Kinderwagen-Test der Stiftung Warentest
"Kaum Platz zum Strampeln"
Wie gut und sicher sind Kinderwagen? Die Stiftung Warentest hat 26 Modelle getestet - mit teilweise ernüchternden Ergebnissen. Hier erklärt Testleiterin Anne Kliem, warum vor allem Doppelkinderwagen so schlecht abgeschnitten haben.
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SPIEGEL: Frau Kliem, junge Eltern wollen unbedingt das Beste für ihr Baby. Worauf kommt es bei einem guten Kinderwagen an?
Anne Kliem: Vor allem auf die Ergonomie, der Wagen muss für das Kind wirklich geeignet sein. Für Neugeborene ist zum Beispiel wichtig, dass sie absolut gerade liegen können. Das heißt, die Liegefläche darf nicht angewinkelt sein. Außerdem muss der Wagen sicher sein, er darf nicht kippen oder ungewollt zusammenklappen. Und er muss frei von Schadstoffen sein.
SPIEGEL: Spielen die Bedürfnisse der Eltern auch eine Rolle?
Kliem: Klar, der Wagen muss praktisch und alltagstauglich sein und möglichst lange halten. Deshalb hat die Stiftung Warentest Kombi-Kinderwagen geprüft, die sind mit einer Wanne und einer Sitzeinheit ausgestattet. Im Optimalfall reicht das für Babys zwischen null und neun Monaten und danach für Kleinkinder bis vier Jahre.
Kliem: Insgesamt sind die Ergebnisse erfreulich. In den letzten Jahren gab es immer große Probleme mit Kinderwagen, zum Beispiel in puncto Schadstoffe. Bei einem Test vor zehn Jahren musste die Stiftung Warentest zehn von 14 Kandidaten mit "mangelhaft" bewerten, weil sie schadstoffbelastet waren. Seitdem hat sich viel geändert. Sechs Modelle können wir wirklich empfehlen, der Testsieger ist mit 400 Euro sogar relativ preiswert.
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Sie erhalten den kompletten Artikel mit Testtabelle als Pdf sowie Kauftipps. Auch die Vorgängertests aus 2017 und 2015 sind noch abrufbar. Im aktuellen Test waren 26 Kinderwagen.Kinderwagen im Test der Stiftung WarentestÜber die sogenannten Affiliate-Links oben erhalten wir beim Kauf in der Regel eine Provision vom Händler. Mehr Informationen dazu hier.
SPIEGEL: Welches Modell ist das?
Kliem: Der "Hauck Saturn R Duoset". Der hat eindeutig den besten Sitzkomfort und lässt sich schnell und intuitiv zusammenbauen.
SPIEGEL: Wie groß ist die Preisspanne bei Kinderwagen?
Kliem: Über 1000 Euro können Sie locker ausgeben, das teuerste Modell in unserem Test kostet 1260 Euro. Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass man das keineswegs muss. Bei den mit "gut" bewerteten Kinderwagen ist sogar einer für 260 Euro dabei.
SPIEGEL: Ausgerechnet einer der teuersten, der "Bugaboo Donkey 2 Mono" für 1200 Euro, hat nur mit "ausreichend" abgeschnitten. Was war hier das Problem?
Kliem: Dieses Modell lässt sich zu einem Doppelkinderwagen verbreitern, in dem die Kinder nebeneinander fahren. Um das Ganze kompakt zu halten, sind die Babywannen aber ziemlich schmal gebaut - zu schmal. Von der Länge her passt das Kind gut rein, aber es fehlt ihm die Bewegungsfreiheit zur Seite. Mit Windeln und Winterklamotten ist kaum Platz zum Strampeln.
Kliem: Bei einigen Modellen ergibt sich eine Lücke zwischen der Nutzung der Babywanne und der Sitzeinheit. Besonders auffällig war das beim Modell "Babyone T-Light". Bereits mit fünf Monaten kann die Wanne zu klein werden, aber in den Sitz können viele Babys erst ab neun Monaten umsteigen. Der T-Light war außerdem schadstoffbelastet und bekam deshalb ein "mangelhaft".
