Hermann-Josef Tenhagen

Ersatzreise, Hotelkosten und Entschädigungen So kommen Sie bei Flugausfällen zu Ihrem Recht – und an Ihr Geld

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Fällt der Flieger aus, ist der Ärger groß. Glücklicherweise haben Reisende umfangreiche Rechte. Sollte sich die Airline dennoch querstellen, gibt es zahlreiche Kniffe und Dienstleister, die Passagieren helfen.
Wenn das Flugzeug nicht abhebt: Streikbetroffene am Frankfurter Airport

Wenn das Flugzeug nicht abhebt: Streikbetroffene am Frankfurter Airport

Foto: Frank Rumpenhorst / dpa

Fliegen in diesem Sommer könnte sich fast schon wieder anfühlen wie 2019, im Jahr vor der Pandemie: Die Flughäfen sind voll. Viele Flüge fallen aber aus oder sind verspätet. Die Flughäfen in Frankfurt und München gehören derzeit zur Top Ten der Großflughäfen mit den meisten Verspätungen weltweit. Das Reisefieber ist zurück, das Personal aber nur zum Teil. Und wenn es dann noch zu einem Streik kommt, wie vergangene Woche bei der Lufthansa, gibt es Chaos:

130.000 Lufthansa-Passagiere kamen am vergangenen Mittwoch und Donnerstag nicht rechtzeitig an ihr Ziel, weil das Bodenpersonal der Fluglinie streikte. Das Management schimpfte, der Arbeitskampf sei »unverständlich«, »unzumutbar« und strich in Deutschland über tausend Flüge . Aber die Tarifverhandlungen liefen bereits seit Ende Juni, und nach zwei gescheiterten Verhandlungsrunden sind Warnstreiks normal. Nach dem 35 Millionen Euro teuren Streik hat sich die Lufthansa an diesem Donnerstag nun mit Ver.di geeinigt.

Worauf Sie Anspruch haben

Wenn der Flug ausfällt, ist das ärgerlich, aber als europäischer Passagier sind sie relativ gut geschützt. Das sind Ihre Rechte bei einem Flugstreik, und das können Sie tun:

  1. Wenn ein Flug ausfällt und das wird nur kurzfristig angekündigt, haben Passagiere zunächst einmal das Recht auf eine Ersatzbeförderung, also die Reise mit einer anderen Fluglinie oder mit der Bahn zum gleichen Ziel.
    Außerdem haben sie während der Wartezeit einen Anspruch auf kalte Getränke, einen Snack und die Möglichkeit zu telefonieren. Wenn eine Übernachtung notwendig werden sollte, wird auch die bezahlt. Details stehen im entsprechenden Ratgeber von »Finanztip« .

  2. Klappt das mit dem Ersatzflug nicht gleich, können Sie sich auch selbst um eine Ersatzbeförderung kümmern und die Kosten der Fluglinie in Rechnung stellen . Pauschaltouristen wenden sich bei solchen Problemen an ihren Reiseveranstalter als Vertragspartner.

  3. Bekommen Sie am selben Tag keinen Ersatzflug mehr, können Sie auch am kommenden Tag auf Kosten der Fluglinie weiterreisen. Die Übernachtung muss die Fluglinie dann im Zweifel auch noch bezahlen .

  4. Möchten Sie tags darauf nicht mehr fliegen – oder ist das nicht sinnvoll, etwa weil Sie den geplanten Geschäftstermin ohnehin verpasst haben – dann können Sie Ihr Geld für das Ticket zurückverlangen. Das muss die Fluglinie binnen einer Woche überweisen.

Streikentschädigung

Spannend ist die Frage, ob Ihnen wegen des kurzfristig angekündigten Streiks auch eine Entschädigung nach der 20 Jahre alten EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 zusteht. Das würde sich für Sie als Fluggast nämlich ziemlich bezahlt machen: Bei Flügen bis 1500 Kilometer wären 250 Euro Entschädigung pro Kopf und Richtung drin, bis 3500 Kilometer wären es 400 Euro, bei Strecken von über 3500 Kilometern von Start- zu Zielflughafen – also auch mit Zwischenstopp – sogar 600 Euro. Das gilt für alle Passagiere, die in der EU starten oder in der EU landen – Letzteres aber nur, wenn sie mit einer europäischen Airline reisen.

Die Entschädigung gibt es außerdem nur, wenn die Airline nicht rechtzeitig über den Flugausfall informiert hat und Sie nicht mit einem Ersatzflug ans Ziel gebracht hat. Bei einer kurzfristigen Ankündigung weniger als sieben Tage vor dem Flug dürfte der Ersatzflug höchstens eine Stunde vorher starten und dürfe maximal zwei Stunden später ankommen, sonst gibt es Entschädigung .

Und wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Bei Streiks allerdings sind die Fluggesellschaften meist der Meinung, sie seien unschuldig. Das seien außergewöhnliche Umstände. Wenn Sie als Kunde in dieser Situation eine Entschädigung wollen, streiten sich Airlines auch vor Gericht. Streiks seien so was wie der Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull 2010 in Island, die hätten Fluglinien nicht zu vertreten.

