Strompreis-Studien So bleibt die Energiewende bezahlbar

Die Energiewende macht Strom rasant teurer - doch das müsste nicht sein, zeigen zwei Studien. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und Greenpeace rechnen vor, wie die Kostenexplosion gestoppt werden könnte.
Drehstromzähler: Verbraucher müssen mit höheren Stromkosten rechnen

Drehstromzähler: Verbraucher müssen mit höheren Stromkosten rechnen

Foto: dapd

Hamburg - Der Vorschlag klingt verlockend einfach: Wer Stromkosten sparen will, soll bei sich zu Hause anfangen. Den Stecker beim Fernseher rausziehen, Steckdosenleisten mit Abschaltknöpfen einbauen oder Energiesparlampen einschrauben. Solche Tipps will Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) durch kostenlose Beratungen in die Haushalte tragen. Besonders Geringverdiener sollen so beim Strom- und Kostensparen unterstützt werden.

Bis 2020 will der Minister allen Haushalten eine kostenlose Energieberatung ermöglichen. Damit solle den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, den steigenden Strompreisen "ein Schnippchen zu schlagen", sagte Altmaier. Doch angesichts der Preisentwicklung wirkt das Angebot des CDU-Politikers hilflos. Denn auf die Verbraucher kommen hohe Belastungen zu. Kommende Woche verkünden die Netzbetreiber die Ökostrom-Umlage für 2013. Übereinstimmenden Prognosen zufolge wird die Abgabe von derzeit 3,6 Cent pro Kilowattstunde auf 5,4 Cent steigen.

"Allein durch die Anschaffung von Energiesparlampen und modernen Waschmaschinen lässt sich diese Preiserhöhung kaum ausgleichen", erklärte das Verbraucherportal Verivox. Demnach muss ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden durch die höhere Ökostrom-Umlage inklusive Mehrwertsteuer etwa 81 Euro mehr pro Jahr zahlen. Derzeit zahlt ein Durchschnittshaushalt über seine Stromrechnung pro Jahr bereits 144 Euro inklusive Mehrwertsteuer für die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Das Geld dient dazu, Betreibern von Wind-, Solar- und Biogasanlagen einen fixen Preis für die Energie zu garantieren, die sie produzieren. Der Fixpreis liegt deutlich über dem Marktpreis für Strom.

Greenpeace sieht Spielraum zur Senkung der Ökostrom-Umlage

Eigentlich sollen durch die EEG-Umlage alle Verbraucher an den Kosten für die Energiewende beteiligt werden. Doch während die Belastungen für Privatleute steigen, beanspruchen immer mehr Unternehmen Ausnahmeregelungen für sich. Die Bundesnetzagentur kritisierte im Frühjahr, dass einige hundert Firmen rund 18 Prozent des deutschen Stroms verbrauchen, aber nur 0,3 Prozent der Umlage für erneuerbare Energien zahlen.

Greenpeace hat nun ein Konzept erarbeiten lassen, wie die EEG-Umlage gerechter verteilt und sogar noch gesenkt werden könnte. Die Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) liegt SPIEGEL ONLINE exklusiv vor. Die zentralen Forderungen des Entwurfs:

  • Die Ausnahmeregelungen für die Industrie auf jene Branchen einschränken, die unter internationalem Wettbewerbsdruck stehen,
  • und Strom aus erneuerbaren Energien steuerlich begünstigen.

"Mit diesen beiden Ansätzen könnte die EEG-Umlage von heute 3,59 Cent pro Kilowattstunde auf 2,2 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Im Jahr 2013 würde die EEG-Umlage unter dem heutigen Wert bleiben", schreiben die Forscher.

Demnach steigen die reinen Förderkosten für den Ausbau erneuerbarer Energien im kommenden Jahr um lediglich 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Andere Faktoren treiben die Ökostrom-Umlage demnach viel stärker.

Forscher wollen faire Beteiligung der Industrie

Die Forscher kritisieren, dass inzwischen viele Firmen eine reduzierte EEG-Umlage zahlen oder sogar komplett befreit sind, obwohl für sie durch die Ökoabgabe kein Wettbewerbsnachteil zu erkennen sei. So wollen 2013 etwa 2000 Unternehmen begünstigt werden, doppelt so viele wie im Vorjahr.

Das Greenpeace-Konzept sieht vor, dass nur solche Unternehmen bei der EEG-Umlage begünstigt werden, die energieintensiv produzieren und durch hohe Stromkosten einen merklichen Nachteil im internationalen Wettbewerb haben. Laut der Umweltorganisation trifft dies etwa auf Aluminiumproduzenten zu. Dagegen könnten Hersteller von Papier, Karton und Pappe höhere Energiepreise durchaus verkraften. Zudem fordert Greenpeace, dass nicht mehr Unternehmen als Ganzes, sondern energieintensive Prozesse von der Umlage befreit werden.

Auch bei der Besteuerung von Strom sehen die Forscher Reformbedarf. Sie fordern höhere Stromsteuern auf Energieträger wie Braunkohle oder Kernkraft und geringere Steuern auf erneuerbare Energien, um deren Ausbau zu fördern.

DIW fordert Ausgleich für einkommensschwache Haushalte

Doch derzeit zeigt Umweltminister Altmaier keinerlei Ambitionen, sich mit der Industrie anzulegen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz zügig zu reformieren. Die Regelungen zu den Strompreis-Erleichterungen für energieintensive Industrien seien "im Prinzip nach wie vor richtig, weil wir erreichen wollen, dass die Energiewende Deutschland auch auf dem internationalen Wettbewerb stärkt und nicht schwächer werden lässt", sagte er.

Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sehen für die Regierung dennoch Spielraum, einkommensschwache Haushalte beim Strompreis zügig zu entlasten. Bei ihnen entfallen laut der DIW-Studie, die SPIEGEL ONLINE vorab vorliegt, im kommenden Jahr 4,5 Prozent der Konsumausgaben auf Strom.

Um Betroffene zu entlasten, haben die DIW-Forscher drei Möglichkeiten ausgearbeitet - die zusammen nicht mehr kosten sollen, als die Umsatzsteuer auf die EEG-Umlage im kommenden Jahr einbringt:

  • Höhere Strompreise könnten durch eine Anhebung der Grundsicherung (Hartz IV beziehungsweise Sozialhilfe), des Wohngelds und des Bafög ausgeglichen werden. Um die höhere EEG-Umlage auszugleichen, müsste ein Ein-Personen-Haushalt im kommenden Jahr pro Monat 1,67 Euro zusätzlich erhalten, berechneten die Forscher. Addiert man die Kosten für die Ausgleichszahlungen bei Grundsicherung, Wohngeld und Bafög, muss der Staat demnach 2013 mit Mehrausgaben von 154 Millionen Euro rechnen. Zugleich könne die Regierung aber auch mit steigenden Einnahmen rechnen. Laut DIW fließen 2013 rund 1,4 Milliarden Euro Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage in den Staatshaushalt - rund eine halbe Milliarde Euro mehr als 2011.

  • Auch eine Reduzierung der Stromsteuer würde den Forschern zufolge Haushalten mit geringem Einkommen zugutekommen. Sie schlagen einen Grundfreibetrag von 1000 Kilowattstunden pro Jahr vor. Damit bliebe auch der Anreiz zum Stromsparen erhalten.
  • Zumindest beim dritten Vorschlag der Forscher ist die Regierung bereits aktiv geworden. Denn das DIW plädiert dafür, sozial schwachen Haushalten Beratungsprogramme fürs Energiesparen anzubieten.

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