Futtermittelbranche Ein Geschäft, viele Profiteure

Futterpellets: Viele Verflechtungen machen Kontrolle schwer
Foto: Carmen Jaspersen/ dpaHamburg - Wer im den Weg der Rohstoffe nachverfolgt, der stößt auf ein kompliziertes Geflecht aus Händlern und Lieferanten. A beliefert B, B beliefert C, und irgendwann landet das Endprodukt beim Hühnerhalter D. Das macht es den Ermittlern im aktuellen Fall so schwer, herauszufinden, wie genau das Gift in das Futtermittel gelangen konnte.
Die romantische Vorstellung, Hühner würden Körner picken und Kühe Gras fressen, entspricht in der deutschen längst nicht mehr der Realität. Um aus Tieren das Maximum herauszuholen, kommen genau abgestimmte Futtermischungen in die Tröge.
Die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerien der Länder sichern genaue Kontrollen bei der Herstellung zu, doch beim jetzigen Skandal weisen alle Beteiligten Versäumnisse und Fehler von sich. Durch die verzweigten Lieferwege wurde das krebserregende Dioxin weit verteilt. Nach Angaben der Bundesregierung kann das Gift bis zu 150.000 Tonnen Tierfutter zugesetzt worden sein.
Bis zu 3000 Tonnen verseuchtes Futterfett hat die Firma Harles & Jentzsch nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im November und Dezember an 25 Futtermittelhersteller in acht Bundesländern geliefert. An menschliches Versagen oder ein Versehen glauben die Behörden nicht mehr. "Die Darstellung, da hat einer den falschen Hahn aufgedreht, erscheint uns sehr unglaubwürdig", sagte der Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums.
Doch welche Rohstoffe sind überhaupt erlaubt? Wer vertreibt sie, und wer kontrolliert die Hersteller und Lieferanten? Eine Übersicht über die Verbindungen in der Futtermittelindustrie.
Die Rohstoffe
Welche Zutaten und Stoffe in Futtermittel gelangen dürfen, haben Experten in der sogenannten Positivliste für Einzelfuttermittel festgelegt. Etwa 350 Ausgangserzeugnisse sind dort aufgeführt. Diese Liste sei die rechtliche Basis, an der sich Hersteller und auch Landwirte orientieren sollen, sagt der Marktreferent des Deutschen Verbandes Tiernahrung, Knut Schubert. Futtermittel bestehen demnach zu etwa 85 Prozent aus Getreide oder Eiweißträgern wie Soja. Weitere Bestandteile sind Mineralstoffe und Zusatzstoffe.
Zu diesen Zusatzstoffen zählen auch Abfallprodukte anderer Branchen, etwa Biertreber, Vinasse oder Schlempe aus der Alkoholgewinnung. Fette werden als Energielieferanten für die Nutztiere beigemischt oder schlicht, um Staub im Futter zu binden und so die Herstellung und Fütterung zu erleichtern.
Manche Stoffe in der Positivliste dürften den meisten Verbrauchern gar nichts sagen. So darf Futtermitteln etwa Lignocellulose beigemischt werden. Hierbei handelt es sich um eine Holzfaser, die in einem aufwendigen Verfahren aus naturbelassenem Holz hergestellt wird, erklärt Walter Staudacher von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Lignocellulose soll ähnlich wie Stroh Ballaststoffe im Futter liefern, damit die Tiere gesättigt sind und nicht fett werden. Die Deklaration von Mischfuttermitteln enthalte im Schnitt etwa 12 bis 15 Komponenten, sagt Staudacher. Am häufigsten komme Getreide vor.
Jährlich werden in Deutschland etwa 20 Millionen Tonnen Mischfutter verarbeitet, sagt Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter.
Die Händler und Lieferanten
So unübersichtlich schon die Liste mit Rohstoffen erscheint, so kompliziert ist das Netzwerk aus Herstellern und Lieferanten. Zwischenhändler sind in der Futtermittelbranche keine Seltenheit. Denn die Firmen können ihre Rohstoffe weltweit beziehen. Das zeigt sich auch im aktuellen Dioxin-Skandal. Der Futtermittelproduzent Harles & Jentzsch kaufte vom Biodieselhersteller Petrotec Mischfettsäure, die laut dieser Firma nur für technische Verwendung geeignet war. Das Geschäft lief über den niederländischen Händler Olivet, der nach eigenen Angaben mit vegetarischen und tierischen Fetten sowie Fettsäuren handelt.
Das Zusatzfett, das Harles & Jentzsch verarbeitete, war dioxinbelastet. Die Firma wiederum verkaufte ihr Futterfett an Mischfutterhersteller, deren kontaminierte Produkte am Ende zu Hunderten landwirtschaftlichen Betrieben gelangten.
Je nach Größe und Spezialisierung eines Herstellers haben die Firmen nur einige oder Hunderte Lieferanten, sagt Katrin Spemann vom Prüfsystem QS. Dieses wurde als freiwillige Kontrollinstanz der Wirtschaft installiert. Fast 2700 Händler und Lieferanten aus Deutschland sind bei QS freiwillig in der Futtermittelbranche registriert. Davon liefern rund 1100 Unternehmen Einzelfuttermittel.
