Inflation in Deutschland Diese Produkte sind teurer geworden

Die Frage, was ein Liter Benzin kostet, brachte Olaf Scholz zuletzt in die Bredouille. Dem SPD-Kanzlerkandidaten wurde die Antwort »Ich gehe selber nicht tanken« im »Bild«-Interview später als abgehoben ausgelegt. Angesichts der Inflation an der Zapfsäule könnte man Scholz jedoch zugutehalten, dass es gar nicht so leicht ist, den Überblick zu behalten. 1,50 Euro oder 1,60 Euro für einen Liter Super sind inzwischen auch abseits der Autobahn nicht mehr ungewöhnlich .
Die hohen Spritpreise sind zusammen mit dem Heizöl der wichtigste Treiber der Inflation. Um 2,3 Prozent lagen die Verbraucherpreise im Juni insgesamt höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt an diesem Dienstag mitteilte. Die detaillierten amtlichen Zahlen folgen erst mit ein paar Wochen Verspätung. Doch auch aus den Zahlen für Mai und aktuelleren Schätzungen von Branchenexperten lässt sich ablesen, für welche Produkte die Preise im vergangenen Jahr besonders deutlich gestiegen sind. Schauen Sie dazu in die Fotostrecke:

Was teurer geworden ist
Die Daten zeigen: Nicht nur Energie ist teurer geworden, auch für andere Produkte müssen Verbraucherinnen und Verbraucher inzwischen deutlich mehr zahlen. Zum Teil liegt das an der Coronakrise, in der etwa E-Bikes und Fahrräder genauso boomten wie Blumen und Pflanzen. Dienstleistungen kosteten 1,6 Prozent mehr.
Andere Preissteigerungen sind jedoch nur schwer zu fassen und haben ganz unterschiedliche Gründe – zum Beispiel im Bereich Lebensmittel. Weltweit waren die Preise für Lebensmittelrohstoffe zuletzt kräftig gestiegen. Der Index der Uno-Organisation für Lebensmittel und Landwirtschaft (FAO) kletterte um fast 40 Prozent, besonders Fette sind demnach merklich teurer geworden. Diese Situation kann in ärmeren Ländern, in denen die Menschen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Essen aufwenden müssen, zu Belastungen führen.
Hierzulande ist das weniger spürbar. Das liegt vor allem daran, dass die teurer gewordenen Lebensmittel im deutschen Warenkorb, der den Inflationsberechnungen des Statistischen Bundesamts zugrunde liegt, eine deutlich geringere Rolle spielen. Außerdem sind andere Nahrungsmittel, wie etwa Gemüse, kaum teurer geworden. Insgesamt waren Nahrungsmittel laut Statistischem Bundesamt im Juni 1,2 Prozent teurer als im Vorjahresmonat.
Doch es gibt Unterschiede, wie Thomas Els, Marktanalyst bei der Agrarmarkt Informationsgesellschaft berichtet. Während Obst und Gemüse im Frühjahr noch teils deutlich teurer waren, haben sich die Preise hier insgesamt nun stabilisiert. Die Monate, in denen wegen des nassen und kalten Frühjahrs im Supermarkt teils zehn Euro für ein Kilo Paprika fällig wurden, sind vorbei. Els rechnet für Juni bei Obst und Gemüse mit einer Preissteigerung von nur noch 0,5 Prozent.
Die Preise für Brot und Brötchen liegen deutlich im Plus. Die AMI schätzt für Juni Preissteigerungen von vier Prozent. Ein Grund könnten auch hier höhere Kosten für Energie sein. Die von den Produzenten und Händlern oft ins Feld geführten Getreidepreise dagegen sind dem Göttinger Agrarökonomen Achim Spiller zufolge nur für einen kleinen Teil der Teuerung verantwortlich.
Bei Getreideprodukten liege der Anteil der Landwirte an den Verbraucherausgaben unter zehn Prozent, erklärt Spiller. »Brötchenpreise lassen sich deshalb mit den Schwankungen der globalen Weizenpreise kaum erklären, sondern haben eher etwas mit den coronabedingten Mehrkosten von Bäckereien zu tun.« Manchmal versuchten Unternehmen auch, die Preisschwankungen als Begründung für Preiserhöhungen auszunutzen.
Wie trügerisch die Preissteigerungsraten im Vergleich zum Vorjahr sein können, zeigt das Beispiel Erdbeeren. So liegt das Preisniveau hier laut AMI im Juni 2021 sogar leicht unter dem des Vorjahres. Allerdings waren die Preise für Erdbeeren im Juni 2020 auch um etwa ein Drittel höher als im Juni 2019. Grund hierfür ist vor allem der in der Pandemie teure Einsatz von Erntehelfern.
Auch Kaffee ist zuletzt vielerorts teurer geworden. Branchenriese Tchibo hatte zuletzt Preiserhöhungen von knapp einem Euro je Pfund angekündigt, die Internationale Kaffee-Organisation sprach von einer Preisrally inmitten eines erwarteten Produktionsrückgangs.
Mit der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie steigt auch die Nachfrage nach dem Treibstoff der Büros wieder an, zugleich gibt es im wichtigen Produktionsland Kolumbien Straßen- und Hafenblockaden, und Trockenheit lässt die Ernte in Brasilien schrumpfen. Besonders die beliebten Arabica-Bohnen sind daher teuer.
Trotz dieser vereinzelten Steigerungen bei Energie oder Lebensmitteln warnt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann vor einer übertriebenen Inflationsangst. »Viele Menschen sorgen sich, dass mit der wirtschaftlichen Erholung die Inflation zurückkehren könnte«, sagte Weidmann bei einer Bankenkonferenz zu Wochenbeginn. Das nehme er sehr ernst. »Doch die Inflationsgefahren sollten in der Diskussion eben nicht überzogen werden.«
Auch Silke Tober vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rät zur Gelassenheit: »Derartige Preisschübe würden erst zu Inflation im eigentlichen Sinne, wenn sie als Zweitrundeneffekte Lohnsteigerungen nach sich ziehen und eine Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen würden.« Im ersten Quartal 2021 waren die Tariflöhne in Deutschland gleich schnell gestiegen wie die Inflation.
So oder so dürfte ab Juli die Inflationsrate noch höher ausfallen: Denn ein Jahr zuvor wurde die Mehrwertsteuer vorübergehend gesenkt – ein Effekt, der sich nun deutlich bemerkbar machen wird.