Studie zu psychologischem Effekt Die Angst vor Inflation droht die Preise zu treiben

Die Inflationsrate ist in Deutschland so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Die Entwicklung könnte sich laut einer Studie künftig selbst verstärken – das hängt auch vom Verhalten der Verbraucher ab.
Mehr als zwei Euro für einen Liter: Teures Benzin vergangene Woche an der A7

Mehr als zwei Euro für einen Liter: Teures Benzin vergangene Woche an der A7

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Julian Stratenschulte / dpa

Die zurückgenommene Mehrwertsteuersenkung, hohe Energiepreise, teure Lebensmittel: Das sind derzeit häufig angeführte Gründe für die hohe Inflationsrate. Weniger im Blick haben viele, dass die steigenden Verbraucherpreise auch durch einen psychologischen Effekt getrieben werden können.

Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) droht genau das. Die Angst vor steigenden Preisen könnte den Ökonomen zufolge die Inflation noch zusätzlich anheizen, wie aus der Untersuchung hervorgeht, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Zwar würden die Verbraucherpreise derzeit vor allem von vorübergehenden Effekten angetrieben, die im kommenden Jahr auslaufen dürften. DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth warnt nun aber: »Gefahr droht eher von den Erwartungen.«

Gehen Verbraucher und Unternehmen davon aus, dass die Preise weiter steigen, »werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. Die Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen«, sagte Bernoth.

Dieses Verhalten könnte eine klassische Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, die weniger auf tatsächlichen strukturellen Faktoren als auf einer psychologischen Dynamik basiere. »Höhere Inflationserwartungen könnten dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden und die tatsächliche Inflation ankurbeln«, warnte Bernoth.

Die Verbraucherpreise stiegen in Deutschland zuletzt kräftig, die Inflationsrate lag im September bei 4,1 Prozent. Damit wurde erstmals seit knapp 28 Jahren wieder die Vier-Prozent-Marke übersprungen. Experten halten im November gar einen Anstieg auf fünf Prozent für denkbar. Diese starke Teuerung bereitet bereits jetzt vielen Menschen Sorge. Die Bundesregierung hält sie allerdings bislang nur für ein vorübergehendes Phänomen – weil die Löhne noch nicht ebenfalls entsprechend steigen.

Steuerzahlerbund verlangt höhere Pendlerpauschale

Auch die DIW-Forscher gehen davon aus, dass die Inflation nur noch mehrere Monate erhöht bleibt und sich abschwächt, wenn die temporären Effekte nachlassen. Die Autorin Bernoth und ihr Kollege Gökhan Ider führen den aktuell sprunghaften Anstieg ebenfalls vor allem auf einmalige Maßnahmen und Ereignisse zurück, wie die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkungen in Deutschland oder der Anstieg der Energiepreise nach dem Einbruch während der Coronakrise 2020. Hinzu kommen Lieferengpässe, die derzeit die Kosten in der Produktion in die Höhe treiben.

Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass die Inflation bei Dienstleistungen, die zwei Drittel der Kerninflationsrate (ohne Preise für Lebensmittel und Energie) ausmache, im Euroraum weiter bei unter einem Prozent liege. Zudem entwickelten sich unter anderem die klassischen Inflationstreiber Lohndruck und Konsum bisher moderat.

Vielerorts sind unterdessen die Folgen der steigenden Preise bereits gravierend. Der Mittelstand spricht wegen der hohen Dieselpreise etwa bereits von einer massiven Belastung der Wirtschaft, die Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand gefährde.

Auch für Verbraucher und Pendler wiederum werden bereits vermehrt zusätzliche Entlastungen verlangt. Die Pendlerpauschale müsse auf 40 Cent ab dem ersten Kilometer angehoben werden, fordert etwa der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, in der »Augsburger Allgemeinen «.

Die Pauschale beträgt seit Jahren 30 Cent pro Kilometer. Arbeitnehmer können sie für den Weg zur Arbeit steuerlich geltend machen. Dabei ist sie für jeden gleich hoch – egal, ob er mit dem Auto, per Bahn oder mit dem Fahrrad fährt oder einfach nur zu Fuß geht. Die Erhöhung der Pauschale um nur einen Cent würde den Staat jedoch 230 Millionen Euro kosten.

apr/dpa
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