Nachhaltige Geldanlage Investieren ohne schlechtes Gewissen

Hauptsitz der GLS Bank in Bochum: Alternativbanken haben in der Krise viel Zulauf.
Foto: DDPHamburg - Lucas Gerrits hat im vergangenen Jahr endgültig Schluss gemacht. Er hat sein Girokonto bei einer konventionellen Bank gekündigt. Dafür hat er ein neues Konto bei der GLS Bank aufgemacht. Sein Tagesgeldkonto wanderte zur Umweltbank. Der Grund für ihn war einfach: "Ich wollte nicht, dass mit meinem Geld beispielsweise mit Lebensmitteln spekuliert, Kinderarbeit gefördert oder die Rüstungsindustrie unterstützt wird", sagt Gerrits.
Auch Anne Schott hat sich für den Wechsel zu einer besonderen Bank entschlossen. Eine, die Wert auf Nachhaltigkeit legt. Die öffentliche Debatte über Geld und Finanzen war für die Theologiestudentin der Anstoß. Was passiert eigentlich mit meinem Geld, während es auf der Bank liegt, hatte sie sich irgendwann gefragt. "Ich wollte mich vor allem im Kleinen engagieren", sagt sie. "Ich denke die meisten Menschen wissen gar nicht, dass ihr Geld in Dinge investiert wird, die sie vielleicht nicht gutheißen." Ihr Geld wird nun für Projekte im Segment regenerative Energien verwendet.
Die beiden sind keine Einzelfälle. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 hat das Nachdenken über Banken angefangen. Wurde die Frage diskutiert, wie die Kreditinstitute Geld verdienen, welche Kollateralschäden sie in Kauf nehmen, um den eigenen Gewinn zu steigern. Hatten doch die Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, der folgende Börsencrash, Bankenrettung und schließlich das Drama um die Euro-Rettung eines klar gezeigt: Mit dem Ziel der absoluten Gewinnmaximierung war vielen Bankern kein Geschäft zu gefährlich, keine Zockerei zu riskant.
Finanzkrise hat zum Nachdenken gebracht
Windige Häuserkredite selbst für Arbeitslose? Weltweit steigende Lebensmittelpreise? Skrupellose Wetten auf den Bankrott ganzer Staaten? Für all das gab es sogar noch Bonuszahlungen in Millionenhöhe.
Als es schief ging, musste die Allgemeinheit einspringen - und genau das hat Menschen wie Schott und Gerrits zum Umdenken gebracht. Denn wie sie erwarten über 70 Prozent der Deutschen eigentlich, dass ihr Kreditinstitut gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Entweder, indem es soziale oder ökologische Projekte fördert, oder zumindest nachhaltige Anlageprodukte anbietet.
Auch für Tobias Vogel war es wichtig, Verantwortung zu übernehmen - für jeden Bereich seines Unternehmens: Das Geschäftskonto seiner Firma "Süße Hoffnung" hat er deshalb bei der GLS Bank. Denn "Süße Hoffnung" importiert handgemachte Pralinen aus fair gehandelter Bio-Schokolade aus Peru. Die Gewinne gehen an gemeinnützige Bildungsprojekte. "Diese Linie wollen wir konsequent verfolgen", sagt Vogel. Das zu verwaltende Geld soll deshalb auch von der Bank sinnvoll eingesetzt werden. "Zentral ist für mich dabei auch, dass das Geld in reale Projekte investiert wird und nicht in irgendwelche Derivate", sagt Vogel.
Insgesamt sind in Deutschland rund 57 Milliarden Euro in nachhaltigen Geldanlagen angelegt - und das Segment wächst. Allein um 23 Prozent im vergangenen Jahr, der konventionelle Markt wuchs dagegen nur mit sieben Prozent. Trotzdem liegt der Marktanteil der nachhaltigen Geldanlagen immer noch bei nur knapp einem Prozent.