Das sehen mittlerweile nicht nur die Gerichte in Deutschland anders, sondern auch der Europäische Gerichtshof. Kurz zusammengefasst: Streiks können zwar außergewöhnliche Umstände sein im Sinne der Fluggastrechteverordnung, sie müssen es aber nicht sein. Ein paar Beispiele:

  1. Wenn die Fluglotsen in Frankreich streiken, kann die Fluglinie Lufthansa nichts dafür. Das sind außergewöhnliche Umstände, sie muss keine Entschädigung zahlen.

  2. Wenn das Sicherheitspersonal am Flughafen Frankfurt streikt, und der Easyjet-Passagier aus Dublin nicht fliegen kann, kann Easyjet nichts dafür: Außergewöhnliche Umstände, keine Entschädigung – so entschied in einem vergleichbaren Fall der Bundesgerichtshof (BGH, X ZR 111/17 ).

  3. Streikt aber das Personal von Ryanair für höhere Löhne und hebt deswegen der Flieger nicht ab, liegt das sehr wohl in der Verantwortung der Fluglinie. Und die muss deshalb eine Ausgleichszahlung leisten, so das für den Berliner Flughafen zuständige Amtsgericht Königs-Wusterhausen, AZ 4 C 3348/18 (2).

  4. Das Gleiche gilt im Prinzip, wenn das Bodenpersonal der Lufthansa streikt, es ist ja das Personal der Lufthansa, das mit seinem Arbeitgeber unzufrieden ist.

  5. Im vergangenen Jahr hat der Europäische Gerichtshof die skandinavische Fluglinie SAS wegen eines Streiks ihrer Piloten zu Entschädigungszahlungen verurteilt (EuGH, 23. März 2021 – C-28/20 ). Sie sei für das Verhalten der Mitarbeiter verantwortlich und könne sich nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.

Entschädigung bekommen

Manche von Ihnen wissen sicher, dass es nicht so einfach ist, von einer Fluglinie eine Entschädigung zu bekommen. Nicht einmal für gestrichene Flüge zu Beginn der Coronaphase gab es das Geld pünktlich zurück.
Ein Lufthansa-Sprecher hat mir gegenüber am Donnerstag zwar schon angekündigt, »wo es berechtigte Ansprüche gibt, werden wir selbstverständlich auch Entschädigung bezahlen«. Die Rechtsprechung des EUGH bezüglich Streiks habe »sehr eindeutige Vorgaben gemacht«.

Aber manchmal hakt es dann doch. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen, und fordern Sie in jedem Fall auch die Entschädigung ein. Hartnäckigkeit zahlt sich in vielen Fällen aus. So gehen Sie am besten vor:

  • Sie schreiben der Fluglinie, dass Sie das Geld für den Flug zurückhaben wollen und obendrein eine Entschädigung. Musterbriefe dafür gibt es bei »Finanztip« .

  • Stellt sich die Fluggesellschaft quer, dann können Sie sich an die Schlichtungsstelle SÖP für den öffentlichen Personenverkehr wenden. Die kümmert sich kostenlos um Ihren Fall.

  • Hilft das nicht, können Sie vor Gericht ziehen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben , geht das ohne finanzielles Risiko, bis auf die Zahlung der Selbstbeteiligung. Sie müssen sich allerdings darauf einrichten, dass die Fluggesellschaft mauert.

  • Wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung oder keine Lust auf einen Prozess haben, gibt es Rechtsdienstleister, die Ihnen weiterhelfen.

  • Viele dieser Fluggasthelfer funktionieren wie ein Inkassobüro . Sie versuchen, für Sie das Geld zurückzuholen. Klappt das, erhält der Dienstleister nach einigen Monaten die Entschädigung und behält 20 bis 30 Prozent davon als Erfolgsprämie. Wenn es nicht klappt, kostet Sie die Dienstleistung keinen Cent.

  • Alternativ gibt es Rechtsdienstleister, die Ihnen Ihr Recht auf Entschädigung sofort abkaufen für 60 bis 70 Prozent dessen, was Ihnen an Entschädigung zustehen würde. Das tun die Dienstleister auch schon bei den Streikopfern der Lufthansa aus der vergangenen Woche. Der Vorteil an diesem Modell: Sie als Fluggast haben dann den größeren Teil Ihres Geldes bereits sicher. Wenn Ihr Dienstleister öfter vor Gericht gewinnt, ist das auch für ihn ein lukratives Geschäftsmodell. Gewinnt er nicht, hat er vielleicht ein Problem. Aber Sie haben ja schon Ihr Geld.

Bei der Lufthansa ist in diesem Herbst für die Rechtsdienstleister einiges zu holen. Und es wird nicht bei der Lufthansa bleiben. In Spanien drohen aktuell Mitarbeiter von Easyjet und Ryanair mit einem Streik . Und die Piloten von Cockpit wollen ebenfalls streiken.

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