Preisexplosion Und plötzlich kostet eine Kugel Eis locker zwei Euro

Eiscreme: Fast jeder und jede kann sich an den Eispreis aus seiner Kindheit erinnern
Foto: Jens Kalaene / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen – endlich Frühling. Das treibt die Menschen auf die Straßen und in die Eiscafés, vor allem jetzt an den Ostertagen. Die erste Kugel Eis der Saison ist nicht nur für Kinder etwas Besonderes. An der Lieblingseisdiele angekommen, könnte vielen Kunden der Appetit jedoch vergehen. In ganz Deutschland haben die Eispreise mächtig angezogen.
Schon in den vergangenen Jahren stieg der Preis in Eisdielen deutlich an. Heute kostet eine Kugel Eis in Hamburg oder München oftmals zwischen 1,70 und 2,50 Euro, im vergangenen Jahr waren es vielerorts noch 20 oder gar 30 Cent weniger. Und auch in ländlichen Regionen schießen die Preise in die Höhe. Ein Beispiel: In dem 13.000-Einwohner-Ort Wadersloh, mitten im Münsterland und fernab jedweder Metropole, erhöhte die örtliche Eisdiele den Preis pro Kugel um 20 Cent von 1,10 auf 1,30 Euro.
Doch ist der teils eklatant hohe Preissprung gerechtfertigt? Das fragen sich derzeit viele Kundinnen und Kunden.
Dazu kann Davina Utz einiges sagen. Ihre Eisdiele »True & 12 « liegt mitten in München, unweit der Isar. In diesem Jahr hatte der kleine Laden erst an wenigen Tagen geöffnet. »Ostern ist normalerweise ein Umsatztreiber. Alle wollen ein Eis bei gutem Wetter«, sagt Utz. Das bislang schlechte Wetter und die hohen Kosten haben der Unternehmerin das Geschäft aber zuletzt vermiest, wie sie sagt. Erst nach den Osterfeiertagen will sie mit ihrem Team in die Saison starten. Sie könne ihren Mitarbeiterinnen besser ein paar freie Tage mit der Familie gönnen.
Davina Utz, Eisdielenbetreiberin in München
Utz stellt ihr Eis aus Weidemilch direkt vom Bauern her, wie sie erzählt, und verzichtet auf Fertigpulver. Das treibt die Kosten, denn die Lebensmittelpreise sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in die Höhe geschnellt. »Für Zucker zahle ich 60 Prozent mehr als im letzten Jahr, für Eiswaffeln 40 Prozent, bei Dextrose über 100 Prozent, und das Bindemittel Johannisbrotkernmehl kostet mich 250 Prozent mehr«, zählt Utz auf. Deshalb werde sie nicht darum herumkommen, die Preise erneut zu erhöhen. 2019 habe eine Kugel Eis bei ihr noch 1,80 Euro gekostet. Im vergangenen Jahr bezahlten ihre Kunden zwei Euro. Diese Saison werden die Kunden des »True&12« voraussichtlich 2,50 pro Kugel bezahlen müssen. Und selbst der saftige Preisanstieg ist laut Utz knapp bemessen.
Markus Deibler, Eisdielenbetreiber in Hamburg
Kostentreiber an der Dielentheke sind nämlich noch andere. Der ehemalige Schwimmweltmeister Markus Deibler betreibt mehrere Eisläden in Hamburg. Auch er musste die Preise in seiner Kette anpassen. 40 Cent mehr kostet die Kugel jetzt. Grund sind laut Deibler neben den Lebensmittelpreisen die höheren Strom-, Lohn- und Mietkosten. »Wir produzieren unser Eis für 35 Prozent mehr Kosten«, sagt Deibler.
Tatsächlich sind die Erzeugerpreise für Speiseeis von Februar 2022 bis Februar 2023 um knapp 30 Prozent gestiegen, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. In diesem Jahr machten sich laut Deibler neben den Energie- und Lebensmittelkosten auch der gestiegene Mindestlohn und das neue Verpackungsgesetz bemerkbar, denn die Löffel aus Papier seien um einiges teurer als die aus Plastik. Deibler ist deshalb überzeugt: »Wer jetzt die Eispreise nicht erhöht, der hat vergangenes Jahr sehr viel verdient oder hat in einem halben Jahr ein Problem.«
Mehr Gewinn für die Eisverkäufer?
Warum die gestiegenen Kosten bei dem Besuch der Lieblingseisdiele besonders auffallen, weiß Michael Grömling, Konjunkturexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Er sagt: »Die allgemein gestiegenen Kosten werden beim Eis sichtbar wie in einem Brennglas.« Eispreise würden im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln nicht regelmäßig angepasst, sondern lediglich einmal pro Jahr. »So wird der Preissprung vom Verbraucher psychologisch viel stärker wahrgenommen«, erklärt Grömling. Außerdem habe der Mindestlohn auf den Eispreis eine stärkere Auswirkung als auf andere Produkte, da in Eiscafés besonders viele Mitarbeitende zum Mindestlohn arbeiteten. Und natürlich werde oftmals auch das Risiko des schlechten Wetters in den Eispreis eingerechnet, so der Experte. »Eisdielen produzieren nicht auf Bestellung, oftmals müssen sie viel wegwerfen und gehen damit Verluste ein.«
Nichtsdestotrotz warnen Verbraucherschützer auch vor sogenannten Trittbrettfahrern, die die aktuellen Preiserhöhungen nutzen, um die eigene Marge zu erhöhen.
»Eis ist Luxus für alle«
Annalisa Carnio, Sprecherin des Verbands der italienischen Speiseeishersteller, verteidigt ihre Branche vehement. »Alles ist teurer geworden. Da steigen auch die Kosten bei der Eisproduktion«, sagt sie. Eis sei in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern günstig. Das Problem beim Eispreis liege darin, dass sich jeder auf den Cent genau daran erinnern könne, wie viel eine Kugel in seiner Kindheit gekostet habe. »Eis weckt bei den Deutschen nostalgische Erinnerungen«, sagt Carnio. Die Kunden würden zu häufig vergessen, dass Eisproduzenten Handwerker sind und ein Qualitätsprodukt herstellten. »Eis ist Luxus für alle.«
Die Lust auf Eis dürfte der Preisanstieg nicht schmälern. Zahlen der GfK zeigen, dass 2022 über 28 Prozent der Deutschen mindestens einmal pro Jahr ein Eis in einem Eiscafé kauften. 2021 waren das nur knapp 25 Prozent. Dabei erhöhten die Eisverkäufer die Preise für eine Kugel schon während der Coronapandemie deutlich. Utz und Deibler hoffen nun darauf, dass ihren Kundinnen und Kunden auch in diesem Jahr der Appetit nicht vergeht.