Hermann-Josef Tenhagen

Immobilienkauf in der Coronakrise Ein eigenes Haus? Ausgerechnet jetzt?

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Trotz des Wirtschaftseinbruchs fallen die Preise für Immobilien bislang nicht - doch das kann noch kommen. Ist es tatsächlich sinnvoll, mitten in der Krise eine Immobilie zu kaufen?
Neubausiedlung in Nordrhein-Westfalen (Archivbild)

Neubausiedlung in Nordrhein-Westfalen (Archivbild)

Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa

Eigentlich ist die wirtschaftliche Logik eindeutig: Wenn die Einkommen vieler Menschen zurückgehen, sollten auch die Preise für Immobilien fallen, denn wer kein Geld mehr hat, kann es nicht für Immobilien ausgeben. Oder noch etwas pointierter: Wohnen muss man zwar, Kaufen aber nicht.

Die Bundesbank hat diesen Zusammenhang zuletzt 2019 in einem Monatsbericht  klar formuliert: "Die anhaltend kräftige Wohnraumnachfrage speiste sich (…) zu einem Großteil aus den guten Einkommensaussichten der privaten Haushalte und den äußerst günstigen Arbeitsmarktbedingungen." Auch wenn die Bundesbank von Übertreibungen in Großstädten sprach, der langfristig einzig verlässlichste Indikator für die Entwicklung von Immobilienpreisen in der Region ist die Entwicklung der regionalen Einkommen. Deswegen sind die Preise in Berchtesgaden auch deutlich höher als in Bottrop, von München versus Duisburg ganz zu schweigen.

Doch jetzt fallen Jobs weg, Millionen Beschäftigte gehen in Kurzarbeit - und die Preise steigen trotzdem. Das klingt zunächst paradox.

Im Juni hatte das Statistische Bundesamt fürs erste Quartal 2020 noch einmal Preissteigerungen  von fast sieben Prozent, in Großstädten von fast zehn Prozent ermittelt. Wie kann das sein?

Das hat insgesamt drei Gründe.

Der erste: Es dauert eine Weile, bis solche wirtschaftlichen Entwicklungen bei den Immobilienpreisen ankommen. Schon im ersten Quartal 2020 war die einzige Investition, die in Deutschland tatsächlich noch zunahm, die in Wohnimmobilien. Viele Projekte waren zu dieser Zeit lange geplant und fast fertig. Besonders teure Immobilien wurden weiterhin angeboten und gekauft .

Und wer schon im eigenen Haus wohnt, mobilisiert hierzulande alle verfügbaren Reserven, bevor er oder sie in der Krise an den Verkauf seiner Immobilie denkt. Was oft auch sinnvoll ist. Denn selbst nach einem Verkauf bleibt wegen der Nebenkosten oft ein Schuldenberg übrig.

Das Resultat: Eine Verkaufsschwemme bleibt zunächst aus. Sie könnte am Ende aber doch noch kommen - vor allem, wenn uns eine zweite große Corona-Infektionswelle trifft.

Das vernünftige Klammern ans eigene Haus ist in Deutschland vielleicht noch ausgeprägter als sonst auf der Welt. Verhältnisse wie in einigen US-Bundesstaaten, wo der finanziell überforderte Käufer einfach den Schlüssel herumdreht  und das Haus der finanzierenden Bank überlässt, ohne weitere gravierende finanzielle Konsequenzen fürchten zu müssen, die sind in Deutschland nicht denkbar.

Zum Autor
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Micha Kirsten / Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen (Jahrgang 1963) ist Chefredakteur von »Finanztip«. Der Geldratgeber ist Teil der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. »Finanztip«  refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links. Mehr dazu hier .

Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.

Zum zweiten sind die freien Einkommen vieler Immobilienkäufer und -besitzer gar nicht gefallen. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erreichen längst noch nicht jeden Arbeitnehmer und jeden Selbstständigen. Viele können sich über sichere Jobs und Einkommen freuen.

Die Coronakrise hat sogar einen entgegengesetzten Effekt: Die verfügbaren Einkommen eines größeren Teils der Menschen steigen sogar. Ich spreche hier nicht von den Rentnern, die im Juli eine ordentliche Erhöhung bekommen haben, und die ihre Kreditraten, wenn sie denn noch welche zahlen müssen, stemmen können sollten – sondern von den vielen Beschäftigten, deren Lebenshaltungskosten gesunken sind, weil sie das Geld gar nicht ausgeben können.

Ausgaben für den Fitnessclub, Bars, Theater und Restaurants sind lange entfallen, Ausgaben für den großen Urlaub auch. Und der Kauf teurer Bekleidung und vieler anderen Waren des nicht ganz täglichen Bedarfs war auf dem ersten Höhepunkt der Coronakrise nicht möglich – und jetzt macht es keinen Spaß. Der Konsum in Deutschland ging daher deutlich zurück. Das Statistische Bundesamt sprach gleichzeitig von einer Sparquote von über 16 Prozent  - solche Zahlen gab es vorher noch nie.

