Greenwashing-Vorwurf Verbraucherschützer überziehen Konzerne mit Abmahnungen

Autoabgase: Gibt es einen "umweltfreundlichen CO2-Ausstoß"?
Foto: Andreas Rentz/ Getty ImagesEine alte Werbeweisheit besagt, dass man eine Lüge nur oft genug wiederholen muss, bis sie geglaubt wird. Die deutsche Automobilindustrie ist mit einer selbstgesponnenen Legende zur Zeit ganz nah dran an einer neuen Wahrheit. Es ist die Geschichte von Autos, die vor Seen und in Urwäldern stehen und so ecoflex und bluemotion sind, dass man sich quasi wundert, weshalb sie nicht gleich zu blühen anfangen. Garniert wird der Reklametraum gern mit entsprechend grotesker Philosophie: Opel etwa wies bei einem Insignia-Modell, das vor einem Wasserfall steht, auf den besonders "umweltfreundlichen CO2-Ausstoß" hin.
Ähnlich kreativ sind die VW-Kollegen, die in einer Broschüre ihren mit 239 Gramm CO2 pro Kilometer ziemlich unökologischen Phaeton mit dem Satz dekorierten: "So hinterlässt der V6 TDI nur geringe Schadstoffmengen in der Luft - und ein reines Gewissen bei Ihnen." Das sei vor allem in Bezug auf das Vorgängermodell und das Wettbewerbsumfeld gemeint gewesen, erklärt eine Konzernsprecherin.
Neuerdings jedoch gehen die Verbraucherzentralen massiv gegen solche Umweltkosmetik vor. Mehr als ein Dutzend Abmahnungen wegen Verbrauchertäuschung verschickten sie in den vergangenen Wochen - auch an die beiden Autohersteller. Die dicke Luft, die diese Oberklassekarossen erzeugten, sei "alles andere als umweltfreundlich", kritisiert Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands.
Billen mahnte ab - und die Hersteller gaben nach: Sie schickten Unterlassungserklärungen.
Doch seit sich Umweltverträglichkeit immer besser verkaufen lässt, wimmelt es nur so von vermeintlich nachhaltigen Produkten - und dem Konsumenten schwirrt der Kopf: Kann er wirklich hier mit ein paar Cent den Regenwald retten und dann mit "zero Emission" nach Hause fahren? "Es gibt eine Inflation irreführender Geschäftspraktiken", sagt Billen.
Die Industrie kapituliert meist sofort
Für ihre Offensiven nutzen die Verbraucherschützer immer häufiger das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das die Täuschung von Konsumenten verbietet. Die Industrie kapituliert meist sofort: Die Edeka-Tochter Marktkauf etwa schickte der Hamburger Verbraucherzentrale gleich fünf Unterlassungserklärungen.
Man hatte Gefrierschränke als "Öko" beworben, die gar nicht so öko und auch nicht mehr die neuesten waren, so der Vorwurf. Zudem war mit Selbstverständlichkeiten wie "FCKW-frei" geworben worden. Das Kühlmittel ist allerdings schon seit Jahren verboten.
Auch Karstadt gab klein bei: Ein Notebook mit "Super Hybrid Engine" verbrauche - so hieß es im Prospekt - angeblich 35 Prozent weniger Strom. Weniger als was? Das blieb das Geheimnis der PR-Abteilung.
Lange Zeit, sagt Reiner Münker, Chef der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg und damit eine Art Marktaufseher, seien mit dem Wettbewerbsrecht vor allem überhöhte Preise und mangelnde Qualität attackiert worden. "Jetzt geht es zusehends gegen die Sozialstandards und Nachhaltigkeitsversprechen der Unternehmen."
"Soziales Mäntelchen"
So auch bei Lidl. "Wir handeln fair", hatte der Discounter vertrauensvoll in Anzeigen behauptet. Garniert war die Werbung mit einem seriös wirkenden Siegel des BSCI. Doch diese "Business Social Compliance Initiative" ist keine unabhängige Prüfinstanz. Sie ist eine Art sozialer Vollkaskoschutz, den Einzelhändler wie Lidl und Metro für sich erfanden. Als BSCI-Mitglied sorge man "weltweit für faire Arbeitsbedingungen", behauptete Lidl noch im Januar.
Die Verbraucherzentrale Hamburg und die Kampagne für Saubere Kleidung sahen das anders. Lidl, so deren Argumentation, hänge sich nur ein "soziales Mäntelchen um" und erschleiche sich damit einen Wettbewerbsvorteil. Die Menschenrechtler hatten Zulieferfabriken in Bangladesch untersucht und sich von Näherinnen die "unmenschlichen Arbeitsbedingungen" dort schildern lassen. Nach einigem Zögern gaben auch die Lidl-Juristen vorvergangene Woche eine Unterlassungserklärung ab.
Während sich die Industrie in anderen EU-Ländern wie Norwegen, Frankreich und Großbritannien immerhin freiwillig der Prüfung ihrer Öko-Slogans unterwirft, wird hierzulande weiter getäuscht und getrickst.
Renault will sich wehren
Billens nächster Angriffspunkt ist deshalb die vermeintlich "emissionsfreie Mobilität" von Elektrofahrzeugen. Er hat nichts gegen die Technik, seine Kritik richtet sich gegen den Mythos vom sauberen Autofahren. Die Propaganda mit "zero Emission" verführe viele Käufer, so Billen - obwohl die Hersteller "weit entfernt sind von emissionsfreier Mobilität". Gerade 16 Prozent beträgt der Anteil regenerativer Energien am deutschen Strommix.
Dass hier nur der Fahrbetrieb gemeint sei, wie die Produzenten versichern, werde in der Werbung nicht klar. Die Verbraucherzentrale mahnte nun gleich vier Autohersteller ab: Mitsubishi, Renault, Daimler (Smart) und BMW. Renault will sich "wehren", ein Mitsubishi-Sprecher ließ gar wissen, man werde die Zero-Emission-PR keinesfalls unterlassen.
Verbraucherschützer Gerd Billen dagegen lässt das kalt. "Auch die", behauptet Billen, "werden bald einknicken."