Vorschlag der Expertenkommission Staat soll Gaskunden einen Monatsabschlag zahlen

Verbraucher können auf etwas Entlastung beim Gaspreis hoffen. Eine Expertenkommission der Regierung schlägt nach SPIEGEL-Informationen eine zweistufige Lösung vor. Schon im Dezember soll die erste Hilfe fließen.
Erdgaspipelines in Sibirien

Erdgaspipelines in Sibirien

Foto: Kirill Kukhmar / ITAR-TASS / IMAGO

Die »Expertenkommission Gas und Wärme« hat sich über die Nacht auf einen Vorschlag verständigt, wie die deutschen Gaskunden von den horrenden Preisen entlastet werden können. Nach SPIEGEL-Informationen einigte man sich für Privatkunden und klein- und mittelständische Unternehmen auf ein zweistufiges Verfahren. Demnach soll der Staat in einem ersten Schritt im Dezember »einmalig die jeweilige Abschlagszahlung aller Gas-Standardlastprofil-Kunden und Fernwärmekunden« übernehmen, heißt es aus der Kommission.

Die Versorger sollen auf die Erhebung der Abschlagszahlung verzichten und bekommen diese Summe vom Bund spätestens zum 1. Dezember erstattet. Auf diese Weise wolle man auch die hohen, zu erwartenden Abschlagszahlungen im Januar und Februar 2023 »teilkompensieren«. Der Staat würde auf diese Weise praktisch für einen Monat die vertraglichen Pflichten aus den Gasverträgen der Kunden übernehmen.

In einer zweiten Stufe soll ab März ein sogenanntes Kompensationsmodell eingeführt werden, was zahlungstechnisch auf die Schnelle von den Versorgern nicht hätte umgesetzt werden können. Demnach würde ein Teil der Gasrechnung zu einem subventionierten Preis bezahlt, der Rest zu den dann geltenden hohen Gaspreisen.

Aus der Kommission heißt es am Morgen, man werde einen fixen Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde für Privat- und Gewerbekunden vorschlagen. Bei Fernwärmekunden sind es 9,5 Cent.

80 Prozent der Kilowattstunden sollen subventioniert werden. Angesetzt wird am Endkundenpreis inklusive aller staatlichen Abgaben. Bemessungsgrundlage ist die Schätzung, die den Abschlagszahlungen zugrunde liegt. Diese stützt sich meist auf den Vorjahresverbrauch.

Die Vorteile aus dem Kontingent müssen höhere Einkommensklassen versteuern. Nach ersten Berechnungen werden reiche Haushalte dennoch in Euro etwa anderthalbmal so stark entlastet wie ärmere, schreibt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Für sozial schlechtergestellte Haushalte soll es einen zusätzlichen Härtefallfonds geben, aus dem zusätzliche Hilfen fließen.

Für die Industrie ist zum 1. Januar 2023 ein Kontingent von 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs zu einem fixen Preis von 7 Cent vorgesehen. Berechnungsgrundlage ist hier der Marktpreis ohne Netzentgelte, Steuern und andere Posten.

Das Paket für Privat-, Gewerbe- und Industriekunden beim Gas sowie für die Fernwärme soll bis Frühjahr 2024 gelten. Laut einer ersten Überschlagsrechnung hat es einen Umfang von rund 90 Milliarden Euro. Rund 25 Milliarden erhält die Industrie, etwa 66 Milliarden bekommen die Privathaushalte und das Kleingewerbe. Die Einmalzahlung für Gas und Fernwärme im Dezember macht in der Gesamtsumme etwa 5 Milliarden Euro aus.

Manche Kommissionsmitglieder sorgen sich, dass es bei der Kompensation der gedeckelten Kilowattstunden große Mitnahmeeffekte bei den Vertriebsfirmen geben könnte. Bei den Hilfen für die Industrie könnte es Probleme mit dem EU-Beihilferecht geben. In diesen beiden Punkten müsse die Regierung sehr achtsam sein, hieß es.

Die 21-köpfige Gaskommission hat sich in den vergangenen zwei Wochen dreimal virtuell getroffen. An diesem Wochenende kamen die Mitglieder, darunter Vertreter von Industrie, Wirtschaftswissenschaft, Verbraucherschutzverbänden und Gewerkschaften, im Bundeswirtschaftsministerium zusammen.

Die Energieversorger hatten recht schnell klargemacht, dass sie eine komplizierte Lösung wie das Kontingentmodell nicht so rasch umsetzen könnten. Daraufhin suchte man nach pragmatischen Ansätzen, etwa mit einem Rabatt auf den Kilowattstundenpreis für Gas oder den jetzt offensichtlich favorisierten Ansatz, eine Monatsrechnung vom Staat zu übernehmen. Am längsten umstritten war, wie Großkunden aus der Industrie kompensiert werden sollen.

Der finale Beschluss fiel um 6.22 Uhr. Um 9.30 Uhr ist ein Treffen mit Kanzler Olaf Scholz angesetzt. Auf einer Pressekonferenz um 10.30 Uhr wollen die drei Vorsitzenden der Gaskommission die Ergebnisse vorstellen.

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»Nach rund 35-stündigen Beratungen hat die von der Bundesregierung am 23. September 2022 berufene ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme ihre Klausur in der Nacht zum Montag erfolgreich beendet«, teilt eine Sprecherin von Minister Robert Habeck (Grüne) mit, der die Kommission eingesetzt hatte. Die Kommission habe eine Reihe von Empfehlungen an die Bundesregierung erarbeitet und einstimmig verabschiedet.

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