Studie zur Finanzberatung Zu teuer, zu unrentabel, zu riskant

Studie zur Finanzberatung: Zu teuer, zu unrentabel, zu riskant
Foto: CorbisDer Finanzberater als windiger Verkäufer, der vor allem den eigenen Profit im Sinn hat und nicht das Wohl seines Kunden - dieses Vorurteil hält sich. Und beinahe genauso lange schon versucht die Zunft gegen ihr schlechtes Image anzukämpfen. Das Problem ist nur: In dem Klischee steckt Wahres. Das zeigt nun einmal mehr eine umfangreiche Studie, die die Verbraucherzentralen vorgestellt haben.
Mehr als 4000 Anlageprodukte und -offerten, die den Verbraucherschützern von vielen Hundert Ratsuchenden vorgelegt worden waren, haben die Fachleute für ihre Analyse ausgewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd - und für die Finanzindustrie ziemlich unangenehm.
95 Prozent der rund 360 Fonds, Versicherungen und anderen Investmentprodukte, die Mitarbeiter von Banken, Sparkassen und anderen Vertrieben Sparern zuletzt zum Kauf empfohlen hatten, erwiesen sich laut dem Bundesverband der Verbraucherzentrale (VZBV) bei genauerem Hinsehen als nicht bedarfsgerecht. Sprich: Sie waren zu teuer, zu unflexibel, zu unrentabel, zu riskant - oder gleich mehreres davon.
Auch der Blick in die bereits bestehenden Anlegerdepots fiel nicht viel erfreulicher aus. Von etwa 3500 Finanzprodukten, die sich bereits im Besitz der Kunden befanden, passten lediglich etwas mehr als die Hälfte auch zum Bedarf dieser Kunden, so der VZBV.
Missstand lange bekannt
Die Gründe für den Missstand sind in Deutschland seit Langem bekannt und werden auch vom VZBV nochmals benannt: Der Finanzvertrieb läuft hierzulande zum weitaus größten Teil provisionsgetrieben. Wie die Studienergebnisse vermuten lassen, orientieren sich Berater bei ihrer Arbeit daher offensichtlich allzu häufig vor allem an der Vergütung, die ihnen ein Produkt beschert. Ob dieses Anlageprodukt auch zum Bedarf des Kunden passt, zu seinem Anlagehorizont also beispielsweise oder zu seiner Risikoneigung, ist dann bestenfalls zweitrangig.
Hinzu kommt, dass viele Finanzvertriebe keineswegs unabhängig von einzelnen Anbietern agieren, seien dies Fondsgesellschaften, Banken oder Versicherer. Sie sind vielmehr häufig an einen Konzern gebunden - und verkaufen deshalb mit Vorliebe auch dessen Offerten.
So verdient eine ganze Industrie Jahr für Jahr Millionenbeträge auf Kosten der Sparer. Letzteren fehlt das Geld im schlimmsten Fall im Ruhestand für ihren Lebensunterhalt. "Schlechte Finanzempfehlungen können sich Verbraucher mit Blick auf ihre Altersvorsorge nicht leisten", sagt Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzmarkt beim VZBV.
Drei Maßnahmen notwendig
Um die Lage zu verbessern hält die Expertin vor allem drei Maßnahmen für erforderlich.
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Verkauf und Beratung müssen beim Thema Geldanlage strikt voneinander getrennt werden. Eine Lösung wäre beispielsweise die Honorarberatung, bei der der Anlageberater etwa auf Stundenbasis entlohnt wird. So hätten Sparer nicht weiter unter der Provisions-maximierung der Verkäufer zu leiden.
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Der Gesetzgeber soll klar vorgeben, wie eine ordentliche Finanzberatung auszusehen hat. Dabei sollte die Regierung festlegen, wie Berater auf Aspekte wie die Risikobereitschaft und -tragfähigkeit des Kunden oder die gewünschte Flexibilität eingehen.
- Nach Ansicht der Verbraucherschützer müssen alle Finanzprodukte und Dienstleistungen einheitlich reguliert und beaufsichtigt werden. Damit könnte dem Treiben auf dem grauen Kapitalmarkt ein Ende gesetzt werden, wo halbseidene Anbieter noch immer auf Bauernfang gehen können.
Tatsächlich hat sich die Bundesregierung in den vergangenen Jahren bereits mit verschiedenen Initiativen der Finanzdienstleistungsbranche angenommen. Beispiele sind das Kapitalanlagegesetzbuch aus dem Jahr 2013 und das Kleinanlegerschutzgesetz, das im Sommer dieses Jahres in Kraft getreten ist.
Aufgeschreckt wurde Berlin dabei unter anderem von öffentlichkeitswirksamen Anlageskandalen wie jenem um die Frankfurter Immobiliengruppe S&K, deren Verantwortlichen gegenwärtig vor dem Landgericht Frankfurt der Prozess gemacht wird. Auch von Seiten der EU kam Druck zur Verbesserung des Anlegerschutzes.
Nach Ansicht der Verbraucherschützer reicht das aber noch nicht aus. Auch bei der aktuellen Umsetzung der EU-Richtlinie "MifID 2" sieht der VZBV Verbesserungsbedarf. Das Gesetz sehe zwar eine Regelung zu einer Beratung vor, die unabhängig von Verkaufsinteressen erfolge, heißt es in einem VZBV-Papier. Der Verkauf konzerneigener Produkte solle aber weiterhin erlaubt bleiben.
So könne das anvisierte Ziel von Seiten der Finanzbranche leicht umgangen werden, warnen die Verbraucherschützer: Zwar falle der Anreiz durch Provisionen für die Finanzberater womöglich weg. Die Branche könnte ihre Vertriebler aber beispielsweise durch "einkalkulierte Gewinnmargen" auf andere Weise erneut ködern. Der Leidtragende wäre einmal mehr der Kunde.