Geprellte Minijobber Was tun, wenn der Mindestlohn verweigert wird?

Viele Minijobber verdienen weniger als den Mindestlohn, obwohl er ihnen zusteht. Doch Betroffene können sich wehren. So geht's.
Kellnerin

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Foto: Sebastian Willnow/ picture alliance / dpa

Recht haben und recht bekommen sind bekanntlich zwei grundverschiedene Dinge. Beim Mindestlohn etwa ist die Rechtslage ziemlich klar: Seit Anfang 2015 steht er grundsätzlich auch volljährigen Minijobbern zu - von wenigen Ausnahmen abgesehen, die teilweise auch nur vorübergehend galten. Bis Ende 2016 mussten also auch sie mindestens 8,50 Euro in der Stunde bekommen, seit Anfang dieses Jahres sind es 8,84 Euro.

Trotz dieses Rechtsanspruchs dürfte einem überraschend hohen Anteil der knapp 7,4 Millionen geringfügig Beschäftigten  - so die offizielle Bezeichnung der Minijobber - der Mindestlohn vorenthalten werden. Darauf deutet eine Datenauswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hin (Hier finden Sie die Studie als PDF-Datei ).

Konkret wurden im März 2015 - also drei Monate nach Einführung des Mindestlohns - rund die Hälfte der Minijobber zu niedrig bezahlt. Drei Monate später sank diese Quote zwar, aber nur leicht. Auch wenn die Autoren selbst ausdrücklich darauf hinweisen, dass die zugrunde liegenden Daten sich nicht dazu eignen, die Zahl der zu niedrig bezahlten Minijobber exakt zu beziffern - dass es sich nicht nur um wenige Einzelfälle handelt, ist unstrittig.

Allein an möglichen Startschwierigkeiten kann das nicht liegen. Das belegt auch die lange Liste an teilweise kuriosen Strategien, mit denen Arbeitgeber sich vor dem Mindestlohn drücken wollen - wenn etwa Naturalien wie Popcorn-Gutscheine für Mitarbeiter in Kinos als Bezahlung angeboten werden.

Gerade für Minijobber ist das keine einfache Situation. Sie befinden sich in der Regel in einer schwachen Position: Oft brauchen sie den Minijob unbedingt - der Arbeitgeber braucht sie aber nicht unbedingt, weil er im Handumdrehen Ersatz finden kann.

Was kann, was sollte man als Betroffener also tun, wenn sich der Arbeitgeber weigert, den Mindestlohn zu zahlen?

  • Wichtig ist in jedem Fall, seine Arbeitszeiten und Lohnzahlungen genau zu dokumentieren, rät die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Das gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitszeiten nicht automatisch erfasst werden. Hat man seine Arbeitszeiten selbst lückenlos aufgeschrieben, können auch eventuelle Manipulationen durch den Arbeitgeber belegt werden.

  • Wenn es einen Betriebsrat gibt, sollte man sich an ihn wenden. So selten wie vermutet ist das gar nicht der Fall: Laut der WSI-Studie werden auch 40 Prozent der Minijobber in Großbetrieben (mehr als 200 Beschäftigte) unter Mindestlohn bezahlt, bei den mittelgroßen Unternehmen (11 bis 199 Beschäftigte) sind es fast 45 Prozent. Gemeinsam mit dem Betriebsrat kann man klären, ob der Mindestlohn tatsächlich unterlaufen wird - oder ob der Arbeitgeber eventuell zu Recht diverse Ausgaben und Zahlungen auf den Lohn rechnet.

    Der große Vorteil eines Betriebsrats ist, dass er Beschäftigten zu ihrem Recht verhelfen kann, ohne dass diese sich persönlich mit dem Arbeitgeber anlegen müssen. Betriebsräte selbst genießen Kündigungsschutz, und wenn sie einen guten Job machen, vertreten sie Anliegen so geschickt, dass der Arbeitgeber nicht weiß, ob sich Betroffene selbst gemeldet haben oder ob dem Betriebsrat der Missstand aufgefallen ist.

