Geldentwertung EZB-Direktorin Schnabel warnt vor »Aufwärtsrisiko«

Trotz steigender Preise in der Eurozone rieten die Währungshüter monatelang zu Gelassenheit. Nun räumt auch EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel ein, dass die Inflation langsamer sinken könnte als erwartet.
EZB-Direktorin Isabel Schnabel: »Es besteht ein Aufwärtsrisiko«

EZB-Direktorin Isabel Schnabel: »Es besteht ein Aufwärtsrisiko«

Foto: Ralph Orlowski / REUTERS

Wenn sie in den vergangenen Wochen und Monaten über die Inflationssorgen der Deutschen sprach, hatte Isabel Schnabel in erster Linie eine Botschaft: keine Panik! »Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist«, sagte die deutsche EZB-Direktorin noch Ende November im ZDF. Es gebe keine Hinweise darauf, »dass die Inflation außer Kontrolle gerät«.

Nun hat Schnabel ihre Meinung offensichtlich ein wenig geändert.

In einem Interview mit der französischen Tageszeitung »Le Monde« prognostizierte sie, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen im Euroraum wohl noch eine Weile mit höheren Teuerungsraten leben müssten. »Wir wissen, dass die Inflation eine gewisse Zeit lang hoch sein wird, aber auch, dass sie im Laufe des nächsten Jahres zurückgehen wird. Weniger sicher sind wir uns darüber, wie schnell und wie stark der Rückgang sein wird«, sagte Schnabel.

Die Notenbank will mittelfristig im Währungsraum der 19 Länder bei einer Inflation von zwei Prozent für stabile Preise sorgen. Im kommenden Jahr rechnen die Währungshüter vor allem wegen der Energiepreise im Jahresschnitt mit einer Preissteigerung von 3,2 Prozent.

»Es besteht ein Aufwärtsrisiko«

»Wir sind uns der Unsicherheit unserer Inflationsprognosen durchaus bewusst. Es besteht ein Aufwärtsrisiko«, sagte Schnabel. »Wir sollten einen Risikomanagement-Ansatz verfolgen, damit wir schnell reagieren können, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation dauerhaft über unserem Zwei-Prozent-Ziel liegt.«

Die EZB erklärt den plötzlichen Anstieg der Inflation vor allem mit »Sonderfaktoren«, die sich im Lauf des Jahres 2022 wieder abschwächen sollten: Dazu gehören etwa der Anstieg der Ölpreise nach dem Coronaschock und die Lieferengpässe aufgrund gestiegener Nachfrage.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt indes bereits vor einer Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation noch schneller ansteigen lassen könnte. Bestimmte Preistreiber wie die hohen Energiekosten rechtfertigten keine höheren Lohnforderungen, schreibt das Institut, da sie Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen träfen: »Die Fehler nach den Ölpreisschocks der Siebzigerjahre, als versucht wurde, den Wohlstandsverlust der Arbeitnehmer über höhere Löhne auszugleichen und auf die Arbeitgeber abzuwälzen, sollten nicht wiederholt werden.«

Milliarden für Staatsanleihen und Aktien

Kritiker und Kritikerinnen werfen der EZB vor, mit ihrer Geldflut selbst die Inflation anzuheizen. Bei der jüngsten Sitzung des EZB-Rates hatte das oberste Entscheidungsgremium der Notenbank ein erstes Signal für ein Auslaufen der ultralockeren Geldpolitik gesendet: Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres Corona-Notprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiter etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere.

»Wir haben einen wichtigen Schritt zur Normalisierung unserer Geldpolitik getan«, sagte Schnabel. »Dies muss ein schrittweiser Prozess sein – es kann nicht alles auf einmal geschehen. Wenn wir zu schnell reagieren würden, bestünde die Gefahr, dass der Aufschwung durch eine zu abrupte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen abgewürgt wird.«

rai/dpa
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