Folgen der Krise Lebensversicherer sparen an Überschusszahlung
Wer eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, muss sich auf schrumpfende Renditen einstellen. Um bis zu 0,35 Prozentpunkte senken viele Anbieter 2010 die Überschussbeteiligungen. Das Minus könnte sich für die Sparer bis zum Ende der Vertragslaufzeit auf mehrere tausend Euro summieren.
Berlin - Die Briefe gehören zu den Skurrilitäten des Finanzgewerbes: Zu Jahresbeginn schickt etwa der Branchenriese Allianz seinen Kunden schön bedruckte Papiere, die gleichsam wie eine Urkunde anmuten. Darauf stehen, fein säuberlich auseinandergerechnet, alle wichtigen Eckdaten, die den Status der Lebensversicherung dokumentieren. Wie viel bereits angespart ist, der Garantiezins, die Überschussbeteiligung - und was voraussichtlich rauskommen könnte, wenn man alle Raten über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg sorgfältig weiter bezahlt.
Diese Art des festlichen Kontoauszugs wäre nicht weiter erwähnenswert, leisteten sich die Versicherer nicht eine kleine Besonderheit: Sie kündigen ihren Kunden im Voraus an, welchen Zinssatz sie ihnen für die kommenden zwölf Monate gutschreiben wollen - obwohl doch Prognosen über einen solchen Zeitraum hinweg normalerweise als äußerst unzuverlässig gelten.
Trotzdem funktioniert das bei den Versicherern im Allgemeinen recht gut, und die Kunden goutieren diesen Ausblick, der ihnen noch einmal ein zusätzliches Quäntchen an Sicherheit gibt.
Unabhängigkeit hat ihren Preis
Doch die Berechenbarkeit hat ihren Preis: Denn die Unabhängigkeit von der täglichen Hektik der Börsen und Rohstoffmärkte, von Optionsgeschäften und Hexen-Sabbats lässt sich nur erreichen, wenn man auf einen Gutteil der möglicherweise erzielbaren Gewinne verzichtet. Wie beliebt diese Geldanlage trotz der Magerrendite ist, zeigt die Summe der in diesem Segment angelegten Gelder - insgesamt 685 Milliarden Euro allein in Deutschland.
Trotzdem geht die Krise auch an den Lebensversicherern nicht spurlos vorbei: In der Regel sind rund 80 Prozent der Kundengelder in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, deren Zinssatz in den vergangenen Monaten deutlich gesunken ist. Derzeit beträgt der Anteil der Festverzinslichen nach Einschätzung von Experten sogar mehr als 85 Prozent.
Zum großen Teil müssen die Anbieter deshalb in ihren jährlichen Statusmitteilungen eine eher unangenehme Botschaft verstecken: Die Überschussbeteiligung, die bislang im Schnitt 4,28 Prozent betrug, wird für die kommenden zwölf Monate auf 4,24 Prozent sinken. Einer Umfrage des "Hamburger Abendblatts" zufolge soll die Absenkung bis zu 0,35 Prozentpunkte betragen.
Derivate-Besitzer oder Fonds-Sparer werden bei einem solchen Wert lachen. Doch für den Besitzer einer Kapital-Lebensversicherung ist das schon ein Wort - zumal sich, über die gesamte Laufzeit berechnet, daraus recht erkleckliche Summen ergeben können. Zusammen mit Versicherungsmathematikern hat SPIEGEL ONLINE eine Beispielsrechnung entwickelt, die zumindest einen Hinweis darauf gibt, welchen Verlust die Absenkung der Überschussbeteiligung erwarten lässt.
Einbußen vor allem für Neukunden
Zugrunde gelegt wurde ein Vertrag für eine Kapital-Lebensversicherung, an deren Ende der Kunde 100.000 Euro eingezahlt haben soll. Die Kapitalabfindung nach 25-jähriger Laufzeit beträgt bei der angenommenen Gesamtverzinsung von 4,2 Prozent, inklusive eines Garantiezinses in Höhe von 2,25 Prozent, der derzeit im Durchschnitt für Neuverträge angeboten wird, 142.790 Euro.
Sinkt die Überschussbeteiligung, dann verlieren Neukunden am meisten. Angenommen der Vertrag hat noch eine Restlaufzeit von 24 Jahren, müssten sie bei einer Zinsminderung um 0,35 Prozentpunkte mit einem Verlust von 6852 Euro rechnen - das sind immerhin 4,8 Prozent der Gesamtsumme. Besser kommen Altkunden weg: Sie verlieren 1446 Euro, wenn ihr Vertrag noch zwei Jahre läuft. Kunden, die noch sieben Jahre lang einzahlen, müssen auf 3552 Euro verzichten.
Natürlich können sich die Werte ändern, wenn die Zeiten wieder besser werden. Doch das Zins-Tal bleibt speziell für Neukunden eine Hypothek auf Dauer - weil der Sparsockel von Anfang an geringer ist.
Einziger Trost: Die Betroffenen können sich sagen, gerade noch rechtzeitig abgeschlossen zu haben. Die Sparer, die erst in diesem Jahr mit dem Abschluss eines Vertrages liebäugeln, werden sich mit einer deutlich geringeren Rendite zufriedengeben müssen. Denn auch der Garantierte Zins ging drastisch nach unten. Im vergangenen Jahr lag der Durchschnittswert noch 3,4 Prozent, zurzeit liegt er bei lediglich 2,25 Prozent.