GDL gegen Bahn Droht der Dauerstreik 2.0?

GDL-Mitglieder in Berlin: "Werden unsere Streikstrategie jetzt nicht offenlegen"
Foto: dapdHamburg - Streiken die Lokführer oder streiken sie nicht? Das ist die bange Frage, die sich Zugreisende in ganz Deutschland stellen. Üble Erinnerungen an den Arbeitskampf 2007/2008 sind noch allzu präsent: Seinerzeit stritten die Sturköpfe Hartmut Mehdorn (Bahn) und Manfred Schell (GDL) monatelang um einen Tarifabschluss, Dutzende Male legte die Lokführergewerkschaft die Republik mit nervtötenden Streiks lahm.
Jetzt haben die Dickköpfe abgedankt. Rüdiger Grube ist Chef bei der Bahn, Claus Weselsky bei der GDL. Die Fronten aber sind ähnlich verhärtet wie vor drei Jahren. Zudem sind dieses Mal noch viel mehr Akteure an den Verhandlungen beteiligt, was die Sache zusätzlich verkompliziert. Droht jetzt der Dauerstreik 2.0?
Zumindest bis kommenden Montag bleiben Bahnreisende von Arbeitsniederlegungen verschont, versprach die Lokführergewerkschaft GDL. Kuriose Begründung dafür: die Skiweltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen. Die sollen nicht beeinträchtigt werden, heißt es.
Für die Zeit danach aber droht die GDL mit Streiks bei der Bahn und deren privaten Wettbewerbern - und ließ bei einer Protestveranstaltung am Mittwoch in Berlin schon mal die Muskeln spielen: Hunderte Lokomotivführer schwor die GDL auf Arbeitskampf ein. "Wir müssen zum letzten uns zur Verfügung stehenden Mittel greifen", röhrte Weselsky.
Doch worum geht es in dem Streit überhaupt? Wer ist beteiligt? Und ist ein neuer Nervstreik unvermeidlich? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Tarifkonflikt bei der Bahn.
Wird es zu Streiks kommen?
Vermutlich ja. Die GDL und auch die stellen sich bereits auf Arbeitsniederlegungen ein. Die Gewerkschaft will allerdings frühestens Anfang kommender Woche mit Warnstreiks beginnen. Parallel zu Warnstreiks will die GDL eine Urabstimmung über einen regulären Streik abstimmen, das Ergebnis soll dann Anfang März vorliegen.
Und auch eine Hintertür lässt die GDL offen: Sollten die Bahnunternehmen bis Ende dieser Woche ein neues Angebot vorlegen, könnten die Verhandlungen weitergehen, sagte eine GDL-Sprecherin. "Es sieht aber nicht so aus", fügte sie hinzu.
Ob und wann gestreikt wird und welche Verbindungen betroffen sein werden, will die GDL "rechtzeitig" bekanntgeben. Betroffen sein könnten die Deutsche Bahn und Privatbahnen im Personennahverkehr. Nur mit sechs privaten Güterverkehrsunternehmen verhandelt die GDL noch, hier sind keine Streiks geplant.
Wer ist am Tarifstreit beteiligt?
Die GDL sitzt mehreren Vertretern der Arbeitgeberseite gegenüber. Zu den Verhandlungspartnern gehören die Deutsche Bahn, sechs Privatbahnen des Personennahverkehrs (Abellio, Arriva, BeNEX, Hessische Landesbahn, Keolis und Veolia Verkehr) und sechs Güterverkehrsunternehmen. Bisher verhandelte die GDL in drei getrennten Runden mit den jeweiligen Vertretern. Am Ende will die Gewerkschaft aber einen einzigen Flächentarifvertrag erreichen.
Was sind die Knackpunkte in dem Tarifstreit?
Die zentrale Forderung der GDL ist ein Flächentarifvertrag für alle 26.000 Lokführer in Deutschland, unabhängig davon, ob sie bei der Deutschen Bahn oder bei Privatbahnen arbeiten. Diese Vereinbarung soll für Lokführer im Fern, Nah- und Güterverkehr gelten. Es müsse ein "einheitliches Tarifniveau, einheitliche Zulagen und eine einheitliche Wochenarbeitszeit" geben, verlangte GDL-Chef Weselsky.
