DHL-Paketdienst Wenn der Paketbote gar nicht klingelt

DHL-Bote: Der Treppenwitz mit der Abholkarte
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpaMünchen - An den Samstag im Juni kann sich der Berliner Jürgen Müller noch genau erinnern. Den ganzen Tag wartete er auf seinen neuen Fernseher. Schließlich stand die Fußball-EM unmittelbar bevor. Doch das vom Online-Versandhändler pünktlich per DHL verschickte Paket kam einfach nicht. Stattdessen lag ein Kärtchen im Briefkasten. Dem Schreiben konnte Müller entnehmen, er sei am Samstag - dem vereinbarten Lieferdatum - nicht zu Hause gewesen.
"Dabei war ich den ganzen Tag in meiner Wohnung und es hat definitiv niemand geklingelt", versichert der 42-Jährige im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Er könne den Zehn-Kilo-Fernseher bei der nächsten Postfiliale abholen, ließ ihn DHL, die Paketsparte der Deutsche Post, auf dem Abholzettel wissen. Ein ziemliches Problem für Müller: Er ist gehbehindert und hat kein Auto.
Dreimal die Woche muss der Vorruheständler zudem zur Dialyse. Einkäufe erledigt er deshalb vor allem im Internet. Das Praktische: Die beim Versandhändler bestellte Ware wird von den Paketzustellern bis an die Tür geliefert. Zumindest werben die Anbieter mit diesem Service. Doch die Praxis sieht bei zahlreichen DHL-Kunden offenbar anders aus.
So muss der Friedrichshainer Müller seine DHL-Pakete nach eigener Aussage häufig in der mehrere Busstationen entfernten Postfiliale am Ostbahnhof abholen. "Denn der Paketbote wirft meistens, statt zu klingeln, nur einen Nicht-angetroffen-Zettel in den Briefkasten", ärgert sich der Berliner. Dabei sei er an den Liefertagen stets rund um die Uhr daheim gewesen. Dutzende Male sei ihm das bereits so ergangen.
Zwar können die DHL-Kunden den Verlauf ihrer Lieferung auch im Internet nachverfolgen: Doch in der Regel stehe "da nur Quatsch drin", hat Müller die Erfahrung gemacht. "Etwa, dass das Paket schon zugestellt wurde oder bei einem Nachbarn liegt, obwohl das gar nicht der Fall ist." Mehrfach habe er sich bereits online und bei der Telefon-Hotline über die ausbleibenden Zustellungen beschwert. Verbessert habe sich in den vergangenen Monaten jedoch nichts.
Alles nur Einzelfälle?
Eine Sprecherin der Deutschen Post DHL äußerte sich auf Anfrage zwar nicht zu Müllers Fall. Sie teilte jedoch mit: Hinweise von Kunden, Paketzusteller würden "vermeintlich Benachrichtigungskarten in Briefkästen einwerfen", ohne vorher zu klingeln, seien der Firma bekannt. "Das Phänomen taucht immer wieder einmal auf. Aber wir beobachten keine Häufung von Beschwerden", sagt die Sprecherin.
Aus Sicht der DHL sind die Reklamationen häufig unbegründet. In vielen Fällen, so die Sprecherin, räumten die Kunden bei Gesprächen mit dem Kundenservice später ein, nicht die ganze Zeit in der Wohnung gewesen zu sein: "Ein Gang in den Garten oder in den Keller reicht ja manchmal schon aus, um eine Klingel gegebenenfalls nicht zu hören."
Laut der DHL-Sprecherin entstehe dem Zusteller "kein echter Zeitvorteil", wenn er erst gar nicht beim Kunden klingle. Denn er müsse die Sendung dann ja wieder bearbeiten und zur Filiale bringen. Dennoch nehme das Unternehmen eingehende Hinweise natürlich ernst und gebe sie an die entsprechenden Paketzusteller weiter.
Die "Zustellqualität" sei bei der DHL sehr hoch, so die Sprecherin. Das hätten auch aktuelle Tests gezeigt. "Dass es in Einzelfällen aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder zu Unzufriedenheiten kommen wird, können wir natürlich nie ausschließen."