Und drittens gibt es noch statistische Effekte: Wenn in der Krise deutlich weniger Immobilien verkauft werden, aber vor allem die teuren Objekte über den Tisch gehen, dann wirkt das so, als ob die Preise gestiegen seien, dabei ist nur der Durchschnittspreis der verkauften Immobilien gestiegen.

Fassen wir also zusammen. Der Immobilienmarkt ist in Bewegung. Wer jetzt am Kauf interessiert ist, der sollte also die Augen offen halten. Hier die wichtigsten Tipps für den Hauskauf in der Coronakrise:

  1. Rechnen Sie damit, dass Immobilien kurzfristig jedenfalls nicht viel preiswerter werden. Wer hartgesotten ist, kann auf Krisensymptome im Winter warten. Vielleicht gibt es dann die ersten Zwangsversteigerungen . Einen guten Überblick zu diesen Zwangsversteigerungen liefert bundesweit das entsprechende Portal der deutschen Amtsgerichte . 18.000 Zwangsversteigerungen gab es 2019, damals noch Tendenz fallend. Schauen lohnt in jedem Fall: Es könnten sich langsam die ersten guten Angebote zeigen.

  2. In vielen Bundesländern spricht die anstehende Veränderung der Maklervergütung  fürs Abwarten. Ab Weihnachten muss der Verkäufer mindestens die Hälfte der Maklercourtage zahlen, auch in Bundesländern wie Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen, in denen der Käufer bislang alles zahlen muss. Eine Musterrechnung: Bei 300.000 Euro Kaufpreis wurden in Berlin zum Beispiel bis zum Juni 21.420 Euro fällig, ab 2021 nur noch 10.710 Euro. Die Neuregelung tritt am 23. Dezember in Kraft. Mit besonders gutem Timing und einem Kauf zwischen Weihnachten und Silvester sparen Sie die Courtage und auch einen Teil der gerade gesenkten Mehrwertsteuer – dann sind es nur 10.440 Euro.

  3. Die Auswahlkriterien für Immobilien können sich in Corona-Zeiten ändern. Wer damit rechnet, häufiger in Home-Office arbeiten zu müssen oder zu dürfen, möchte gern das zusätzliche Arbeitszimmer haben. Die Immobilienwirtschaft rechnet jedenfalls damit, dass der klassische Bürobedarf deutlich einknickt . Und Sie: Statt der 4-Zimmer-Wohnung mit 100 qm Wohnfläche, dann doch lieber die 5-Zimmer-Wohnung mit 110 qm Wohnfläche? Dafür gern auch ein bisschen weiter draußen, die Fahrzeit zur Arbeit wird ja insgesamt kürzer, wenn ich nur noch zweimal pro Woche ins Büro muss . Bahnanschluss sollte aber schon sein, sonst braucht die Familie zwei Autos und die schönen Einsparungen der preiswerteren Wohnung sind schnell dahin. Die laufenden Kosten des zweiten Autos erreichen schnell 500 Euro im Monat. Dafür kann man aktuell locker 100.000 Euro mehr Haus finanzieren.

  4. Ort und Art der Immobilie entschieden, Timing-Frage geklärt. Dann können Sie mit dem Rechner ermitteln , welchen Preis Sie sich leisten können. Die Zinssituation kommt Ihnen nach wie vor entgegen. Ein Kredit mit 15 Jahren Laufzeit ist – je nach Gesamtbelastung der Immobilie – immer noch unter ein Prozent Zinsen zu haben. Sorgen um die Finanzierung müssen Sie sich auch nicht machen. Kredite für Wohnimmobilien sind der einzige Bereich, wo die Banken auch in der Krise gerne Geld geben. Eine "Lockerung der Kreditbedingungen" sei hier geplant, so die Geschäftsbanken zuletzt gegenüber der Bundesbank .

  5. Um die günstigste Bank zu finden, lohnt es sich bei Baufinanzierungsportalen wie Dr. Klein, Interhyp oder PlanetHome Finanzierungskonzepte und Angebote vergleichen zu lassen. Mit diesen guten Angeboten können Sie dann Ihre Hausbank herausfordern, wenn Sie noch eine haben. Der günstigste Anbieter gewinnt – und Sie als Kunde in jedem Fall auch. Schon 0,2 Prozent Zinsunterschied machen bei 300.000 Euro Kredit fast 6000 Euro Unterschied in den ersten zehn Jahren.

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Das alles aber nur, wenn Ihr erspartes Eigenkapital (idealerweise sollte es die Nebenkosten und 20 Prozent des Kaupreises abdecken) reicht und Ihr Einkommen auch in Zukunft einigermaßen sicher fließt.

Viel Erfolg!

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