Eines davon ist auch Harles & Jentzsch. Das Unternehmen steht ganz am Anfang der Kontrollkette bei QS. Denn die Lieferanten der Firma fallen nicht unter die Zuständigkeit von QS.
Die Kontrolleure
Die Kontrolle der Futtermittelbranche steht auf zwei Säulen: Es gibt staatliche Überprüfungen und selbstverpflichtende Systeme der Wirtschaft:
Staatliche Kontrolle ist Sache der Länder. In Niedersachsen, das vom Dioxin-Skandal besonders betroffen ist, wacht das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) über die Futtermittelbranche. Etwa 3500 große Futtermittelhersteller zählt Laves-Präsident Eberhard Haunhorst in dem Bundesland. Zwischen 2000 und 2500 Betriebsinspektionen pro Jahr schaffen die zwölf Futtermittelkontrolleure pro Jahr. Abhängig von den Risiken und der Größe der Betriebe werden sie unterschiedlich häufig kontrolliert.
Auch der Biodieselhersteller Petrotec, der an Harles & Jentzsch lieferte, hat seinen Sitz in Niedersachsen. Er unterliegt aber der Kontrolle des Gewerbeaufsichtsamtes, da die Firma nicht speziell Futtermittelzutaten herstellt. Landwirtschaftliche Betriebe werden von den Veterinärämtern der Landkreise kontrolliert.
Die Futtermittelbranche unterzieht sich auch freiwilliger Selbstkontrolle, etwa durch das Prüfsystem QS. Die Firmen müssen Leitlinien erfüllen und in Eigenkontrollen Rückstände bestimmter Stoffe, darunter auch Dioxine, prüfen und in einer Datenbank melden. Zudem gibt es Besuche von Kontrolleuren, sogenannte Audits. Diese sind aber abhängig von der Größe des Betriebs und davon, wie vorherige Kontrollen ausfielen. Die Firma Harles & Jentzsch wurde von QS-Kontrolleuren im vergangenen Jahr einmal besucht, sagt Spemann. Die erhöhten Dioxin-Werte meldete das Unternehmen nach einer Eigenkontrolle.
Die Regeln der Biobranche
Grundsätzlich gilt die Positivliste für Rohstoffe auch für die Biobranche, sagt DLG-Experte Staudacher. Dort dürften aber keine Mineraldünger oder synthetische Mittel für Futtermischungen verwendet werden. Importwaren seien bei Herstellern von Biofuttermitteln nicht besonders willkommen, sagt Schubert vom Tiernahrungsverband. Der Aufwand an Rohstoffe heranzukommen, sei oft hoch. So gebe es nur wenig Biosojaschrot.
Der Erzeugerverband Bioland erklärte, die Verfütterung konventionell erzeugter Futterfette sei bei seinen Mitgliedern verboten. In der Futtermittelherstellung seien nur ökologisch erzeugte Pflanzenöle zugelassen. Den überwiegenden Teil der Futtermittel erzeugten Bioland-Bauern auf ihren eigenen Höfen.
Die Schwachstellen
Der harte Wettbewerb zwinge die Hersteller von Futtermitteln dazu, scharf zu kalkulieren, sagt DLG-Experte Staudacher. "Der Preisdruck ist enorm." Niedrige Lebensmittelpreise verlangten auch günstige Preise für Futtermittel.
Bei der Rohstoffqualität gibt es starke Unterschiede. Wie auch im aktuellen Dioxin-Skandal gibt es zudem Firmen, die Bestandteile für Futtermittel liefern, gleichzeitig aber auch technische Produkte vertreiben, die nicht in Lebens- oder Futtermittel gelangen dürfen.
Für den Greenpeace-Experten Hofstetter gerät die Herkunft vieler Rohstoffe zum ökologischen Problem. So würden etwa für Palmkernextrakte Wälder gerodet, oder Fischmehle gefährdeten den Artenbestand. Die Herkunft der Rohstoffe ist oftmals nicht festgeschrieben. Manche Hersteller kauften Produkte wie Raps- oder Sojaöl direkt von Ölmühlen, sagt Marktexperte Schubert. Andere Firmen würden Stoffe über mehrere Zwischenhändler aus dem Ausland beziehen. "Hier spielen sicherlich Preisfragen eine Rolle", sagt Schubert.
An dem Prozess der Futtermittelherstellung sei ein ganzer "Rattenschwanz" an Firmen beteiligt, sagt Hofstetter. Darum falle auch die Kontrolle so schwer. Laves-Präsident Haunhorst findet es problematisch, dass Unternehmen, die in der Vorstufe der Futtermittelproduktion stehen, nicht schärfer kontrolliert werden. Dass etwa der Biodieselhersteller Petrotec an Harles & Jentzsch liefere, halte er für "problematisch".
Lückenlose Sicherheit gebe es nicht, sagt Spemann vom Prüfsystem QS. Gefragt sei auch die Eigenverantwortung der Firmen.