Interaktiver Rechner So viel Steuern zahlen Sie im Vergleich

Zu viel! Das dürfte der häufigste Gedanke sein, wenn Deutsche ihren Steuerbescheid betrachten. Auch wer Steuern prinzipiell für ein prima Konzept hält, ertappt sich schnell beim Gedanken: Muss der Staat gerade bei mir so zulangen?
Keine leichte Frage. Schon das eigene Gehalt können viele im Vergleich zu anderen schlecht einordnen - das hat die Selbsteinschätzung des Millionärs Friedrich Merz gezeigt, der sich zur "gehoben Mittelschicht" zählt. Bei der eigenen Steuerschuld wird es noch schwieriger. Schließlich beruht sie auf kompliziertem Steuerrecht und taugt kaum zum Small-Talk-Thema.
Nun aber lässt sich die Höhe der eigenen Einkommensteuerlast vergleichen - mit Hilfe einer interaktiven Grafik des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Dafür hat IW-Wissenschaftler Martin Beznoska Mikrodaten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) aufbereitet, einer repräsentativen Langzeitbefragung von Haushalten. Anhand des Einkommensteuertarifs für 2018 berechnete er die Steuerschuld für Ledige sowie Verheiratete mit und ohne Kinder.
Auch die Belastung durch den Solidaritätszuschlag ist in den Berechnungen erfasst. Außerdem lässt sich die Abschaffung des Soli in zwei Varianten darstellen: Komplett, wie es vor allem die FDP immer wieder vehement fordert. Oder für die unteren 90 Prozent der Zahler - jene Variante, auf die sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt haben.
Wer in den Rechner das eigene Bruttojahreseinkommen eingibt und den Familienstand auswählt, sieht umgehend, wie hoch seine Steuerlast ausfällt. Bei einem Jahreseinkommen von 40.000 beträgt sie für Ledige beispielsweise 6133 Euro. Mehr als diese Summe zahlen nur 22 Prozent der Steuerpflichtigen, die zugleich aber knapp 74 Prozent der Steuerlast tragen.
Was im ersten Moment nach einer Schieflage aussehen könnte, ist politisch so gewollt. Der Einkommensteuertarif ist progressiv, belastet hohe Einkommen also prozentual stärker als niedrige. Wer die Skala in voller Größe betrachtet (Häkchen unten links setzen) sieht deshalb zwei weite Ausschläge nach links und rechts:
Am unteren Ende liegen gut 20 Millionen Menschen, die gar keine Einkommensteuer zahlen, weil ihr Einkommen dafür zu niedrig ist. Den größten Anteil an dieser Gruppe haben rund sieben Millionen Rentner - aber auch Arbeitslose, Auszubildende, Studenten oder geringfügig Beschäftigte gehören dazu.
Am oberen Ende der Skala liegen hingegen rund 1,6 Millionen Menschen, die Steuern von mehr als 25.000 Euro zahlen und 2,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Zu dieser Gruppe gehören Ledige ohne Kinder ab einem Bruttoeinkommen von etwa 92.000 Euro.
Allerdings mangelt es an Daten zu den Einkommen von Topverdienern, sodass ihr Anteil an der Steuerlast laut Beznoska eher noch unterschätzt wird. Wegen des Datenmangels am oberen Ende funktioniert der Rechner auch nur für Bruttogehälter bis zu 200.000 Euro.
Wer als Lediger hingegen über ein Bruttoeinkommen von knapp 55.000 Euro verfügt, kann mit Hilfe des Rechners sehen, dass er bereits zu den Top-10-Prozent der Steuerpflichtigen gehört. Diese schultern gut die Hälfte der gesamten Steuerlast. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Vollzeitbeschäftigten lag im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt bei 50.000 Euro. Vom Durchschnittsverdiener zum Spitzensteuerzahler ist es also kein weiter Weg.
Ein Grund dafür ist die kalte Progression. Durch sie kann, vereinfacht gesagt, die Steuerlast schneller steigen als die Einkommen. Erst seit 2016 wird dies durch jährliche Anpassungen an die Inflationsrate verhindert, zuvor aber rutschten Steuerzahler bei der Belastung jahrelang nach oben.
Als Beleg für eine übermäßige Belastung von Normal- und Besserverdienern taugt die Einkommensteuerstatistik aber nur bedingt. Zum einen werden Durchschnittseinkommen durch besonders hohe Gehälter nach oben verzerrt. Aussagekräftiger ist der Medianwert, der die Bevölkerung in zwei gleich große Gruppen teilt. Dieser liegt laut Berechnungen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bei rund 29.000 Euro.
Zum anderen werden nicht nur Einkommen besteuert, sondern auch der Verbrauch, etwa über die Mehrwersteuer. Solche indirekten Steuern belasten Menschen mit geringeren Einkommen stärker, weil der Konsum einen größeren Teil ihrer Einkommen ausmacht. Deshalb würden sie auch besonders von einer Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.
Die meistdiskutierte Steuerreform in Deutschland ist aber weiterhin die Abschaffung des Soli. Der 5,5-prozentige Aufschlag auf die Einkommensteuerschuld muss unterhalb bestimmter Gehaltsgrenzen gar nicht gezahlt werden und erreicht dann schrittweise die volle Höhe. Deshalb macht der Soli für einen Großteil der Steuerzahler nur einen geringen Teil der Steuerschuld aus - wie ein Klick auf das Häkchen rechts unter der Grafik zeigt.
Deutlich länger werden die Soli-Balken am oberen Ende der Einkommensskala. Nach heutigem Stand zahlt allein das oberste Prozent der Einkommen 28 Prozent der Soli-Summe. Von einer Komplettabschaffung, wie sie die FDP oder auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordern, würden deshalb vor allem Spitzenverdiener profitieren.