Doch das könnte sich ändern, denn der Trend hält an: Allein die GLS-Bank, die größte und älteste der vier Nachhaltigkeitsbanken in Deutschland, ist seit Ende 2008 um rund 37.000 Kunden auf 110.000 bis Ende September angewachsen. Im vergangenen Jahr sind pro Monat rund 2000 Neukunden hinzugekommen. Auch die anderen Nachhaltigkeitsbanken verzeichnen wachsende Kundenzahlen. So zählte die Umweltbank Ende vergangenen Jahres rund 86.000 Kunden, besonders hohe Zuwächse gab es 2008 und 2009, in beiden Jahren ist die Zahl der Kunden um je 15 Prozent gestiegen.
"Verändertes Kundenverhalten nach dem Höhepunkt der Krise"
Selbst die kleinere Ethikbank ist inzwischen auf etwa 11.500 Kunden angewachsen. "Etwa drei Monate nach dem Höhepunkt der Finanzkrise haben wir ein verändertes Kundenverhalten festgestellt", sagte Sylke Schröder, Vorstandsvorsitzende der Ethikbank. Seit Anfang 2009 sei das Girokonto der Renner, was bedeute, dass die Kunden sogar mit ihrem Erstkonto zur Ethikbank wechselten.
Die Beispiele zeigen, wie groß das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen inzwischen ist - so groß, dass selbst konventionelle Banken nicht mehr daran vorbei kommen. Laut dem "Forum für nachhaltige Geldanlagen" kann man bei den Sparkassen über Fonds und Zertifikate nachhaltig investieren. Bei Großbanken übernimmt dieses Segment meist eine Konzerntochter - bei der Deutschen Bank ist das etwa DB Advisors oder die DWS.
Allerdings müssen die Kunden ein wenig Ausdauer mitbringen: Neun von zehn Beratern hätten das Thema Nachhaltigkeit noch nicht auf dem Schirm, schätzt Volker Weber, Vorstandsvorsitzender des "Forum Nachhaltige Geldanlagen". "Es hängt von der Beharrlichkeit der Kunden ab, ob ihnen ein solches Finanzprodukt angeboten wird", sagt Weber.
"Wenn man aber möchte, dass auch das Tagesgeld oder das Geld auf dem Sparbuch nachhaltig angelegt wird, dann muss man zu einer Bank mit Spezialfokus gehen", erklärt Karin Baur von Finanztest, "denn das Geld wird immer nach der Geschäftspolitik der Bank angelegt." Wichtig ist dabei, sich die Anlagekriterien der einzelnen Anbieter genau anzusehen. Denn jeder definiere nach seinem Gusto, was nachhaltig bedeute, sagt Baur.
Je nach Anlagekriterium tauchen plötzlich Firmen in einem Nachhaltigkeitsindex auf, die man aus ganz anderen Zusammenhängen kennt: So sei zum Beispiel die Aktie des Ölkonzerns BP im Dow Jones Sustainability Index gelistet gewesen. "Bis sie nach der Ölkatastrophe vor der Küste Mexikos vom Index ausgeschlossen wurde", sagt Nachhaltigkeits-Spezialist Weber.
Darüber hinaus hindern aber ganz praktische Gründe viele Kunden, sich für eine nachhaltig orientierte Banken zu entscheiden: Es fehlt die Filiale vor Ort. Auch die Rendite spielt eine Rolle, denn die fällt oft niedriger aus.
Für Überzeugungstäter wie Anne Schott ist das jedoch nicht entscheidend. Sie sieht es als ihren gesellschaftlichen Beitrag an, auf einen höheren Zinssatz zu verzichten: "Die hohen Renditen sind ja das, woran das System krankt", sagt die Studentin. Auch Lucas Gerrits sieht das ähnlich: Dass sein Geld etwas Sinnvolles bewirke, habe für ihn einen höheren Stellenwert als geringe Zahlenunterschiede beim Zinssatz.