
Finanzturbulenzen Warum Bankkunden jetzt cool bleiben sollten


Blick aufs Frankfurter Bankenviertel
Foto: Jürgen Ritter / IMAGOSeit Langem haben nicht mehr so viele Leserinnen und Leser gemailt, geschrieben, angerufen – in Sorge um ihr Geld. Erst gehen ein paar US-Regionalbanken pleite, dann wackelt der Schweizer Bankengigant Credit Suisse. Was ist mit meinen Einlagen bei einer deutschen Bank, einer Sparkasse oder auch einer zinsstarken Bank in Frankreich oder den Niederlanden?
Die kurze Antwort: Es ist wohl nicht die nächste große Bankenkrise. Nach jetzigem Stand müssen Sie sich keine Sorgen um ihre Einlagen machen.
Der Live-Stresstest der Notenbanken
Aber natürlich hängen Pleiten und Turbulenzen diesseits und jenseits des großen Teichs zusammen. Banken hier wie dort kommen mit der Zinswende der Notenbanken schlecht klar. Sie scheitern an einem realen Stresstest, wenn Anleger und Anlegerinnen auf der Suche nach besseren Renditen ihr Geld abziehen. Wenn eine Großbank schon vor der Zinswende Probleme hatte, wie die Credit Suisse, kann dies zu Schieflagen und schlimmstenfalls Pleiten führen.
Die Notenbanken haben, getrieben von der hohen Inflation, den aktuellen Stresstest selbst verursacht – und sind deshalb (hoffentlich) besser vorbereitet. Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, sagte diese Woche : »Wir beobachten die aktuellen Marktspannungen genau und sind bereit, so zu reagieren wie erforderlich, um die Stabilität zu erhalten.«
Hauptziel der EZB sei aber die Bekämpfung der Inflation, die auch ohne explodierende Energie- und drastisch erhöhte Lebensmittelpreise aktuell noch bei 4,6 Prozent liege.
Aufruhr in Kalifornien: die Silicon Valley Bank
Aber noch mal zurück zum Anfang und den Regionalbanken in den USA. Was war passiert? Die Silicon Valley Bank (SVB) war eine Bank der Start-ups und Start-up-Millionäre, in Kalifornien, aber auch anderswo. Die Bank verfügte zuletzt über stolze 175 Milliarden Dollar an Einlagen. Viele der Start-up-Kunden hatten ihre Gelder dort geparkt , die sie zur Geschäftsentwicklung noch nicht brauchten.
Als die Zinsen stiegen, setzten die Start-ups mehr von ihren Einlagen ein als ursprünglich geplant. Sie zogen ihr Geld von der SVB ab. Das Kreditinstitut hatte aber unvorsichtigerweise größere Teile der Einlagen in langfristigen – vermeintlich sicheren – Staatsanleihen angelegt. Die musste die SVB nun mit Verlust verkaufen , um die Kunden auszahlen zu können.
Für die Verluste haben die gestiegenen Zinsen gesorgt. Wenn eine Bank vor zwei oder drei Jahren eine langfristige Staatsanleihe mit einem Prozent Zinscoupon gekauft hat, die vom Staat in 10 oder 15 Jahren zurückgezahlt werden soll, ist das aktuell ein derbes Verlustgeschäft, wenn die Bank die Staatsanleihe an der Börse weiterverkaufen will.
Kunden könnten aktuell nämlich vier Prozent Zinsen bekommen. Sie würden eine Staatsanleihe mit einem Prozent Coupon nur kaufen, wenn sie trotzdem vier Prozent Rendite bekommen würden. Das geht zum Beispiel, wenn die Anleihe mit 100 Euro Nennwert für nur rund 70 Euro, also mit Verlust, verkauft wird.
Als die SVB ihre Notlage quasi eingestand und auf die Suche nach frischen Eigenkapital zur Deckung der Verluste ging, erfuhren die Kunden davon und versuchten, das noch vorhandene Geld so schnell wie möglich abzuziehen. Die Pleite war die Folge.
Die Kunden waren keine Kleinanleger. 93 Prozent der Einlagen gingen über 250.000 Dollar hinaus. Die US-Einlagensicherung schützt Anlagen bis zu dieser Grenze auf jeden Fall – für die Silicon Valley Bank jetzt auch über die 250.000 Dollar hinaus .
Der Wackelkandidat in Europa: die Credit Suisse
Zurück über den Atlantik, traf es mit der Credit Suisse dann eine Bank, die ebenfalls nicht mit Kleinanlegern in Verbindung gebracht wird.
Die Zinsentwicklung brachte die »Bank der Millionäre und Milliardäre«, wie die Nachrichtenagentur Reuters sie diese Woche nannte, in die Bredouille. Dabei war die Credit Suisse auch ohne die steigenden Zinsen schon angeschlagen.
Die Schweizer Großbank hat begleitet von vielen Skandalen in sieben der neun letzten Quartale Verluste geschrieben . Im Gesamtjahr 2022 waren es sogar 7,3 Milliarden Franken. »Spione, Lügen, Geldwäsche« titelt eine weitere Nachrichtenagentur diese Woche. Interne Verwerfungen, eine verlustreiche Beteiligung an einem Hedgefonds und dann 2022 ein Jahr, in dem Kunden über 120 Milliarden Franken Einlagen aus der Bank abzogen. Eine Ursache dafür war auch der »Suisse Secrets«-Skandal.