  • Mindestlohn-Hotline des Bundesarbeitsministeriums (030 - 6028 0028):
    Gibt es keinen Betriebsrat, sollte man sich absichern, ob der Arbeitgeber tatsächlich den Mindestlohn unterläuft oder nicht - so kann es unter Umständen zum Beispiel rechtens sein, Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder das Stellen von Arbeitskleidung anzurechnen. Viele dieser mitunter kniffligen Detailfragen lassen sich bei der Mindestlohn-Hotline des Arbeitsministeriums klären, sie ist von Montag bis Donnerstag von 8 bis 20 Uhr besetzt.
    Die Hotline kann zwar keine individuelle Rechtsberatung im engeren Sinne leisten. Das ist Rechtsanwälten und Steuerberatern vorbehalten.
    Allerdings können über die Mindestlohn-Hotline auch konkrete Verstöße gemeldet werden. Wenn nötig, vermittelt sie an den Zoll weiter, der dafür zuständig ist, die Verstöße zu verfolgen. Es ist auch möglich, Verstöße anonym zu melden.

  • Betroffene können sich auch direkt an den Zoll wenden - er ist dafür zuständig, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren und Verstöße zu verfolgen. Auch hier können Verstöße anonym gemeldet werden, zudem können die Mitarbeiter des Zolls auch bei der Klärung der Frage helfen, ob überhaupt ein Verstoß vorliegt - wenngleich ebenfalls keine individuelle Rechtsberatung geleistet werden kann.
    Kontakt zur zuständigen Stelle beim Zoll kann man per Telefon, per Mail oder auch klassisch per Post aufnehmen. Die Adressen finden Sie hier auf der Website des Zolls .

  • Mindestlohn einklagen:
    Weigert sich der Arbeitgeber, hilft letztlich nur eine individuelle Klage vor dem Arbeitsgericht. Das ist eigentlich nur in Fällen sinnvoll, in denen Betroffene nicht mehr auf den Minijob angewiesen sind. Aller Erfahrung nach arbeitet man nicht mehr lange für einen Arbeitgeber, nachdem man ihn verklagt hat.
    Und es ist ein teurer und aufwendiger Schritt: Der Rechtsanwalt muss nämlich zumindest vorerst selbst bezahlt werden, wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat oder kein Mitglied einer Gewerkschaft ist.
    Lohnen kann sich eine Klage dennoch, denn der Mindestlohn kann auch für Jahre nachträglich eingeklagt werden. Weil der Arbeitgeber in diesen Fällen die Sozialabgaben allein nachzahlen muss - also sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmerbeitrag - ist es für Minijobber dann auch eher verschmerzbar, wenn sie dadurch nachträglich in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung rutschen, weil die 450-Euro-Grenze überschritten wird.
    Mitunter werden bei derartigen Prozessen relativ hohe Nachzahlungen an die Beschäftigten erstritten.

Diese Aufzählung zeigt aber auch eindrücklich: Wirksam durchsetzen lässt sich der Mindestlohn nur mit mehr und schärferen Kontrollen durch den Zoll. Und daran hapert es offenbar. Nicht nur, weil möglicherweise die nötigen Stellen beim Zoll fehlen, wie die Gewerkschaften bemängeln. Vielmehr ist die Struktur der Kontrollen nicht optimal. Beim Zoll gibt es keine eigenständigen Mindestlohnkontrollen. Stattdessen sind diese bei den Schwarzarbeitkontrollen aufgehängt.

Konkret: Wird ein Betrieb besucht, wird stets ein ganzes "Portfolio" an Kontrollen durchgeführt, wie ein Sprecher des Finanzministeriums es nennt. Ob der Mindestlohn eingehalten wird, ist dann nur eine von vielen Fragen. Und ob Betriebe, bei denen das Risiko für Schwarzarbeit hoch ist (wie etwa auf dem Bau), auch die gleichen sind, bei denen der Mindestlohn unterlaufen wird, ist ebenso fraglich.

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