Prognose für 2014 Grüne warnen vor rapidem Anstieg der Stromnetz-Rabatte

Stromleitungen in Hessen: Kostenschub für 2014 erwartet
Foto: Uwe Zucchi/ dpaBerlin/Hamburg - Netzentgelte machen rund ein Viertel des Strompreises aus. Doch ausgerechnet Betriebe, die viel Strom verbrauchen, müssen sie oft gar nicht bezahlen. Stattdessen werden sie auf die anderen Verbraucher umgewälzt. In diesem Jahr könnten Privatkunden und Kleingewerbe allein wegen der Netzentgelt-Umlage zusätzlich mit 805 Millionen Euro belastet werden. Und dieser Betrag könnte im kommenden Jahr voraussichtlich noch einmal kräftig steigen - auf rund 1 bis 1,2 Milliarden Euro. Das ergibt eine Kurzstudie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.
Das Ergebnis überrascht, weil die Privilegien ab dem kommenden Jahr eigentlich gestutzt werden sollen: Statt völlig verschont zu werden, sollen Unternehmen, die über mehr als 7000 Stunden insgesamt mehr als zehn Gigawattstunden im Jahr verbrauchen, 10 bis 20 Prozent der Netzentgelte zahlen. Dadurch sollen energieintensive Industriezweige wie die Stahl- oder Chemiebranche im internationalen Wettbewerb weiterhin geschützt werden. Zudem werden die Hürden für Abnehmer "mit einer zeitlich begrenzten hohen Leistungsaufnahme" erhöht. Diese erhalten bislang zwar keine vollständige Befreiung, aber einen kräftigen Rabatt auf die Netzentgelte. Dadurch werden etwa auch Golfplätze begünstigt.
Die Bundesregierung hatte die Änderung der entsprechenden Verordnung bereits im Mai beschlossen, an diesem Freitag soll der Bundesrat darüber entscheiden. Dass Privatkunden und Kleingewerbe 2014 für die Netzentgelt-Rabatte der Großverbraucher selbst dann tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn die Änderung abgesegnet würde, hat der Studie zufolge mehrere Gründe:
- Die vorgesehenen Rabattkürzungen verpuffen 2014 unter anderem, weil in diesem Jahr eine laut Studie "große Zahl von neuen Anträgen" auf die hohen Rabatte eingegangen ist. Würde die Höhe der Netzentgelte also im kommenden Jahr gleich bleiben, summierten sich die Privilegien weiter auf 805 Millionen Euro.
- Die Netzentgelte dürften im kommenden Jahr aber signifikant steigen. Davon gehen der Analyse zufolge auch verschiedene Netzbetreiber und Stromversorger aus, bei denen das FÖS eine Umfrage durchgeführt hat. Grund dafür sind demnach unter anderem Investitionen für den Anschluss von Offshore-Windparks an das Stromnetz oder das Vorhalten von Reservekraftwerken. Das FÖS schätzt die Größenordnung des Anstiegs auf 10 bis 20 Prozent - was für sich allein bereits eine Verteuerung des Strompreises von im Schnitt 0,6 bis 1,2 Cent pro Kilowattstunde bedeuten würde. Wenn die Netzentgelte an sich teurer werden, erreichen logischerweise auch die Rabatte ein größeres Volumen - der Analyse zufolge steigt die Umlage deshalb um 80 bis 160 Millionen Euro.
- Zudem müssen Verbraucher der Studie zufolge im kommenden Jahr noch für das Jahr 2012 nachzahlen. Die Höhe der damaligen Umlage war im Herbst 2011 festgelegt worden, allerdings reichten viele Großverbraucher erst danach ihre Anträge ein. Dadurch deckte die Umlage nicht die entstandenen Kosten, der Fehlbetrag wird per Aufschlag für 2014 wieder hereingeholt. Die Analyse geht von einem Betrag von 150 bis 200 Millionen Euro aus.
Die Autoren betonen allerdings nachdrücklich, dass ihre Analyse lediglich eine ungefähre Größenordnung der Netzentgelt-Umlage für 2014 darstelle. Denn die Entwicklung sei von zu vielen Variablen abhängig. Zudem sei es schwer, die Anzahl der Anträge und die Höhe der befreiten Strommenge zu beziffern, da das ganze Verfahren recht intransparent sei - etwa im Gegensatz zu den Rabatten bei der EEG-Umlage, bei der die Anträge zentral bei der Bundesnetzagentur erfasst werden.
Dabei stehen die Subventionen für die stromintensiven Betriebe bereits von zwei Seiten stark unter Druck: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die vollständige Befreiung von den Netzentgelten im März dieses Jahres als verfassungswidrig eingestuft. Zudem hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil sie hinter der Regelung unerlaubt Beihilfen vermutet.
Die Grünen möchten die Neuregelung, die Großverbrauchern immer noch einen Rabatt von 80 bis 90 Prozent einräumt, am Freitag im Bundesrat am liebsten ganz stoppen. Sie vermuten dahinter politisches Kalkül. "Dort will die Bundesregierung die Ausnahmen bei den Netzentgelten durch kleine Änderungen nachträglich gerichtsfest machen", sagt Vizefraktionschefin Bärbel Höhn.
Sorgen bereiten den Grünen auch die starken Rabatte für Wirtschaftszweige, für die sie eigentlich nicht gedacht waren: "Es ist nicht plausibel, warum vornehmlich die privaten Haushalte die Netzentgelte von Golfplätzen, Aldi oder dem Braunkohleabbau mitbezahlen müssen."