Dokumente zeigten, dass die Bank offenbar über Jahrzehnte eine durchaus zwielichtige Kundschaft gepflegt hatte. Dazu gehörten laut Medienberichten mutmaßliche Geldwäscher der italienischen Mafia, Folterchefs aus dem Jemen und Ägypten und korrupte venezolanische Eliten. Die Bank soll auch ein 200-Millionen-Dollar-Konto des jordanischen Königs Abdullah II. verwaltet haben.
Zieht die Kundschaft, ob zwielichtig oder nicht, solche riesigen Beträge bei einer systemrelevanten Großbank wie der Credit Suisse ab, passiert das Gleiche wie bei der deutlich kleineren SVB. Die Bank muss Wertpapiere verkaufen und wird wegen der Kursverluste dabei ordentlich Minus machen.
Zu den Verlusten und Skandalen gesellte sich Anfang des Monats auch der Zweifel der US-Börsenaufsicht an der Korrektheit alter Jahresberichte. Und als dann noch der Ruf an die Anteilseigner rausging, Kapital nachzuschießen, und die das nicht taten, stand die Bank mit dem Rücken zur Wand.
50 Milliarden Franken Kreditlinie stellte die Schweizer Nationalbank bereit, um die Großbank zu retten. Die nahm das Geld, ohne mit der Wimper zu zucken. Am Tag zuvor war der Kurs der Credit Suisse an der Börse noch mal um rund 30 Prozent eingebrochen. Insgesamt waren es seit 2020 sogar 90 Prozent .
Der Mechanismus, der die aktuelle Krise verursacht hat, ist also eine Kombination von alten hausgemachten Problemen mit dem Live-Stresstest, den die Notenbanken derzeit durchführen und der »schnelle Zinserhöhung« heißt.
Der Stresstest trifft nicht nur die Kriseninstitute, er trifft die allermeisten Banken. Zur Verdeutlichung: Die deutschen Sparkassen zum Beispiel schreiben diese Woche, dass in ihren Wertpapierdepots 2022 annähernd acht Milliarden Euro an virtuellen Verlusten entstanden sind. Die würden real, wenn sie diese Staatsanleihen verkaufen müssten.
Was bedeutet das nun für Sie als Kunden?
Erstens bedeutet es, dass auch Ihre Bank diesem Stresstest unterworfen ist, der ist international.
Zweitens, dass der Stresstest für jede Bank oder Sparkasse gravierend wird, wenn Kunden viel Geld bei ihr abziehen. Sonst bedeuten die Zinserhöhungen für die Bank eher deutlich höhere Zinseinnahmen – aber nur solange noch genug Einlagen da sind.
Und drittens, dass ihre Bank oder Sparkasse zurzeit jede Menge Hilfe erhält, weil sie über Nacht ungenutzte Einlagen bei der Europäischen Zentralbank parken kann, dafür aktuell 2,5 Prozent Zinsen im Jahr erhält und nach der Zinsentscheidung der EZB diese Woche ab dem 22. März sogar drei Prozent .
Und was sollten Sie tun?
Kaltblütig bleiben. Es gibt Stand heute keinen Grund, das Konto bei Ihrer Bank komplett auszuräumen, weil Sie etwa den Verlust Ihres Vermögens fürchten müssten. Wenn Sie weniger als 100.000 Euro bei ihrer Bank liegen haben, sorgt zusätzlich die gesetzliche Einlagensicherung dafür, dass Ihr Geld nicht fortkommen kann .
Einen Teil des Geldes dennoch zu Banken transferieren, die Ihnen Zinsen zahlen. Von den drei Prozent, die die Bank nun nur fürs Parken bei der EZB bekommt, sollten Sie sich ein Stück sichern. Suchen Sie sich gute Tages- und Festgeldkonten . 1,8 Prozent beim Tagesgeld der niederländischen LeasePlan Bank und 3,5 Prozent beim Festgeld der rheinischen Bank11 sind aktuell drin. Das sichert in den kommenden Jahren Tausende Euro an Zinsen. Und Banken, bei denen Sie deswegen Geld anlegen, haben normalerweise auch kein Liquiditätsproblem, das sie mit Wertpapierverkäufen lösen müssten.
Diese aktive Kundenstrategie ist auch deswegen vonnöten, weil die Banken hierzulande die steigenden Zinsen bei ihren Dispozinsen schon voll an ihre Kunden weitergeben. Die Dispozinsen von Hamburger Sparkasse bis Comdirect sind zuletzt jeweils um drei Prozentpunkte gestiegen, und auch die ING hat die Dispozinsen um zwei Prozentpunkte erhöht.
Anstieg bei den Dispo-Zinssätzen
Bank | März 2022 | März 2023 |
Comdirekt | 6,5 Prozent | 9,5 Prozent |
Consorsbank | 7,75 Prozent | 10,25 Prozent |
DKB | 7,18 Prozent | 9,98 Prozent 1 |
Hamburger Sparkasse | 8,01 Prozent | 11,05 Prozent |
ING | 6,99 Prozent | 8,99 Prozent |
1)Niedriger bei Aktivkunden
Angabe auf Jahresbasis. Quelle: Websites der Anbieter (Stand: 9. März 2023).
Bei Ihrer aktiven Kundenstrategie sorgen Sie natürlich dafür, dass bei keiner der Banken, bei denen Sie ihr Geld anlegen, mehr als 100.000 Euro von Ihren sauer ersparten Euros liegen. Schon rein vorsichtshalber.