Nach 35 Jahren Konsumforschung im Musterdorf Haßloch ist zu Ende

Haßloch ist Deutschland in klein, Konsumforscher nutzten das Musterdorf in der Pfalz deshalb lange für ihre Experimente. Nach 35 Jahren ist damit Schluss – andere Methoden sind inzwischen wichtiger.
Kundin in Mustersupermarkt von Edeka in Haßloch: Welche Schokoriegel oder Deos schaffen es bundesweit auf den Markt?

Kundin in Mustersupermarkt von Edeka in Haßloch: Welche Schokoriegel oder Deos schaffen es bundesweit auf den Markt?

Foto: Uwe Anspach / picture alliance / dpa

Kennen Sie noch Erika Mustermann, die mit ihrem Namen und ihren Daten als Beispiel-Deutsche auf Vorlagen für Personalausweise herhalten musste? Haßloch war für Konsumforscher jahrzehntelang ein Ort mit lauter Erika Mustermanns – so typisch, dass sie versuchten, aus ihm Rückschlüsse auf den Geschmack und die Einkaufsgewohnheiten der Deutschen zu schließen.

Am 1. Januar ist die Geschichte Haßlochs für die deutsche Konsumforschung nun zu Ende gegangen – nach 35 Jahren. Die pfälzische Gemeinde mit rund 20.000 Einwohnern war seit 1986 für das Marktforschungsinstitut GfK ein wichtiger Testmarkt. Tausende entschieden mit Einkäufen über Top oder Flop und bestimmten ein wenig mit, welche Schokoriegel oder Deos auf den Markt kommen. Was in Haßloch nicht gekauft wurde, erreichte oft nicht die Läden des Landes.

Apps und Onlinebefragungen werden wichtiger

Der Nürnberger Daten- und Marktforscher GfK hatte zuvor ermittelt, dass die örtliche Handelslandschaft und die Struktur der Haushalte, zum Beispiel das Mengenverhältnis von Kindern, Rentnern und Familien, in Haßloch fast genau dem der gesamten Bundesrepublik entsprechen. Das machte den Ort für Test- und Marktentscheidungen attraktiv.

Künftig setzt GfK statt auf einen Ort verstärkt auf Erhebungsmethoden wie Smartphone-Apps und Onlinebefragungen. In Haßloch war dagegen per Plastikkarten dokumentiert worden, was gekauft wird. »Wir haben erst kürzlich eine auf künstlicher Intelligenz basierte Software-Plattform gestartet«, sagte zuletzt GfK-Sprecher Kai Hummel. Sie beantworte den Kunden weltweit in Echtzeit Fragen wie: Was wurde wo gekauft und zu welchem Preis? Wer hat gekauft und warum?

Eine Kassiererin scannt in einem Supermarkt in Haßloch eine der Karten, mithilfe derer die Einkäufe ausgewertet werden

Eine Kassiererin scannt in einem Supermarkt in Haßloch eine der Karten, mithilfe derer die Einkäufe ausgewertet werden

Foto: Uwe Anspach / picture alliance / dpa

Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein sagte, es gehe sozusagen um eine Neuerfindung der Marktforschung. »Als Feldtest bildet Haßloch nur noch einen Ausschnitt von dem ab, wie Menschen heute einkaufen.«

In Haßloch sorgte die Entscheidung für gemischte Gefühle: »Man kann schon sagen, dass eine Ära zu Ende geht«, sagte Gemeindesprecher Marcel Roßmann. Die Verwaltung habe jedoch Verständnis, dass die Konsumforschung die Messmethode ändere, um den Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden. Auf die 35 Jahre als »Durchschnittsdorf« und die damit verbundene bundesweite Bekanntheit sei man stolz.

apr/dpa-AFX
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