Generalanwalt des EU-Gerichts Gutachten hält Schufa-Scoring für rechtswidrig

Die Schufa stellt die Kreditwürdigkeit von Bürgern als übersichtlichen Punktewert dar. Der EuGH-Generalanwalt hält diese Praxis aber für rechtswidrig – und äußerte weitere Bedenken.
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Andreas Arnold / dpa

Die Erstellung sogenannter Score-Werte – also die Vergabe von Punkten – für die Kreditwürdigkeit durch die Schufa verstößt nach Ansicht eines Gutachters am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Europarecht. Außerdem dürfe die Schufa Daten aus öffentlichen Verzeichnissen – wie die Register der Insolvenzgerichte – nicht länger speichern als das öffentliche Verzeichnis selbst, teilte der EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen Schlussanträgen am Donnerstag in Luxemburg mit. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Gutachten des Generalanwalts sind für die Richter formal nicht bindend, meist folgen sie ihm aber.

Zum Hintergrund des Verfahrens: Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger fragen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa die Kreditwürdigkeit von Bürgern ab. Die Schufa liefert dann eine Einschätzung, den sogenannten Score-Wert. Dieser soll zeigen, wie gut der Betreffende seine Zahlungsverpflichtung erfüllt.

Konflikt mit der Datenschutz-Grundverordnung

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH sind mehrere Fälle aus Deutschland. Im ersten Rechtsstreit forderte der Kläger die Schufa auf, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren, nachdem ihm ein Kredit verwehrt worden war. Die Schufa teilte ihm jedoch nur seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung mit. Die Berechnungsmethode an sich ist ein Geschäftsgeheimnis, wie der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor Jahren entschieden hatte. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung klären zu lassen.

Diese Verordnung schreibt vor, dass Entscheidungen, die für Betroffene rechtliche Wirkung entfalten, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden dürfen. Eine Maschine soll also nicht über einen Menschen entscheiden. Der Generalanwalt befand nun, dass bereits die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit – hier: der Score-Wert der Schufa – eine solche verbotene automatische Entscheidung darstelle. Das gelte auch, wenn dann noch Dritte wie beispielsweise Banken endgültig entschieden, ob die Person kreditwürdig sei.

Die Schufa darf nicht länger speichern

Im zweiten Fall geht es um die Restschuldbefreiung nach einer Insolvenz. Privatleute haben die Möglichkeit, sich durch eine Verbraucherinsolvenz innerhalb eines begrenzten Zeitraums von ihren Schulden zu befreien, auch wenn sie nicht alles zurückzahlen können. Am Ende eines erfolgreichen Verfahrens steht die sogenannte Restschuldbefreiung.

Die Insolvenzgerichte machen solche Informationen öffentlich, löschen sie aber nach einem halben Jahr. Die Schufa löscht solche Einträge in ihrem Register allerdings erst nach bis zu drei Jahren. Das ist nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts rechtswidrig. Ziel der Restschuldbefreiung sei es, dass die Betreffenden sich wieder am Wirtschaftsleben beteiligen könnten. Das würde vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien die Daten über die Insolvenz länger speichern dürften. Der Bundesgerichtshof prüft derzeit einen ähnlichen Fall.

beb/dpa

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