Teures Bauen 47.000 Euro für ein Loch

Teure Entsorgung von Bodenaushub (Archivfoto)
Foto: Müller-Stauffenberg/ imago imagesWohnhäuser, Geschäftsbauten, Industriehallen: Thomas Reimann baut Gebäude aller Art. Der 58-Jährige leitet die Alea AG, einen Betrieb mit rund hundert Mitarbeitern in Frankfurt am Main. Reimann ist Bauunternehmer, doch in jüngster Zeit kommt es ihm vor, als gehöre er eher dem Logistikgewerbe an.
Um Erde aus Baugruben fachgerecht zu entsorgen, lässt er Kolonnen von Laster den Aushub zu Deponien fahren. Stundenlang sind sie mit ihrer bröckeligen Fracht unterwegs, von der Rhein-Main-Region geht es oft bis Mittelhessen und zurück. Manchmal steuern die Fahrer auch Süd-Thüringen an oder sogar die Niederlande. "Wir schicken Flotten von Lkw durch die Republik", sagt Reimann.
Dieser "Aushub-Tourismus", wie er sagt, ärgert ihn, die Praxis geht ins Geld. Reimann rechnet vor: Bei einem Bauprojekt in Bad Homburg, einem gewöhnlichen Einfamilienhaus, transportierten hundert Lastwagen rund 1600 Kubikmeter Erdaushub zu einer Deponie im Raum Wetzlar, hin und zurück eine Strecke von etwa 130 Kilometern. Die Ausgaben für Transport und Entsorgung summieren sich laut Reimann auf rund 47.000 Euro. Vor vier Jahren hätte ein vergleichbares Projekt 20.000 Euro weniger gekostet, sagt er.
Betreiber arbeiten am Limit
In Deutschland steigen die Immobilienpreise, nicht nur weil Grundstücke, Handwerker und Baumaterial ständig teurer werden - jetzt wird sogar die Entsorgung der Erde aus der Baugrube zum relevanten Kostenfaktor. Der Grund: In manchen Regionen herrscht eklatanter Mangel an Deponien, der Boden lässt sich kaum noch ortsnah entsorgen.
Viele Betreiber arbeiten am Limit. Besonders eng ist es laut Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber in Hessen, im Norden von Rheinland-Pfalz, aber auch in Berlin und Brandenburg. Dort seien die Kapazitäten vor allem für gering belastete mineralische Abfälle in wenigen Jahren erschöpft, wenn nichts geschehe.
Die Knappheit treibt die Entsorgungspreise in die Höhe. In Problemregionen, etwa in Mittelhessen, haben sich die Kippgebühren laut Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen in den vergangenen vier bis fünf Jahren nahezu verdoppelt.

Baustelle in Hessen: Zur Deponie und zurück sind es 130 Kilometer
Foto: ALEAVor einem "Entsorgungsnotstand" warnen Bauverbände und Abfallverwerter, zumal der gegenwärtige Immobilienboom die Nachfrage nach Deponien zusätzlich befeuert. Bauabfälle machen immerhin rund 60 Prozent sämtlicher Abfälle in Deutschland aus. Der Entsorgungsbedarf ist enorm, er lässt sich kaum stillen, zumal sich an vielen Orten Widerstand regt gegen neue Deponien oder die Erweitung bestehender Standorte.
Früher hat Bauunternehmer Reimann den Erdaushub von Frankfurt rund 25 Kilometer südwestlich nach Flörsheim-Wicker fahren lassen. Die Stilllegung der dortigen Deponie ist jedoch seit Langem beschlossen, eine Erweiterung des Areals lehnen viele Anwohner ab. Die Flörsheimer Stadtverordneten haben vor Weihnachten fraktionsübergreifend eine Resolution gegen ein solches Vorhaben verabschiedet. Der Regierungsbezirk Darmstadt, der Südhessen umfasst, hat innerhalb von fünf Jahren 43 Prozent seiner Deponiekapazität verloren.
Die Entsorgungsengpässe rühren allerdings auch daher, dass die Umweltauflagen für Erdarbeiten schärfer geworden sind - und deshalb größere Bodenmengen als früher überhaupt in Deponien gelangen. Manches von dem, das einst auf dem Acker oder in der Kiesgrube landete, muss der Bauherr heute aufwendig entsorgen.
Schon an der Baugrube wird eine erste Bodenanalyse vorgenommen, später folgt oft noch eine zweite Probe. Finden sich zum Beispiel gewisse Mengen an Schwermetallen wie Arsen oder Nickel darin, wird das Material als belastet klassifiziert. Selbst Äste oder Wurzeln gelten schon als Verunreinigung.
Noch macht jedes Bundesland eigene Vorgaben
Der Umgang mit den Erdaushub wird Bauunternehmern zusätzlich erschwert, weil jedes Bundesland eigene Vorgaben macht, wie mineralische Abfälle zu verwerten sind. Der Bund will die Regeln in einer sogenannten Mantelverordnung vereinheitlichen, im März soll eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Umweltministeriums dazu einen Entwurf vorlegen, so lautet zumindest der Plan: Bund und Länder ringen seit 14 Jahren um ein Ergebnis.
Der Frankfurter Baumanager Reimann wird vorerst weiter seine Erdtransporte durchs Land karren müssen, was nicht nur teuer ist, sondern auch die Umwelt belastet. Für die Entsorgung der Erde aus der Baugrube in Bad Homburg legten die Laster rund 13.000 Kilometer zurück, die Strecke entspricht einem Drittel des Erdumfangs. Sie verbrauchten fast 4000 Liter Diesel.