Fotostrecke

Fotostrecke: Dreisteste Werbelüge 2012

Goldener Windbeutel 2012 Verbraucherschützer küren frechste Werbelüge

"Alkoholfreies" Bier mit Alkohol, Zuckertees für Kleinkinder und mit Wasser gestrecktes Hackfleisch, das als "fettarm" verkauft wird - welche Werbelüge ist die frechste? Die Verbraucherorganisation Foodwatch lässt darüber abstimmen - und die Firmen werden zunehmend nervös.

Für die Lebensmittelindustrie in Deutschland ist es ein unangenehmer Termin: Immer im Frühjahr lässt die Verbraucherorganisation Foodwatch die "dreisteste Werbelüge des Jahres" wählen, der Sieger erhält den "Goldenen Windbeutel". Fünf Kandidaten stehen zur Wahl - alle versprechen in ihren Werbebotschaften mehr, als sie nach Recherchen der Verbraucherorganisation halten. Mit der Kampagne will Foodwatch laut Eigenwerbung darauf aufmerksam machen, "wie Lebensmittelhersteller ihre Kunden systematisch hinters Licht führen".

An den Online-Abstimmungen für den "Goldenen Windbeutel" beteiligen sich jedes Jahr mehr Nutzer: Im vergangenen Jahr waren es schon fast 120.000, sie kürten die "Milch-Schnitte" von Ferrero zur dreistesten Werbelüge des Jahres. In den Vorjahren hatten Zotts "Monte Drink" und Danones "Actimel" den Preis geholt.

Die Herstellerfirmen reagieren auf die Foodwatch-Aktion zunehmend sensibel und dünnhäutig, denn die Veröffentlichungen haben sich als geschäftsschädigend erwiesen. Manche Preisträger versprachen sogar, Rezepturen und Werbeaussagen der beanstandeten Produkte zu ändern - die öffentliche Auseinandersetzung aber scheuen die Unternehmen offenbar immer noch.

Firmen verweigern Foodwatch den Kontakt

Jedes Jahr versucht Foodwatch den Preis direkt an die Hersteller zu übergeben - dazu melden die Verbraucherschützer eine Demonstration vor dem jeweiligen Firmensitz an. Die Unternehmen versuchten das im vergangenen Jahr zu verhindern: Stockmeyer war mit seinen "Ferdi Fuchs Mini-Würstchen" nominiert und weigerte sich vorsorglich per Fax, den Preis anzunehmen: "Die Geschäftsführung und alle anderen Mitarbeiter werden Ihnen an diesem oder späteren Tagen für Auskünfte und Stellungnahmen nicht zur Verfügung stehen." Auch der ebenfalls nominierte Hersteller der "nimm2"-Bonbons, Storck baute vor: "Wir gestatten Ihnen nicht, das Betriebsgelände zu betreten - auch nicht, um den Versuch einer Kontaktaufnahme zu unternehmen", heißt es in einem Schreiben an Foodwatch.

Auch in diesem Jahr machen sich die Verbraucherschützer keine Hoffnung, den "Goldenen Windbeutel" dem Preisträger direkt übergeben zu können. In der vierten Auflage der Abstimmung können Verbraucher bis zum 18. Juni auf der Foodwatch-Website abstimmen . Nominiert sind sehr unterschiedliche Produkte: Bier, Tees, Margarine und Hackfleisch. Der Discounter Netto bewirbt sein "Viva Vital Hackfleisch" mit dem Aufdruck "30 Prozent weniger Fett". Laut Foodwatch wird dieser Wert schlicht dadurch erreicht, dass 30 Prozent weniger Fleisch enthalten sind - das Produkt werde einfach mit Weizen und Wasser gestreckt. Der Verkaufspreis gegenüber reinem Hackfleisch ist dagegen 30 Prozent höher.

Zuckertee für Kleinkinder

Ein weiterer Kandidat für den "Goldenen Windbeutel" 2012 ist das Bier Clausthaler Classic von Radeberger. Das Bier enthält der Verbraucherorganisation zufolge 0,45 Vol.-Prozent Alkohol, weshalb es in anderen Ländern auch als "alkoholarmes" Bier gekennzeichnet sei. Weil auf deutschen Etiketten aber "alkoholfrei" steht, hat sich Clausthaler Classic für die "Windbeutel"-Wahl qualifiziert - auch wenn fast alle als alkoholfrei gekennzeichneten Biere in Deutschland bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten.

Auf der Kandidatenliste steht auch die Margarine "Becel pro-activ" - dem Unilever-Produkt sind hochkonzentrierte Pflanzensterine zugesetzt, die den Cholesterinspiegel senken. Foodwatch kritisiert die Herstelleraussage, dass es bei der Margarine "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe. Die Verbraucherschützer sehen das anders, Pflanzensterine stünden bei Wissenschaftlern im Verdacht, das Risiko für Herzkrankheiten zu erhöhen. Die Organisation hat Unilever deshalb bereits verklagt und fordert, Becel pro-activ nur auf Rezept und in der Apotheke zu verkaufen.

Auch zwei Früchtetees haben es auf die Kandidatenliste geschafft: Die Instant-Kindertees von Hipp für Kleinkinder ab dem 12. Lebensmonat basierten auf Zuckergranulat und enthielten umgerechnet zweieinhalb Stücke Würfelzucker pro 200-Milliliter-Tasse - "verantwortliches Marketing sieht anders aus", heißt es bei Foodwatch.

Schummelei wirft die Organisation auch der Firma Teekanne vor: Ihr Produkt "Landlust Mirabelle & Birne" wird mit dem Slogan "wie aus dem eigenen Garten" beworben, in Wirklichkeit sei es ein Standard-Industriefrüchtetee, der nur teurer verkauft werde - die auf der Packung abgebildeten Mirabellen seien in dem Teebeutel gar nicht zu finden.

Die Hersteller der nominierten Produkte weisen die Vorwürfe der Verbrauchertäuschung zurück, die Kennzeichnungen seien vorschriftsmäßig. Illegal, das macht allerdings auch Foodwatch klar, sind alle diese Werbeaussagen nicht - sie stifteten nur nachhaltige Verwirrung.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren