Crowdinvesting Wenn aus Fans Investoren werden

Crowdinvesting ist für junge Unternehmen zu einer echten Finanzierungsalternative geworden. Aber was taugt die Investorensuche via Internet für Privatanleger?
Von Alexander Heintze
Start-up Bio Strohhalme: Große Aufmerksamkeit durch öffentliche Finanzierung über das Internet

Start-up Bio Strohhalme: Große Aufmerksamkeit durch öffentliche Finanzierung über das Internet

Ein bayerisches Start-up will den Strohhalm zurück in die Gläser bringen. Nicht den aus Plastik. Den echten, aus Stroh. Denn rund 40 Milliarden Halme werden allein in Deutschland pro Jahr verbraucht. Das ergibt rund 25.000 Tonnen Plastikmüll.

Die Trinkröhrchen der Bio Strohhalme GmbH aus Raubling bei Rosenheim darf man dagegen bedenkenlos wegwerfen, denn sie sind komplett biologisch abbau- und kompostierbar. Um Geld etwa für den weiteren Ausbau des Onlineshops oder für Messeauftritte zu erhalten, starteten die Gründer Jana Gessert und Dominik Wagner bei Mashup Finance eine Crowdinvesting-Aktion. Minimalziel: 34.000 Euro. 17 Tage vor Ende der Aktion hatten bereits 58 Investoren 49.500 Euro zugesagt.

Für die Anleger soll sich das lohnen: Die Gesamtrendite beläuft sich laut Geschäftsplan nach elf Jahren auf rund 16 Prozent.

Crowdinvesting entwickelt sich immer mehr zum Anlagethema für die breite Masse. Mögliche Renditen von fünf Prozent und mehr erscheinen angesichts von Nullzinsen auf den Sparkonten als eine verlockende Alternative. Allein für die Finanzierung von Firmenneugründungen stellten Anleger laut Crowdfunding-Monitor von fürgründer.de in den ersten neun Monaten dieses Jahres über 12 Millionen Euro zur Verfügung - 50 Prozent mehr als 2013. Und gut fünf Prozent der Frühphasen- und Start-up-Finanzierungen von Unternehmen finden bereits über Crowdinvesting-Plattformen statt.

Das ist, wie bei allen Investitionen in Start-ups, für Anleger nicht ohne Risiko. Auch 2014 mussten einige Unternehmen Insolvenz anmelden. So hat das Berliner Start-up Sommelier Privé im Sommer den Geschäftsbetrieb eingestellt. Die Firma konnte nach der ersten erfolgreichen Anschub- keine Anschlussfinanzierung bekommen, um seinen Online-Weinhandel weiterzuführen. Nun bangen 715 Investoren um insgesamt 300.000 Euro. Ob sie von dem Geld etwas wiedersehen werden, ermittelt gerade der Insolvenzverwalter.

So war es auch bei foodieSquare, einem exklusiven Lieferservice für Lunchpakete, bei Tampons for you, Easycard, Betandsleep, BluePatent, Amsaa, Zapitano. Insgesamt summieren sich 2014 die Verluste der Anleger beim Crowdinvesting in Deutschland nach Schätzungen auf rund 1,5 Millionen Euro.

Von einer Pleitewelle ist das Crowdinvesting aber weit entfernt. Aus der Sicht eines nüchternen Investors halten sich die Verluste der Crowd in Grenzen, wenn man bedenkt, dass 2014 insgesamt rund 22 Millionen Euro über diesen Weg in die Finanzierung junger Unternehmen geflossen sein sollen.

Die gute Entwicklung vieler Crowd-Unternehmen hat Gründe. Sie profitierten durch die Teilnahme am Crowdfunding von einem nicht zu unterschätzenden Werbeeffekt, sagt Professor Ralf Beck von der Fachhochschule Dortmund. "Das müssen sich andere Unternehmen erst auf anderen Wegen teuer erarbeiten."

Das sieht auch Jana Gessert von Bio Strohhalme so. Das Geld hätten sie wohl auch von einer Bank bekommen, und das viel günstiger als für die sieben Prozent, die sie den Crowdinvestoren mindestens versprechen. "Ein Bankdarlehen aber wäre unterschrieben worden und dann in der Schublade gelandet. Keiner hätte etwas davon erfahren", sagt sie. Die öffentliche Finanzierung über das Internet habe dem Unternehmen dagegen eine große Aufmerksamkeit beschert. "Jeder nimmt das Produkt in den Mund", sagt Gessert.

"Viele Geldgeber sind Kunden der ersten Stunde"

Bio Strohhalme ist sicherlich ein besonderer Fall. Zum einen gab es bereits ein funktionierendes Produkt - das Unternehmen hat schon 130.000 Halme verkauft. Zum anderen konnten die Gründer die erste Phase aus der eigenen Tasche finanzieren. Und: Sie sind keine Anfänger, die mit einer ungewöhnlichen Idee von der Universität kommen. Gessert war unter anderem beim Ölkonzern BP in London beschäftigt und führt seit sechs Jahren eine Managementberatung. Dominik Wagner ist Geschäftsführer von Trinkhalme.de, einem großen Hersteller von Plastik-Trinkhalmen. Die Gründer konnten also auch auf Kontakte in der Branche zurückgreifen. Zu den ersten Großkunden gehörte ein österreichischer Brausehersteller.

Genug Kunden zu erreichen, ist für viele junge Unternehmen eines der Hauptprobleme. Auch hier sieht Experte Ralf Beck einen Vorteil durch die Crowdfinanzierung. "Viele Geldgeber sind die Kunden der ersten Stunde und die geben ihre Erfahrungen weiter." Ein weiterer Grund für die vergleichsweise hohe Erfolgsquote der Crowd-Start-ups: Die Unternehmen werden von den Plattformen vorgefiltert. "Ich gehe davon aus, dass weniger als fünf Prozent der Unternehmen, die sich bewerben, überhaupt vorgestellt werden", so Beck. Und zudem würde noch die Crowd entscheiden, welche Geschäftsidee sie für finanzierungswürdig hält.

Die Bewährungsprobe für das Modell Crowdinvesting beginnt in ein oder zwei Jahren, wenn viele Beteiligungsverträge auslaufen. Doch es gibt auch schon Erfolgsmeldungen. Am bekanntesten ist die Finanzierung des Films "Stromberg". Das Projekt spielte so viel Gewinn ein, dass die Investoren nach drei Jahren 17 Prozent Rendite erzielten. Das entspricht rund 5,4 Prozent pro Jahr.

Und auch die Anleger von Companisto könnten einen ordentlichen Gewinn einstreichen. Die Investing-Plattform finanzierte sich selbst mit 100.000 Euro über die Crowd. Nun will ein Investor alle Anteile der ersten Finanzierungsrunde übernehmen - für 200.000 Euro. Eine Verdoppelung des Kapitals in zweieinhalb Jahren entspräche einer Rendite von 44 Prozent pro Jahr. Nicht die schlechteste Anlage.

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