300 Euro mehr bekommen, wird aber nach der Steuererklärung häufig nicht mehr Geld in der Tasche haben. Die Grenze liegt bei einem Kind etwa bei 43.000 Euro zu versteuerndem Einkommen, für Paare das Doppelte . Aber wer für das Jahr 2020 so viel Einkommen in der Steuer angeben kann, der leidet unter der Krise sowieso nicht wirklich.

Vielen Menschen geht es trotz Krise finanziell tatsächlich gut, auch wenn sie sich Sorgen machen. In den ersten Corona-Monaten lag die Sparquote in Deutschland bei rekordverdächtigen 16,7 Prozent.

Hand aufs Herz, wenn Sie dazu gehören, ist die eigentliche Frage für Ihre Neigung, mehr Geld auszugeben: Haben Sie Vertrauen, dass es wieder aufwärts geht?

Dieses Vertrauen versucht die Politik zu stärken - und gleichzeitig mit ein paar speziellen Leckerbissen zu motivieren. Zum einen soll die staatliche Kaufprämie für E-Autos von 3000 auf 6000 Euro steigen, für alle Elektroautos bis 40.000 Euro Nettolistenpreis. Hinzu kommt noch der Bonus vom Hersteller von mindestens 3000 Euro (manche geben weitere Nachlässe). Plus Mehrwertsteuervorteil. Da sollte das E-Auto wirklich viel billiger werden.

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Wenn Ihr Arbeitgeber das E-Auto kauft, soll auch für die etwas größeren Modelle gelten, dass für die Privatnutzung des Autos nur ein Viertel der üblichen Steuern zu zahlen sind. Sprechen Sie also ruhig mit dem Chef, wenn der neue Dienstwagen kommen muss – Punkt 35 .

Wo können Sie neben dem Auto mal richtig Geld ausgeben? Richtig, bei den eigenen vier Wänden. Wenn Sie Ihr Haus energetisch sanieren wollen, soll ab Herbst noch einmal deutlich viel mehr Geld zur Verfügung stehen. Aber halten Sie sich ran, Handwerker waren zuletzt eher knapp – Punkt 39 .

Apropos Handwerker: Ich lasse gerade ein neues Bad machen. Wenn die Leistung erst im Juli erbracht, die Rechnung im Juli gestellt und bezahlt wird, spare ich wegen des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes doch tatsächlich einige Hundert Euro.

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