Hermann-Josef Tenhagen

Alternative zum teuren Dispo Der Kredit, der im Rahmen bleibt

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Beim Konto einfach ins Minus gehen, ist bequem – aber teuer: Bis zu 13 Prozent Zinsen verlangen Banken für den Dispo. Dabei gibt es eine deutlich günstigere Lösung. So können Sie mitunter mehrere hundert Euro im Jahr sparen.
Einmal nachrechnen: Die Weihnachtsbescherung wird in Zeiten hoher Inflation zu einer kostspieligen Angelegenheit

Einmal nachrechnen: Die Weihnachtsbescherung wird in Zeiten hoher Inflation zu einer kostspieligen Angelegenheit

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Vitalii Petrushenko / iStockphoto / Getty Images

Weihnachtsgeschenke auf Kredit, das ist verpönt. Und Urlaub auf Pump, das geht gar nicht. Aber der Dispo ist ja kein richtiger Kredit, nicht wahr? Und deshalb geraten Millionen Haushalte ausgerechnet im Januar – nach Weihnachten – und im Juni, pünktlich zum Urlaub, knietief in den Dispo. Sechs bis sieben Millionen Kunden sollen aktuell einen Dispokredit haben. Und die zahlen dafür sehr hohe Zinsen – in diesem Jahr sogar noch mehr als in den Jahren zuvor.

Dabei gibt es mindestens zwei preiswerte Lösungen.

Die beste ist, auf den Kredit zu verzichten. Weihnachtsgeschenke auf Pump will niemand. Und beim Campingurlaub in Mecklenburg statt auf den Seychellen können Sie sogar Horst Krause oder Christian Drosten treffen.

Die nicht ganz so gute, aber immer noch deutlich günstigere Lösung: ein Rahmenkredit zu vier Prozent statt des Dispos für elf Prozent Zinsen. Das spart Ihnen übers Jahr bei durchschnittlich 3000 Euro Dispo mehr als 200 Euro – ohne weitere Anstrengungen.

Deutschland, Land des Dispos

Deutschland hat den Dispo, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern. Damit können Bankkunden hierzulande ihr Konto überziehen, ohne die Bank noch einmal extra fragen zu müssen. Die Möglichkeit des Überziehens wird oft gleich bei der Kontoeröffnung vereinbart und macht das Leben deutlich leichter. Zwei Netto-Monatseinkommen als Dispo sind üblich, manchmal auch drei.

Ein Leben ohne Dispo wäre eine echte Umgewöhnung. Als ich vor Jahren einige Zeit in den USA lebte, war ich doch etwas erstaunt, dass dort gleich 15 Dollar Strafzinsen fällig wurden, nur weil das Konto einmal um ein paar Dollar überzogen war.

Was praktisch ist, wird allerdings bei regelmäßiger Nutzung zu einem süßen Gift. Zu einer Droge, die sich die Banken und Sparkassen gut bezahlen lassen. Der Dispo ist der teuerste Kredit im Land, oft werden deutlich mehr als zehn Prozent Zinsen im Jahr fällig, in der Spitze sogar bis zu 13 Prozent .

Und gerade kleine Banken in ländlichen Regionen verlangen häufig hohe Dispozinsen und schlagen noch ordentlich etwas drauf, wenn Kunden auch den Disporahmen überziehen. Bei der Kreissparkasse Diepholz zum Beispiel zahlen sie dann 18 Prozent Zinsen statt der 12,5 Prozent für den regulären Dispo .

Kein Wunder, dass sogar die Bundesregierung empfohlen hat, den Dispo und ähnliche Kredite möglichst nicht zu nutzen : »Die Bundesregierung ist weiterhin der Ansicht, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Einsatz von Dispositions- und Überziehungskrediten möglichst vermeiden sollten.«

Deshalb bedenklich: 30 Milliarden Euro Dispo- und Kreditkartenschulden haben Bankkunden hierzulande, sagt die Bundesbankstatistik. 2022 stieg diese Zahl das erste Mal seit Jahren .

Rahmenkredit als Alternative

Wie vermeidet man also den teuren Dispo? Tatsächlich haben einige Banken eine Art Dispo ohne teure Zinsen eingeführt. Das Produkt heißt Rahmen- oder Abrufkredit. Gemeint ist, dass die Bank einen festen Rahmen festlegt für einen Kredit, den man bekommt. Innerhalb dieses Rahmens kann der Kunde das Konto überziehen. Der Rahmen reicht von 1000 oder manchmal 2500 Euro bis zu 25.000 oder gar 50.000 Euro. Voraussetzung ist oft, dass jeden Monat ein Teil des Kredits zurückgezahlt wird – ein Prozent zum Beispiel.

Ein solcher Rahmenkredit ist bedeutend günstiger als der Dispo. Die Volkswagenbank verlangt für ihren Rahmenkredit im ersten Jahr aktuell rund vier Prozent Zinsen, die ING knapp sechs Prozent. Mit anderen Worten, die Zinsen liegen bei der Hälfte oder gar einem Drittel der gängigen Dispozinsen.