Dagegen wehren sich die Privatbahnen im Personennahverkehr. "Einheitslöhne gibt es bei uns nicht", sagte deren Sprecher Christoph Kreienbaum. Für unterschiedliche Tätigkeiten sollen unterschiedliche Entgelte gezahlt werden, fordern die privaten Betreiber. Sie argumentieren etwa, dass Lokführer im Güterverkehr im Gegensatz zu ihren Kollegen im Nahverkehr oft Nachtfahrten haben. Die GDL argumentiert, solche Unterschiede könnten durch Zulagen ausgeglichen werden.
Vor allem die privaten Betreiber fürchten höhere Kosten durch einen Flächentarifvertrag: Die GDL verlangt für Lokführer Löhne, die bei 105 Prozent des DB-Standards liegen, kritisieren die privaten Bahnbetreiber. Mittelständische Unternehmen könnten sich die Entgelte des Marktführers aber nicht leisten.
Die GDL dagegen fordert, die Angestellten bei Privatbahnen den Mitarbeitern der Deutschen Bahn müssten gleichgestellt werden. "Wir wollen dauerhaft verhindern, dass Lohndumping im Wettbewerb eingesetzt wird", sagte Gewerkschaftschef Weselsky. Auch das Lohnangebot der Deutschen Bahn will er nicht akzeptieren. Fünf Prozent mehr bei einer Vertragslaufzeit von 29 Monaten seien zu wenig.
Die GDL besteht außerdem auf einer Reihe spezieller Regelungen für Lokführer, zum Beispiel auf einem erweiterten Kündigungsschutz bei Arbeitsunfähigkeit nach Unfällen.
Wie konkurrieren Bahngewerkschaften untereinander?
Neben der GDL gibt es in der Bahnbranche auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die EVG hat bereits einen Branchentarifvertrag mit der Deutschen Bahn und den sechs großen Privatbahnen abgeschlossen, allerdings nur für den Nahverkehr.
Die GDL lehnt einen Anschluss an diesen Vertrag aber ab und kritisiert, dass sich die EVG gegen die Arbeitgeber nicht richtig habe durchsetzen können. "Wir haben uns nicht über Jahrzehnte besser organisiert und zusammengehalten, um am Ende die Tarifergebnisse einer schwachen Gewerkschaft zu übernehmen", sagte Weselsky.
GDL und EVG konkurrieren um Kunden: Die GDL vertritt nach eigenen Angaben drei Viertel aller Lokführer. Darum sieht sich die Gewerkschaft allein berechtigt, Tarifverträge für Lokführer abzuschließen. Bei der DB hat die GDL das alleinige Mandat, für die Lokführer des Unternehmens zu verhandeln. Bei den Privatbahnen dagegen beansprucht auch die EVG für sich, die Lokführer zu vertreten.
Droht ein Endlosstreit wie 2007?
Vermutlich nicht. Beim Tarifstreit 2007 hatte auch die persönliche Abneigung zwischen dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn und Ex-GDL-Chef Manfred Schell eine Rolle gespielt. Zumindest solche persönlichen Faktoren spielen diesmal keine Rolle, versichern alle Beteiligten. Die GDL gibt sich überzeugt, dass ihre Streikdrohung Wirkung zeigen wird: "Die Frage ist, wann gehen sie auf uns zu?", sagte eine Gewerkschaftssprecherin.
Aktuell sieht die GDL die Arbeitgeber am Zug. "Sie haben es in der Hand, mit Angeboten diesen Tarifkonflikt vom Tisch zu kriegen", sagte GDL-Chef Weselsky. Die Bahn hat der GDL neue Verhandlungstermine an einem Runden Tisch vorgeschlagen, von einem neuen Angebot ist bislang nicht die Rede. Darauf aber beharrt die GDL als Bedingung für eine Absage der Warnstreiks.
DB-Personalvorstand Ulrich Weber nannte die Streikdrohungen "willkürlich". "Das verunsichert völlig unnötig unsere Kunden. Die GDL hat keinen sachlichen Grund, die Deutsche Bahn zu bestreiken", sagte er. Die privaten Betreiber sagten, ein Tarifvertrag mit der GDL könne nicht über das mit der EVG vereinbarte Niveau hinausgehen.
Der SPD-Politiker Peter Struck, der als Schlichter zur Tarifeinigung mit der EVG beigetragen hatte, sagte, er "bedauere sehr, dass die GDL das Angebot, an der Erarbeitung des Branchentarifvertrags im Rahmen meines Schlichtungsverfahrens mitzuwirken nicht genutzt hat".