Geldvermögen Was Italiens Bankenkrise für deutsche Anleger bedeutet

Monte-dei-Paschi-Logo
Foto: Alessandro Bianchi/ REUTERSAuch das noch. Seit drei Wochen beunruhigen die Turbulenzen rund um den Brexit die Börsenhändler. Und diese Woche heißt es, die älteste Bank der Welt, die italienische Banco Monte dei Paschi di Siena, sitze auf 47 Milliarden Euro fauler Kredite - und sei von der Pleite bedroht.
Insgesamt komme die Riege der italienischen Banken sogar auf 360 Milliarden Euro fauler Kredite. Und nicht einmal die Hälfte davon sei ohne staatliche Hilfe zu schultern, urteilt der britische "Economist". Selbst die italienische Notenbank räumt ein, dass rund 200 Milliarden Euro davon an Kunden verliehen wurden, die pleite sind . Häufig kleine Unternehmen.
Den Steuerzahler solle es diesmal wirklich nicht treffen, versprechen sowohl Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Deutsche Sparer und Anleger sind trotzdem beunruhigt über die Ansammlung schlechter Nachrichten. Und ihr Gefühl trügt sie nicht, sagt zumindest der Internationale Währungsfonds . Der schätzt, dass die italienische Wirtschaft auch wegen des Brexit nun deutlich länger brauchen wird, um sich voll von der Rezession von 2012 bis 2014 zu erholen und endlich wieder ein Wirtschaftswachstum jenseits von einem Prozent hinzulegen.
Was bedeutet das für klassische Sparer?
Für alle außer den immerhin 550.000 Italienern, die in Deutschland leben , eher wenig. Denn deutsche Sparer bei Banken in Italien gibt es kaum. Italien hat zwar wie alle anderen EU-Länder die europäische Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Kunde pro Bank, aber italienische Banken werden hierzulande selten empfohlen . Entsprechend selten leihen deutsche Sparer ihr Geld direkt italienischen Banken.
Der deutsche Sparer traut eben vor allem heimischen Banken - und das war zuletzt auch besser so: Beim jüngsten Stresstest der europäischen Bankenaufsicht waren neun der 15 großen italienischen Banken durchgefallen. Für Ende Juli ist ein neuer Stresstest angekündigt. Anderswo gibt es Zinsen bis 1,4 Prozent für das Festgeld ohne italienische Risiken .
Weniger empfindlich als die deutschen Sparer waren die deutschen Banken. Sie haben immerhin 85 Milliarden Euro an italienischen Risiken in ihren Büchern, davon 16,5 Milliarden Euro an Bankanleihen. Weit vorne die Deutsche Bank, die nach eigenen Angaben Ende 2015 auf 15,8 Milliarden Euro italienischer Risiken saß, darunter rund 750 Millionen Euro bei italienischen Banken. Inzwischen sind es sogar 840 Millionen. Vielleicht auch ein Grund für den Chefökonom der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, 150 Milliarden Euro Steuergelder zur Stützung der europäischen Banken zu verlangen.
Die Deutsche Bank ist aber keinesfalls allein. Während der Branchenprimus in Italien eher an Firmen und Privatkunden verliehen hat, stehen bei der Commerzbank allein 10,8 Milliarden Euro italienischer Staatsanleihen in den Büchern. Und 500 Millionen bei den italienischen Banken.
Kleiner Exkurs: Die HypoVereinsbank - immerhin das fünftgrößte deutsche Kreditinstitut - ist zwar Tochter der italienischen Unicredit; für die Guthaben ihrer Kunden gilt aber die deutsche Einlagensicherung. Unicredit hielt nach eigenen Angaben Ende 2015 rund 58 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen, Zahlen zu den Bankanleihen waren nicht zu bekommen.
Nicht benötigtes Geld sollte man ohnehin woanders anlegen: Die HypoVereinsbank zahlt wie die anderen Großbanken hierzulande nur Minizinsen.
Was ist für Fondsanleger zu tun?
In Euro-Rentenfonds liegen jede Menge italienischer Schuldscheine. Die meisten dieser Rentenfonds wählen die Papiere, die sie kaufen, auch danach aus, wie viel Prozent der in Euro gemachten Staatsschulden aus dem jeweiligen Land kommen. Die 60 Millionen Italiener buckeln aktuell deutlich über 2100 Milliarden Euro Staatsschulden, fast so viele wie Deutschland - und rund 133 Prozent des Bruttosozialprodukts. Entsprechend hoch ist der Anteil der italienischen Anleihen.