Auch bei anderen Banken sind Rahmenkredite deutlich günstiger als der Dispo . Die Zinsen des Rahmenkredites sind allerdings nicht fix, sondern variabel. Sie orientieren sich normalerweise an einem Zinssatz, den die Europäische Zentralbank festlegt. Steigt der Zins der Zentralbank, kann die Bank ihre Zinsen für den Rahmenkredit erhöhen, sie muss aber nicht. Fallen die Zinsen bei der Zentralbank, muss Ihre Bank die Zinsen für den Rahmenkredit hingegen senken.

Rahmenkredite können Sie leicht bei einer anderen Bank als der eigenen Hausbank aufnehmen. Meistens müssen Sie das sogar, denn nur wenige Banken bieten einen Rahmenkredit an. Einige Sparkassen und Banken vergeben aber Rahmenkredite an ihre Kunden, Nachfragen bei der Hausbank kostet nichts.

Ansonsten brauchen Sie für einen Rahmenkredit zunächst nur ein Girokonto bei einer deutschen Bank. Außerdem müssen Sie volljährig sein, in Deutschland wohnen und einen Arbeitsplatz in Deutschland haben. Girokonto und Rahmenkredit bei derselben Bank zu haben, ist möglich, aber nicht notwendig.

Wieso können Banken diese Kredite preiswerter anbieten?

Weshalb Dispokredite so viel teurer sind als ihr günstiger Cousin, der Rahmenkredit, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Bei beiden Varianten können sich die Banken darauf verlassen, dass die Kunden solche Kredite treu zurückzahlen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Dispo oder Rahmenkrediten gilt seit Langem als verschwindend gering . Vereinbart ist meist ohnehin, dass die Bank das Gehalt pfänden könnte, wenn Probleme mit dem Kredit auftreten.

An einem höheren Risiko für die Banken kann der teure Dispo also nicht liegen. Bankrechtler vermuten, dass die hohen Dispozinsen schlichtweg dazu genutzt werden, andere Leistungen des Girokontos quer zu finanzieren .

Womöglich prüfen die Banken beim Rahmenkredit vorab auch etwas genauer, ob sich ein Kunde den Kreditrahmen leisten kann. Bei der ING heißt es dazu, der Rahmenkredit werde auch schon mal abgelehnt: »Zum Beispiel, wenn die Rückzahlung eine zu große finanzielle Belastung darstellen würde.«

Wenn die Bank den Eindruck hat, dass der Dispo beim Kunden aus dem Leim geht, kann sie ihn reduzieren, ohne noch einmal zu fragen. Das passiert zum Beispiel, wenn Menschen ihren Job verlieren oder schlechter bezahlte Arbeit annehmen müssen. Kunden werden dann an eine der schwierigen Angewohnheiten von Banken erinnert, auf den Punkt gebracht in einem Zitat , das der Volksmund Mark Twain zuschreibt: »Ein Bankier ist ein Mensch, der Ihnen einen Regenschirm leiht, wenn die Sonne scheint, den Schirm aber zurückverlangt, sobald es regnet.«

Rechnen Sie mal nach

An Weihnachten sollten Sie sich zu Krediten keine Gedanken machen, Sie haben Ihre Entscheidungen bei den Geschenken getroffen und können bestimmt noch ein, zwei Wochen damit leben. Nach den Feiertagen aber empfehle ich dringend, mal zu rechnen: Wie viel hat mich der Dispo eigentlich im vergangenen Jahr gekostet – und wie viel günstiger wäre ein Rahmenkredit?

Die Kosten Ihres Dispo finden Sie ganz schnell heraus, indem Sie einfach die Dispozinsen des vergangenen Jahres zusammenzählen: In jedem Monat oder spätestens in jedem Quartal werden auf Ihren Kontoauszügen die Kosten für die Nutzung des Dispo normalerweise extra ausgewiesen. Diese können Sie dann mit Angeboten für einen Rahmenkredit vergleichen. Einen passenden Zinsrechner finden Sie bei Finanztip .

Viel Erfolg!

Übrigens: In angelsächsischen Ländern verkaufen Banken keine Dispokredite, stattdessen verleihen sie Geld meist über Kreditkarten an die Kunden, ein Trend, der über sogenannte revolvierende Kreditkarten auch hierzulande im Kommen ist. Die Kreditlinie der Karte ist dort oft einige Monate kostenlos, anschließend werden aber Zinsen von deutlich mehr als 20 Prozent verlangt.

Solche Kreditkartenlösungen sind nur dann eine feine Sache, wenn man innerhalb der ersten Monate den Kredit abzahlen kann. Anschließend ist das über Kreditkarten geliehene Geld noch viel teurer als der Dispo. In Großbritannien sind aktuell bis zu 30 Prozent Zinsen üblich.

Verbraucherschützer dort empfehlen deshalb – wo immer das geht – den kompletten Verzicht auf Konsumentenkredite. Falls das nicht möglich ist, raten sie zu Kreditkartenhopping. Als Kundin springen Sie von einer Kreditkarte zur nächsten und nutzen jeweils die Monate mit 0 Prozent oder sehr geringen Zinsen. Sie werden mit einem Sonderangebot angelockt. Das funktioniert dann wie hierzulande früher das Springen von einem Telefon- oder Stromtarif zum nächsten.

Eine valide Strategie, man darf nur nicht zu kurz springen .

Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!

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