Sparen mit Verlust
Fast 200 Banken berechnen Negativzinsen
Im Corona-Jahr haben die Deutschen besonders viel Geld zurückgelegt. Doch laut einer neuen Auswertung machen immer mehr Banken das Sparen durch Negativzinsen zum Minusgeschäft.
Keine Selbstverständlichkeit mehr: Zinseintrag in einem Sparbuch (Archivbild)
Foto: Daniel Karmann / dpa
Insgesamt 197 Banken und Sparkassen brummen Privatkunden laut einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox inzwischen Negativzinsen auf. Allein zum Jahreswechsel führten demnach 24 Kreditinstitute ein Verwahrentgelt ein oder verschärften bestehende Regelungen.
Das Vergleichsportal wertete die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von etwa 800 Banken und Sparkassen aus. Die Angaben beziehen sich auf Tagesgeldkonten. Vereinzelt gilt der Negativzins aber auch fürs Girokonto. Vervivox zufolge führten 20 Institute zum Jahresbeginn neu Strafzinsen ein. Drei weitere senkten den Freibetrag, ein Institut verschärfte den Negativzins.
Den Angaben zufolge räumen 58 der 197 Institute ihren Kunden deutlich weniger als 100.000 Euro Freibetrag ein, davon verlangen neun Geldhäuser bereits ab dem ersten Euro Strafzinsen. Teilweise können aber Freibeträge individuell vereinbart werden. Auch die drei Onlinebanken mit den größten Kundenzahlen haben Negativzinsen eingeführt.
»Die Negativzinswelle rollt mit unverminderter Wucht über das Land«, sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Eine Trendwende sei vorerst nicht in Sicht. »Nach dem historischen Konjunktureinbruch im Zuge der Corona-Pandemie sind höhere Zinsen auf absehbare Zeit kein Thema«, so Maier. »In den kommenden Wochen und Monaten dürften viele weitere Banken Negativzinsen einführen.«
Geschäftsbanken müssen derzeit 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, klagt die Branche über eine Milliardenbelastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen Kunden Negativzinsen.
Sparrekord im Corona-Jahr
Aus Sorge vor Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit hielten viele Menschen ihr Geld im Corona-Krisenjahr zusammen, zudem bremsten die Schließungen im Einzelhandel den Konsum. Die DZ Bank geht für das Jahr 2020 von einer Sparquote auf Rekordniveau von 16 Prozent aus, der Bankenverband BVR hatte Anfang Dezember sogar einen Wert von rund 17 Prozent prognostiziert.
Auf Jahressicht legten die privaten Haushalte in Deutschland diesen Berechnungen zufolge von 100 Euro verfügbarem Einkommen 16 beziehungsweise 17 Euro auf die hohe Kante. Die bislang höchsten Sparquoten in Deutschland wurden nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 1991 und 1992 mit jeweils 12,9 Prozent gemessen.
»Allerdings blieben die Mittel größtenteils einfach auf den Girokonten stehen und wurden nicht angelegt«, schrieb DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel. Im Zinstief wüssten viele Anleger »nicht wohin mit frei werdenden oder neuen Anlagemitteln«. Inzwischen seien mehr als 28 Prozent des gesamten Geldvermögens von geschätzt 7,1 Billionen Euro – also rund 2 Billionen Euro – dauerhaft »zwischengeparkt«, vorwiegend in Form von Sichteinlagen, die bei Bedarf rasch umgeschichtet werden können wie zum Beispiel Tagesgeld.
Verbraucherschützern zufolge sind Negativzinsen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrentgelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu ändern.
Verivox weist darauf hin, dass nicht alle Banken ihren Preisaushang online veröffentlichen oder darin Negativzinsen ausweisen. Einige träfen stattdessen individuelle Vereinbarungen mit vermögenden Kunden. Tatsächlich dürften daher mehr als 197 Geldhäuser ein Verwahrentgelt von Privatkunden verlangen, hieß es. Zum Vergleich: Nach letzten Daten der Bundesbank gab es zuletzt 1717 Kreditinstitute in Deutschland.