Italienische Anleihen waren gerade bei institutionellen Anlegern wie Firmen, Fonds und Versicherungen in den vergangenen Jahren sehr populär. Deutsche Staatsanleihen gelten zwar als risikofrei, bringen aber fast nur noch negative Rendite. Italienische Papiere versprachen dagegen attraktive Renditen für ein akzeptables Risiko. Wer also mindestens seine Managementgebühr einspielen wollte, musste zugreifen. Auch deshalb machen italienische Anleihen in vielen Euro-Rentenfonds über 20 Prozent der Wertpapiere aus.
Auch Versicherte sind betroffen
Viel mehr Geld, als den meisten Kunden bewusst ist, haben deutsche Kunden auf einem dritten Weg in Italien investiert - mit ihren Lebens- und Rentenversicherungen. Auch für deutsche Lebensversicherer waren die hohen Zinsen im Euroland Italien in den vergangenen Jahren ein klarer Kaufgrund. Allein die Allianz hatte Ende 2015 29 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen in den Büchern.
Ganz nebenbei bemerkt: Die schönen italienischen Zinsen waren auch der Grund, warum so mancher Versicherungsvorstand in der Eurokrise vor fünf Jahren gegen die Pläne für sogenannte Eurobonds wetterte. Bei gemeinsamen Schuldscheinen der Eurostaaten wären ja die schönen hohen italienischen Zinsen perdu gewesen.
Abgesehen davon sind viele deutsche Versicherte zumindest indirekt Kunden des größten italienischen Versicherers. Die italienische Generali ist der drittgrößte europäische Versicherungskonzern und in Deutschland mit einer Vielzahl von Tochterunternehmen und Marken unterwegs: die Generali Versicherungen, CosmosDirekt, AachenMünchener, die Central Krankenversicherung und die Dialog machen die Gruppe zum zweigrößten Erstversicherer in Deutschland. Und belegen, wie sehr der italienische und der deutsche Finanzsektor inzwischen verwoben sind.
Anlass für unmittelbaren Alarm besteht trotzdem nicht. Zwar haben die deutschen Versicherer Milliarden Euro an Kundengeldern in Italien angelegt. Bei italienischen Banken selbst sind große Versicherer aber weniger engagiert.
Die Allianz hat 1,5 Milliarden Euro in italienischen Bankanleihen angelegt. Thalanx immerhin 700 Millionen im Bankensektor, zu den 1,4 Milliarden an italienischen Staatsanleihen. Die Münchener Rück bekommt für 3,2 Milliarden Euro italienischer Anleihen ihre Zinsen, dort spielten Bankanleihen aber dem Konzern zufolge keine Rolle. Generali sagt, es seien weniger als ein Prozent der Anlagen (assets under management) der deutschen Gruppe - was aber immer noch deutlich mehr als eine Milliarde Euro wären.
Das Leiden der italienischen Bankkunden
Es sind eben vor allem die Italiener, die jetzt Probleme haben, auch die Bankkunden - als Sparer und als Anleihegläubiger. So halten rund 60.000 Kleinanleger gut zwei Milliarden Euro an Schuldscheinen der Banca Monte dei Paschi di Siena. Diese hatte ihnen ihr Bankberater schon für Beträge ab 1000 Euro als sichere Anlage empfohlen.
Nach den neuen Regeln zur Bankenrettung müssten sie für die zu großzügige Kreditvergabe ihrer Bank einstehen und auf einen Teil ihres Geldes verzichten.
Wer als Lebensversicherungskunde in Deutschland in den kommenden Wochen Zweifel am Wert seiner Versicherungspolice bekommt, kann bei seinem Versicherer nachfragen, wie es konkret mit dem Engagement in Italien steht.
Viele Kunden haben wegen Fehlern, die Versicherer bei den Widerrufsbelehrungen gemacht haben, sogar die Möglichkeit, alte Versicherungspolicen zu widerrufen . Nur für den Fall, dass Sie einmal den persönlich Exit aus der Italien-Krise wünschen sollten. Falls sie denn größer werden sollte.

Micha Kirsten / Finanztip
Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip« refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .
Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.