SPIEGEL: Welche Mängel sind Ihnen sonst noch aufgefallen?
Kliem: Bei einigen Kinderwagen ist das Aufklappen und Zusammenlegen ziemlich umständlich, weil man verschiedene Sicherungssysteme lösen muss. Das ist im Alltag unpraktisch. Bei anderen ist das Tragen und Transportieren mühsam, weil sie ziemlich schwer sind. Das gilt insbesondere für die Doppelkinderwagen. Darauf sollte man beim Kauf auch achten. Man muss ja ständig mit dem Wagen in den Bus einsteigen oder mal ein Hindernis auf der Straße überwinden, deshalb sollte er einfach handlich sein.
SPIEGEL: Doppelkinderwagen sieht man immer öfter im Straßenbild. Wie haben die bei Ihrem Test abgeschnitten?
Kliem: Nicht gut. Von den drei getesteten war einer "befriedigend", zwei bekamen nur "ausreichend". Egal, ob die Kinder nebeneinander liegen oder übereinandergestapelt werden - in jedem Fall gibt es Komforteinbußen sowohl für die Kinder wie für die Eltern. Mal ist die Wanne zu eng, mal lässt sich die Sitzeinheit nicht optimal einstellen. Außerdem sind diese Wagen schwer und unpraktisch in der Handhabung.
SPIEGEL: Früher haben sich große Frauen und Männer oft beklagt, dass der Lenker zu niedrig ist und sie beim Schieben immer mit dem Fuß an die Wagenräder anstoßen. Hat sich das geändert?
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Kliem: Nur ein Wagen im Test hatte damit ein Problem. Das war einer der Doppelkinderwagen. Bei dem sitzen die Kinder schräg übereinander, und die untere Wanne schränkt die Schrittfreiheit beim Schieben massiv ein. Da stößt man nicht gegen die Räder, sondern dauernd gegen die Wanne. Für das Kind ist das auch nicht angenehm.
SPIEGEL: Kinderwagentests sind ein Klassiker der Stiftung Warentest. Schon beim ersten Test 1972 titelte Ihr Magazin "Kinder auf der Kippe" - es ging um Sicherheitsmängel. Warum dauert es so lange, bis die Hersteller reagieren?
Kliem: Weil sich erst innerhalb der Gesellschaft etwas ändern muss. Bei Kinderwagen und Kinderprodukten allgemein ist die Sensibilität etwa für Schadstoffe oder Sicherheitsmängel heute einfach höher als vor Jahrzehnten. Es ist aber auch vieles besser geworden, weil wir der Branche auf die Finger schauen und - wenn notwendig - Probleme öffentlich machen.
SPIEGEL: Was könnten die Kinderwagen-Hersteller heute noch verbessern?
Kliem: Beim Sitzkomfort für die größeren Kinder zum Beispiel könnten sie etwas tun. Da lassen sich die Rückenlehnen nicht so weit zurückklappen, dass die Kinder eine wirklich ebene Liegefläche haben. Das ist aber wichtig, weil jedes Kind mal eine Pause braucht und dann auf einer ebenen Fläche schlafen sollte. Die Stiftung Warentest fordert das seit Jahren von den Herstellern. Die meisten Kinderwagen haben außerdem keine mitwachsenden Fußstützen. Die würden beim Sitzen den Druck aus den Kniekehlen der Kinder nehmen.
SPIEGEL: Wenn man durch Prenzlauer Berg in Berlin oder das Münchner Glockenbachviertel läuft, hat man den Eindruck, Kinderwagen sind nicht nur ein Transportmittel, sondern auch modisches Statement. Hat das Design bei Ihrem Test eine Rolle gespielt?
Kliem: Nein, die Stiftung Warentest schaut sich nur die Qualität der Produkte an. Natürlich haben wir darauf geachtet, dass die besonders angesagten Kinderwagen beim Test dabei sind. Aber ob das eine beliebte Luxusmarke mit schrillem Design ist, spielt für das Ergebnis überhaupt keine Rolle. Für uns kommt es vor allem darauf an, ob die Wagen für die Babys sicher und ergonomisch optimal gebaut sind.