
Fehlende Nährwertangaben Verbraucherschützer enttarnen Kalorien-Bomben
Hamburg - Naschen könnte so schön sein: Erdbeeren, Joghurt und ein Hauch von Schokolade lachen den Kunden auf der Packung der "Yogurette" des Süßwarenkonzerns Ferrero an, " schmeckt yoghurt-leicht" steht außerdem noch darauf. Doch was so gesund klingt, ist es nicht: Denn tatsächlich hat die Tafel mehr Kalorien als jede Vollmilchschokolade - mit dem Unterschied, dass es auf der "Yogurette" nicht draufsteht. Wie viel Zucker, Fett und Kalorien man mit jedem der rosa verpackten Schokoriegel zu sich nimmt, kann der Kunde lediglich erraten.
Doch es ist nicht nur das Unternehmen Ferrero, das erstaunlich schweigsam ist, wenn es um die genauen Inhaltsstoffe seiner Waren geht. Viele der großen Lebensmittelhersteller geizen mit den genauen Angaben zum Zucker- und Fettgehalt ihrer Produkte. Das hat eine umfassende Untersuchung der Verbraucherzentralen ergeben.
Im August wurden dafür bundesweit 3500 Lebensmittel von mehr als 50 Herstellern in 17 Supermarktketten untersucht - und das Ergebnis ist eindeutig: Fast die Hälfte der untersuchten Produkte war immer noch nicht mit der Kennzeichnung aller acht Nährwerte ("Big Eight") versehen, es fehlten Angaben zum Energiegehalt, zu Eiweiß und Kohlenhydraten, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Natrium beziehungsweise Salz. Bei knapp 15 Prozent der Lebensmittel fehlte jegliche Angabe zum Kaloriengehalt und zu den Nährstoffen.
33 von 50 Herstellern bekommen "unbefriedigend"
Besonders schlecht schnitten dabei bekannte Produkte von Markenherstellern wie Ferrero, Storck oder Haribo ab. Den letzten Platz belegt in der Untersuchung die Firma Ritter Sport, bei der gar kein gekennzeichnetes Produkt gefunden wurde. Insgesamt attestierten die Verbraucherschützer 33 der 50 untersuchten Hersteller eine unbefriedigende Kennzeichnung, nur bei 18 Prozent war sie gut. Dazu gehören die Hersteller Danone, Zentis und Iglo.
"Es kann nicht sein, dass der Kunde in so vielen Fällen nicht weiß, was er isst", sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Immer noch verkaufen Firmen ihre Produkte als gesund, obwohl es Dickmacher sind." Nur mit mehr Transparenz bei der Zusammensetzung der Lebensmittel könne man gegen Übergewicht kämpfen - gerade bei Kindern.
Auffällig bei der Untersuchung ist, dass gerade bei den kalorienreichen Produkten oft die Nährwertangabe fehlt: So wird etwa Kalbsleberwurst ohne Kennzeichnung angeboten, der fettarme Schinken dagegen ist ausgezeichnet. Ähnliche Fälle gibt es bei Molkereiprodukten und Konfitüren.
Die betroffenen Firmen wehren sich allerdings gegen den Vorwurf, ihre Inhaltsstoffe bewusst zu verschleiern. Man habe bisher keine Angaben auf den Produkten selbst, weil man auf Vorgaben aus der Politik gewartet habe, erklärt etwa Thomas Seeger von Ritter Sport. Bis dahin biete man eine detaillierte Auflistung der Nährwerte für die Kunden im Internet an. Und weil man sich auf EU-Ebene noch immer nicht auf verbindliche Richtlinien habe einigen können, werde man die Nährwerte jetzt auch auf die Produkte drucken. "Wir befinden uns derzeit im Relaunch der Verpackungen, in den nächsten Wochen werden unsere Produkte nacheinander umgestellt."
Firmen führen "Platzgründe" an
Gleiches hört man auch von Ferrero, wo die neu gekennzeichneten Süßigkeiten größtenteils ab September im Handel zu finden sind. Allerdings werden nicht alle Produkte gleich ausgezeichnet, genauere Details konnte eine Sprecherin nicht nennen. Auch bei Haribo, Stollwerk und Wagner heißt es, die Verpackungen würden derzeit umgestellt. Beim Süßigkeitenhersteller Storck wiederum weist man darauf hin, dass bei einem althergebrachten Produkt wie "Werther's Original" das "valide Informationsbedürfnis" der Verbraucher fehle. Wen die genauen Inhaltsstoffe trotzdem interessierten, könne sich aber in Zukunft im Internet darüber informieren. Andere Hersteller wie Zott sehen entweder "keine Notwendigkeit", haben wie Herta oder Häagen Dazs bisher "aus Platzgründen" nur wenige Produkte gekennzeichnet oder wie Zimbo "gerade beschlossen", die Kennzeichnung auf die gesamte Produktpalette auszuweiten. Andere Unternehmen, die von den Verbraucherzentralen kritisiert werden, sind nach eigener Aussage "gerade dabei", die Kennzeichnung umzustellen oder waren für Stellungnahmen nicht zu erreichen.
Das zeigt: Es geht bunt durcheinander bei der Kennzeichnung. Doch was aus Sicht der Unternehmen im Einzelfall nachvollziehbar sein kann, geht auf Kosten der Verbraucher: Für sie ist es noch immer schwierig, schnell und einfach zu erkennen, was sie zu sich nehmen. Die Verbraucherschützer fordern deshalb eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung. "Nur wenn auf allen Lebensmitteln drauf stehen muss, was drin ist, können die Verbraucher nicht weiter hinters Licht geführt werden", sagt der Hamburger Verbraucherschützer Valet. "Die beste Lösung ist da die Ampel-Kennzeichnung, mit der die Verbraucher schnell und unkompliziert Zuckerbomben und Fettfallen erkennen können."
Dass die Unternehmen können, wenn sie wollen, zeigt ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Demnach redet der Handel offensichtlich bei der Nährwertkennzeichnung ein Wörtchen mit und übt Druck aus, um ein besseres Kennzeichnungssystem zu erreichen. So sind etwa beim Discounter Aldi nur sechs Prozent der Produkte nicht mit der "Big Eight"-Kennzeichnung versehen, auf Platz zwei folgt der Konkurrent Lidl mit 30 Prozent fehlender Angaben. Außerdem gibt es einige Produkte von Haribo und Storck, die nur für den Verkauf bei Aldi mit den vollständigen Nährwertangaben ausgezeichnet, in anderen Supermärkten aber ohne die ausführlichen Produktangaben zu finden waren. "Wir fordern deshalb die Händler auf, im Sinne der Verbraucher mehr Druck auf die Anbieter auszuüben und für eine bessere Kennzeichnung zu sorgen", sagt Valet.
Ob und in welcher Form eine einheitliche Nährwertkennzeichnung kommen wird, darüber wird seit längerem auf EU-Ebene diskutiert. Zwar ist im Dezember 2009 die erste Lesung eines Gesetzentwurfs geplant - der allerdings ist hochgradig umstritten. Mehr als tausend Eingaben müssen die Brüsseler Beamten abarbeiten - bis dahin wird der Verbraucher also weiter raten müssen, was er zu sich nimmt.