Ergebnis der Urabstimmung Lokführer beschließen den Dauerstreik

Ein Mitglied der Lokführergewerkschaft GDL in Stuttgart: Festgefahrener Tarifstreit
Foto: Marijan Murat/ dpaBerlin - Die Lokführergewerkschaft GDL setzt im Arbeitskampf mit den Bahnunternehmen auf Konfrontation. Bei der Urabstimmung stimmten mehr als 90 Prozent der GDL-Mitglieder für unbefristete Streiks. Wann die nächsten Aktionen der Lokführer anstehen, wurde zunächst nicht mitgeteilt. Am Dienstag soll es jedoch noch keine Arbeitsniederlegungen geben.
Ab Aschermittwoch müssen sich Bahnkunden aber auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen. "Noch in dieser Woche werden wir den nächsten Arbeitskampf einleiten", sagte GDL-Chef Claus Weselsky. "Die Arbeitgeber sind aufgefordert, endlich verhandlungsfähige Angebote einzureichen."
Die Gewerkschaft will den Arbeitskampf neben Personenzügen auf den Güterverkehr ausdehnen. "Die Reisenden wird es im Verhältnis zum Güterverkehr weniger betreffen", sagte Weselsky. Die GDL wolle die Arbeitgeber immer stärker unter Zugzwang setzen und die Ausstände Stück für Stück verlängern.
Insgesamt stimmten über 92 Prozent der GDL-Mitglieder bei der Deutschen Bahn und 96 Prozent der GDL-Mitglieder bei den privaten Bahnunternehmen für einen Arbeitskampf, teilte die Gewerkschaft mit. Demnach nahmen 81 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung teil. "Es gibt genügend Gründe, weiterhin für unsere gemeinsam entwickelten Ziele zu kämpfen, auch mit längeren Streiks", sagte Weselsky. "Wenn die Arbeitgeber die Auseinandersetzung weiterhin suchen, so werden wir sie nicht enttäuschen."
Stahlbranche muss sich auf Behinderungen einstellen
Die Deutsche Bahn forderte die GDL zu Gesprächen auf. "Der gordische Knoten kann nur auf dem Verhandlungsweg zerschlagen werden", sagte Personalvorstand Ulrich Weber.
Bereits bei den vorangegangen drei Warnstreikrunden hatte die GDL den Bahnverkehr teilweise lahmgelegt. Wirtschaftsvertreter warnen bereits vor gravierenden ökonomischen Folgen. Durch die Ausweitung der Streiks auf den Güterverkehr muss sich vor allem die Stahlindustrie im Westen Deutschlands auf massive Behinderungen einstellen. Die Stahlbranche ist der wichtigste Kunde der Güterbahn. Die Lokführer könnten zudem die Autoindustrie empfindlich treffen: Die auf Hochtouren produzierenden Werke sind beim Export auf den Transport der Autos in Nordseehäfen wie Emden angewiesen. Besondere Bedeutung hat die Bahn zudem für Kohletransporte zu den Kraftwerken.
Der Fahrgastverband Pro Bahn mahnte die Gewerkschaft, den Streit mit den Arbeitgebern nicht auf dem Rücken der Kunden auszutragen. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnte die GDL, sie müsse sich der Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft bewusst sein. "Ich warne eindringlich davor, dass in Deutschland der Tarifegoismus zunimmt", sagte er der "Welt".
GDL lehnt SPD-Politiker Struck als Schlichter ab
Die Verhandlungen zwischen der GDL, der Deutschen Bahn und sechs privaten Bahnunternehmen sind extrem festgefahren. Die Privatbahnen wollen nicht einmal mehr gemeinsam mit der GDL sprechen. Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hat angeboten, in dem Tarifstreit mit den Bahn-Arbeitgebern zu vermitteln. Weselsky wies das jedoch zurück. Der GDL sei "noch lebhaft in Erinnerung, dass sich die SPD insgesamt und insbesondere Herr Struck bereits im November 2007 klar und deutlich gegen einen eigenständigen Tarifvertrag für Lokomotivführer gestellt haben", sagte er.
