Finanzkrise Bundesgerichtshof verhandelt über Klagen der "Lehman-Omas"

Demonstration von Lehman-Opfern in Mainz (Archivbild): Bis zu 750 Millionen Euro Verlust
Foto: dapdKarlsruhe - Die "Lehman-Oma" ist zum Sinnbild für die Finanzkrise des Jahres 2008 geworden. Sie steht für unerfahrene deutsche Kleinanleger, denen Bankberater Zertifikate der US-Krisenbank Lehman Brothers aufgeschwatzt hatten. Die gutgläubigen Privatinvestoren wurden unter Beratern als "AD-Kunden" gehandelt: A für "alt" und D für "doof".
Als die US-Investmentbank im September 2008 pleiteging, löste sich das Ersparte dieser Kunden in Luft auf. Jetzt aber können zumindest einige wenige auf etwas Genugtuung hoffen. Am Dienstag entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) über die ersten beiden Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern (Az. XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10). Sie hatten nach eigener Darstellung Mitarbeitern der Hamburger Sparkasse (Haspa) vertraut und auf deren Anraten jeweils 10.000 Euro in Lehman-Zertifikate investiert.
Es ist offen, ob der BGH wie zuvor das Hamburger Landgericht in erster Instanz den Klägern Recht gibt oder dem Hanseatischen Oberlandesgericht folgt, das in seiner Entscheidung keine Verletzung der Beratungspflicht sah. Verbraucherschützer hoffen dennoch auf ein Grundsatzurteil, das Banken zu mehr Informationen über die Risiken solcher Anlagen sowie über ihre eigenen Profite verpflichtet.
Die Verluste deutscher Anleger bei der Lehman-Pleite waren enorm: Expertenschätzungen zufolge investierten mehr als 40.000 Bundesbürger auf Anraten ihrer Banken zwischen 10.000 und 50.000 Euro in die angeblich lukrativen Lehman-Zertifikate - und verloren am Ende insgesamt etwa 750 Millionen Euro.
Malaga-Reisen als Belohnung
Kein Rolle spielen im laufenden Verfahren nach Angaben des Vorsitzenden Richters Ulrich Wiechers brisante Sparkassen-Papiere, die zwischenzeitlich die "Süddeutsche Zeitung" und der Radiosender NDR Info veröffentlichten. Diese Dokumente verdeutlichen, dass die Berater wegen der hohen Profite für die Sparkasse unter Druck gesetzt wurden, die Zertifikate an die Kunden zu bringen: Es habe interne Ranglisten der Top-Verkäufer gegeben und Reisen nach Malaga oder in die Türkei als Belohnung. Auch erwecken die Papiere den Eindruck, die Haspa habe ihre eigenen Mitarbeiter erst nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank über die Risiken der Zertifikate aufgeklärt.
Doch ob nun Karlsruhe die Fälle wegen dieser Dokumente zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverweist oder den Klägern in letzter Instanz Recht gibt, ist für viele Geschädigte ohne Belang: Laut Gesetz verjähren fahrlässige Beratungspflichtverletzungen der Banken drei Jahre nach dem Erwerb der Zertifikate - es sei denn, die Betroffen haben zuvor geklagt.
Für die Bankenbranche steht dagegen mehr auf dem Spiel: Die Haspa hatte Medienberichten zufolge Lehman-Papiere für 56 Millionen Euro zunächst selbst gekauft und dann erst ihren Kunden angeboten. Solch eine womöglich konfliktträchtige Doppelrolle von Banken als Verkäufer und Berater müsse den Kunden deutlich gemacht werden, fordern Verbraucherschützer. Es ist gut möglich, dass der BGH das ähnlich sieht und die Aufklärungspflichten der Institute grundsätzlich verschärft.