Rohstoffe aus Krisenregionen Koalition streitet über Blut-Mineralien

Gold, Zinn, Wolfram - mit solchen Rohstoffen verdienen auch Kriegsherren ihr Geld. Neue Zertifizierungssysteme sollen das verhindern, die SPD möchte sie zur Pflicht machen. Doch die Union wehrt sich entschieden.
Goldmine im Kongo: Kniefall vor den Lobbyverbänden?

Goldmine im Kongo: Kniefall vor den Lobbyverbänden?

Foto: FINBARR O'REILLY/ REUTERS

Die schwarz-rote Koalition ist sich nicht einig, welche Regeln künftig für die Förderung von Rohstoffen aus Krisenregionen wie dem Kongo oder Ruanda gelten sollen. Das zeigt unter anderem ein vertraulicher Bericht der deutschen Vertretung in Brüssel, der SPIEGEL ONLINE vorliegt. Demnach unterstützte Deutschland Ende Juni in der Ratsarbeitsgruppe für Handelsfragen einen Vorschlag der EU-Kommission, laut dem Unternehmen freiwillig ihre Lieferketten für Rohstoffe zertifizieren können.

Solche freiwilligen Systeme strebt laut Koalitionsvertrag auch die Bundesregierung an. Doch seit Mai liegt ein deutlich strikteres Konzept auf dem Tisch: Das Europaparlament sprach sich dafür aus, dass alle Unternehmen entlang der Lieferkette die Herkunft von Mineralien aus konfliktfreien Regionen nachweisen müssen. So soll verhindert werden, dass Kriegsherren mit Rohstoffverkäufen ihre Kämpfe finanzieren.

Für diesen Vorstoß gibt es offenbar Sympathien im Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD). "Innerhalb der Debatte setzt sich das Wirtschaftsministerium für eine verpflichtende Regelung ein", heißt es aus Regierungskreisen.

Gabriel weiß dabei seine Partei hinter sich. Die SPD-Fraktion sprach sich bereits im vergangenen Jahr für verpflichtende Zertifizierungsmechanismen aus. "Zertifizierungen sind völlig unwirksam, solange sie nicht für alle gelten", sagt Klaus Barthel, stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und Vertreter des linken Parteiflügels. Deshalb sei es "bedauerlich, was da in Brüssel vertreten worden ist".

Das sieht man bei der Union völlig anders. "Bei Fragen wie dem Mindestlohn wollte die SPD kein Jota vom Koalitionsvertrag abweichen", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Joachim Pfeiffer. "Jetzt muss er auch in dieser Frage gelten."

Union und Industrie warnen vor Bürokratie

Bislang haben sich die Sozialdemokraten tatsächlich gebeugt. Am Mittwoch wurde mit den Stimmen der Koalitionsvertreter im Wirtschaftsausschuss ein Antrag der Grünen und Linken abgelehnt, der Berichtspflichten für Rohstoffimporteure vorgesehen hätte. Doch nicht nur Barthel macht aus seinem Unmut über die Entscheidung kein Geheimnis. "Ich bin für eine verpflichtende Lösung und finde es bedauerlich, dass die Union diese bislang ablehnt", sagt auch das Ausschussmitglied Florian Post (SPD).

CDU-Vertreter Pfeiffer hält eine Pflicht zur Dokumentation der gesamten Lieferkette dagegen für kontraproduktiv. Gerade kleinere Unternehmen seien damit überfordert, warnte er Ende Juni in einem Brief an Gabriel. "Neben dem massiven Bürokratieaufwuchs wäre die Folge der Wegfall von Importen aus bestimmten Regionen, was die wirtschaftliche und soziale Lage der dortigen Bevölkerung nochmals verschlechtert."

Ähnliche Einwände erheben in einem gemeinsamen Positionspapier auch die Wirtschaftsverbände BDI, DIHK und BGA. Sie verweisen darin auch auf Studien aus den USA, wo es schon länger Zertifizierungspflichten für Rohstoffe gibt. Diese hätten etwa im Bürgerkriegsland Kongo Millionen von Arbeitern ihre Jobs gekostet und Not und Gewalt eher noch verstärkt. Auch 70 Experten forderten mittlerweile in einem offenen Brief , die Vorschriften für den Kongo zu überdenken.

Gabriel zeigte sich von den Einwänden der Union bislang mäßig beeindruckt: Das Wirtschaftsministerium stimme derzeit mit dem Kanzleramt und anderen Ressorts eine Haltung ab, antwortete er Pfeiffer. Dabei soll ausdrücklich auch die Forderung des Europäischen Parlaments nach Berichtspflichten einbezogen werden.

Für die SPD gelte es jetzt, Farbe zu bekennen, sagt Dieter Janecek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen. "Entweder das Bundeswirtschaftsministerium knickt ein und begeht einen Kniefall vor den Industrielobbyverbänden. Oder aber die SPD macht ernst mit dem so oft auch von ihr eingeforderten Menschenrechtsschutz und ambitionierten Arbeits- und Ökologiestandards im internationalen Rohstoffhandel."

SPD-Mann Barthel hofft noch auf ein Umdenken des Koalitionspartners - und setzt dabei auf Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Der CSU-Mann schmücke sich schließlich gerne mit Vorzeigeprojekten wie der Rohstoffzertifizierung. "Jetzt muss er sich da halt mal in den eigenen Reihen durchsetzen."

Zusammengefasst: In der Koalition ist Streit über den Umgang mit Mineralien aus Krisenregionen ausgebrochen: Die SPD will die komplette Dokumentation von Lieferketten zur Pflicht machen. Die Union befürchtet dagegen zu viel Bürokratie für heimische Unternehmen sowie Nachteile für die Bevölkerung in den Herkunftsländern.

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