Griechenland Wenn einem Land das Geld ausgeht

In Griechenlands Geschäften wird das Wechselgeld knapp. Unternehmer wissen nicht, womit sie ihre Einfuhren bezahlen sollen. Die Arbeit ruht vielerorts. Einblicke in eine Ökonomie auf dem Weg zur Tauschwirtschaft.
Santorini, Griechenland: Jeder Grieche darf pro Tag nur noch 60 Euro abheben

Santorini, Griechenland: Jeder Grieche darf pro Tag nur noch 60 Euro abheben

Foto: CATHAL MCNAUGHTON/ REUTERS

Vor dem Geldautomaten im hellenischen Parlament sind alle Griechen gleich, auch die Abgeordneten. Maximal 60 Euro dürften sie noch pro Tag von ihrem Konto abheben. Doch leider gibt es keine kleinen Scheine mehr.

Die Zehner gingen der Staatsbank schon am vergangenen Dienstag aus, er folgten die Fünfer und schließlich die Zwanziger. Und so wedeln die Damen und Herren Parlamentarier nun mit ihren gerade erstandenen Fünfzigern vor einem Sesamkringelverkäufer herum, der immer verzweifelter aussieht, weil er nicht wechseln kann.

Noch ist Griechenland ein Mitglied der Eurozone. Doch seit die Regierung am vergangenen Montag den Kapitalverkehr eingeschränkt hat, fühlt es sich im Alltag schon nicht mehr so an. Die großen Supermarktketten sind die Letzten, bei denen die Kunden noch mit Karte bezahlen können; die anderen bestehen auf Bargeld, sogar die Fluggesellschaften. Jedenfalls dann, wenn es sich um griechische Kunden handelt.

Jahrzehntealte Geschäftsbeziehungen werden über Nacht gekündigt; Lieferanten verlangen Vorkasse, zumal sie ja auch keinen Kredit mehr bekommen. Hält die Wirtschaft das aus? Ausländische Waren kommen nur noch spärlich ins Land. Sie müssten im Voraus bezahlt werden - aber wie?

In vielen Unternehmen ruht die Arbeit

So es sich nicht um den Einkauf von Medikamenten handelt, dürfen Griechen kein Geld mehr ins Ausland überweisen. Und so wartet die Athener Müllabfuhr vergeblich darauf, dass ihre defekten Einsatzfahrzeuge repariert werden können, denn es fehlen Ersatzteile aus Deutschland.

In vielen Unternehmen wird kaum noch gearbeitet. Athanassios Kelemis, Chef der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen, sagt, dass viele Firmen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit oder unbezahlten Urlaub geschickt haben, weil es nicht genug zu tun gibt.

Kelemis sitzt in einem kleinen Büro zwischen hohen Aktenstapeln, an den Wänden hängen historische Reklameanzeigen, mit denen deutsche Unternehmen einst in griechischen Zeitschriften für ihre Produkte warben: Volkswagen, Braun-Rasierer, Tempo-Taschentücher.

Jetzt muss sich sogar seine von der deutschen Regierung subventionierte Handelskammer Sorgen um die Zukunft machen, denn ihr Beratungsgeschäft für deutsche Firmen, die in Griechenland investieren wollen, läuft schlecht. Er könne beim besten Willen niemanden empfehlen, sein Geld nach Griechenland zu bringen, sagt Kelemis.

Keine Kakaobutter, keine Schokolade

Eine halbe Autostunde vom Athener Zentrum entfernt sitzt die Firma Chocotime und produziert Schokolade für den Weltmarkt. Stelyos Bostantzioglu führt das Unternehmen in der dritten Generation, sein Großvater, ein Kandishändler, hat es vor hundert Jahren in Konstantinopel gegründet.

Und weil er bislang ganz gut durch die Krise kam, hatte Bostantzioglu gehofft, die Firma demnächst an seinen Sohn übergeben zu können. Doch um Schokolade herzustellen, braucht es Kakaobutter aus Afrika oder Mittelamerika - und Bostantzioglus Vorräte gehen zur Neige. Sein Lieferant, ein griechischer Importeur, bekommt keine Ware.

Und dann gibt es da noch das Problem mit den Benzinrechnungen, denn auch die Fahrer der Kühltransporter müssen an der Tankstelle jetzt immer mit Cash bezahlen. "Das Vertrauen: alles weg", sagt Bostantzioglu, Griechenland sei auf dem Weg zur Tauschwirtschaft, wie in der Dritten Welt.

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