Hauptsächlich Privatpersonen betroffen
Wirklich alles nur Einzelfälle? In Internetforen finden sich Unmengen an Beschwerden über die Deutsche Post DHL. Die von Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet geschilderten Probleme sind meist dieselben: Der DHL-Bote würde oftmals gar nicht oder zu kurz klingeln. Obwohl der Kunde den ganzen Tag zu Hause war, lande dann lediglich eine Abholkarte im Briefkasten. Vor allem Kunden in oberen Stockwerken sind betroffen. "Wie oft habe ich schon das DHL-Auto an uns vorbeifahren sehen", schreibt eine erboste Kundin. Andere Besteller berichten sogar, der Paketbote habe noch nicht einmal einen Zettel eingeworfen, weshalb das Päckchen nach einigen Tagen Aufbewahrungszeit im Postamt einfach an den Absender zurückgegangen sei. "Ich bin stinke sauer", schreibt eine Betroffene. Kunden schimpfen zudem, die Austräger würden die Sendung einfach vor die Haustüre legen.
Auch im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE berichtet eine Vielzahl von DHL-Kunden über Probleme mit ihren Paketboten. So etwa der regelmäßige Ebay-Besteller André Veit. Mehrmals war der 34-jährige Münchner in den vergangenen Jahren in Oberbayern umgezogen. "Und in jeder Wohnung gab es immer wieder aufs Neue Schwierigkeiten mit Bestellungen via DHL", sagt er. In einem Germeringer Hochhaus habe der Paketdienstleister sogar kein einziges Mal geklingelt.
Serkan Antmen, der beim Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT) die Postkunden betreut, kennt viele solcher Fälle: "Es kommt häufig vor, dass die Paketzusteller der DHL den Kunden, ohne zu klingeln, einfach einen Zettel mit dem Vermerk 'nicht angetroffen' in die Briefkästen ablegen." Beim DVPT, der Geschäftskunden der Post vertritt, seien zahlreiche entsprechende Beschwerden eingegangen. Betroffen sind Antmen zufolge aber vor allem Privatkunden. "Da scheint wohl vielen Paketzustellern am Ende einer Zustelltour schlicht die Zeit auszugehen", ist Antmen überzeugt. Denn die Arbeitsbelastung vieler Zusteller sei hoch.
Beschwerde direkt an den Paketboten
Auch die Verbraucherzentralen kennen das Problem: "Es gibt bei uns eine Reihe von Beschwerden über DHL-Boten", sagt Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch bei Kundenschützern in anderen Regionen gehen immer wieder wütende Anrufe ein. "Die Paketzusteller arbeiten unter einem enormen Zeitdruck. Wenn er klingelt und dann nicht schnell reagiert wird, werfen die Mitarbeiter eben einfach einen Zettel ein", sagt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Betroffen seien vor allem ältere Menschen, die nicht mehr so schnell reagieren könnten oder schlechter hörten. Bei Ver.di heißt es ebenfalls, der Arbeitsdruck der Paketzusteller habe bei DHL und anderen Anbietern in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät betroffenen Kunden, sich direkt bei der DHL oder dem Paketboten selbst zu beschweren. Doch nicht wenige Kunden berichten, dass ihre Reklamationen erfolglos geblieben seien. Der Münchner André Veit bestellt, wenn er sich den Versender aussuchen kann, gleich gar nicht mehr bei der DHL.
Doch auch über andere Paketunternehmen finden sich im Internet häufig Beschwerden. Ein Sprecher des DHL-Konkurrenten DPD betont zwar, die Zusteller der Firma würden in "aller Regel sehr gewissenhaft" arbeiten. Der Berliner Jürgen Müller hat mit den Post-Konkurrenten allerdings ebenfalls schlechte Erfahrungen gemacht: "Die klingeln auch oft nicht und kleben einfach den Abholzettel an die Haustüre." Einmal habe deshalb ein Fremder sein Paket beim Nachbarn abgeholt. "Guter Service sieht anders aus."
Den Fernseher bekam Müller am Ende zwar doch noch zugestellt - nachdem er in der Postfiliale klargemacht hatte, dass er ihn unmöglich selbst tragen könne.