Die Gewerkschaft, der rund drei Viertel der 26.000 Lokführer angehören, fordert einheitliche Tarifbedingungen auf dem Niveau der . In einem Flächentarifvertrag soll ein Entgelt festgeschrieben werden, das bei 105 Prozent des Niveaus der Deutschen Bahn liegt. Die privaten Konkurrenten zahlen derzeit bis zu 30 Prozent weniger Gehalt.
Der Tarifstreit in der Bahnbranche
Die Lokführergewerkschaft GDL sitzt mehreren Vertretern der Arbeitgeberseite gegenüber. Zu den Verhandlungspartnern gehören die Deutsche Bahn, sechs Privatbahnen des Personennahverkehrs (Abellio, Arriva, BeNEX, Hessische Landesbahn, Keolis und Veolia Verkehr) und sechs Güterverkehrsunternehmen.
Die zentrale Forderung der GDL ist ein Flächentarifvertrag für alle 26.000 Lokführer in Deutschland, unabhängig davon, ob sie bei der Deutschen Bahn (DB) oder bei Privatbahnen arbeiten. Diese Vereinbarung soll für Lokführer im Fern, Nah- und Güterverkehr gelten. Dabei fordert die GDL ein einheitliches Einkommen auf dem Niveau des Marktführers DB plus fünf Prozent. Die teils bis zu 30 Prozent niedrigeren Entgelte bei Privatbahnen sollen stufenweise angeglichen werden.
Die privaten Betreiber fürchten höhere Kosten durch Löhne, die auf DB-Standard liegen. Mittelständische Unternehmen könnten sich die Entgelte des Marktführers nicht leisten, sagen die Privatbahnen. Ihr Credo: Für unterschiedliche Tätigkeiten sollen unterschiedliche Entgelte gezahlt werden. Denn die privaten Anbieter sind im Regionalverkehr aktiv. Sie argumentieren etwa, dass Lokführer im Güterverkehr im Gegensatz zu ihren Kollegen im Nahverkehr oft Nachtfahrten haben. Die GDL argumentiert, solche Unterschiede könnten durch Zulagen ausgeglichen werden.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) als Konkurrenz zur GDL hat bereits einen Branchentarifvertrag mit der Deutschen Bahn und den sechs großen Privatbahnen abgeschlossen, allerdings nur für den Nahverkehr. Die GDL lehnt einen Anschluss an diesen Vertrag aber ab und kritisiert, dass sich die EVG gegen die Arbeitgeber nicht richtig habe durchsetzen können.
Neben der GDL gibt es in der Bahnbranche auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die GDL vertritt nach eigenen Angaben drei Viertel aller Lokführer. Darum sieht sich die Gewerkschaft allein berechtigt, Tarifverträge für Lokführer abzuschließen. Bei der DB hat die GDL das alleinige Mandat, für die Lokführer des Unternehmens zu verhandeln. Bei den Privatbahnen dagegen beansprucht auch die EVG für sich, die Lokführer zu vertreten.
Mit dem Streik trifft die GDL die Deutsche Bahn am härtesten - obwohl der Konzern bei den Gehältern der Branchenprimus ist und somit die Forderung der Gewerkschaft schon weitgehend erfüllt. Doch weil Streiks beim Marktführer Bahn von der Öffentlichkeit am meisten wahrgenommen werden, trifft es auch den DB-Konzern.
Neben einem Flächentarifvertrag besteht die GDL auf einer Reihe spezieller Regelungen für Lokführer, zum Beispiel auf einem erweiterten Kündigungsschutz bei Arbeitsunfähigkeit nach Unfällen.
Die Konkurrenz der GDL, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), hat bereits einen Branchentarifvertrag mit der Deutschen Bahn und den sechs großen Privatbahnen abgeschlossen. Dieser gilt allerdings nur für den Nahverkehr. Die GDL lehnt einen Anschluss an diesen Vertrag ab, sie will eine Vereinbarung für Lokführer im Fern, Nah- und Güterverkehr. Zudem kritisiert sie, dass sich die EVG gegen die Arbeitgeber nicht richtig habe durchsetzen können.