Überwältigt von der Mehrheit: Bundesernährungsministerin Klöckner ist jetzt auch für den Nutri-Score
Foto: Wolfgang Kumm/ DPAEs ist das vorläufige Ende des jahrelangen Streits über eine klarere Kennzeichnung von Lebensmitteln: Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat sich nach langem Widerstand für den Nutri-Score ausgesprochen. Mit dem Ampelsystem sollen Hersteller künftig den Gehalt von Zucker, Fett und Salz in ihren Lebensmitteln angeben dürfen.
Der Wunsch der Verbraucher "nach mehr Sicherheit und Transparenz" beim Kauf von Lebensmitteln sei groß, sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Der Nutri-Score habe in einer offiziellen Verbraucherbefragung am besten abgeschnitten: "Damit treffe ich eine valide Entscheidung in einer Debatte, die seit über einem Jahrzehnt sehr emotional - teils auch polarisierend - geführt wird".
Über eine klare Kennzeichnung für Lebensmittel wird seit Jahren gestritten
Klöckner hatte zuvor lange die allgemeine Einführung des Nutri-Score behindert, auch die Lebensmittelindustrie lehnt das System ab. Über die Frage, wie der Gehalt an Fett, Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren bei verarbeiteten Lebensmitteln gekennzeichnet werden soll, wird seit mehr als einem Jahrzehnt gestritten. Die Vorgaben dafür müssen auf EU-Ebene entschieden werden, vor gut zehn Jahren verhinderte die Lebensmittellobby, eine einfache Ampelkennzeichnung.
Der in Frankreich bereits eingeführte Nutri-Score bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - in einer fünfstufigen Skala von "A" auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes "C" bis zu einem roten "E" für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben.
Foodwatch lobt Nutri-Score als "Goldstandard"
In der Befragung im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums von Klöckner hat der Nutri-Score in allen Fragestellungen an erster Stelle gelegen - 57 Prozent der Verbraucher befürworteten die Einführung in Deutschland. Auf dem zweiten Platz lag ein vom bundeseigenen Max-Rubner-Forschungsinstitut im Auftrag des Ministeriums entwickeltes Modell. In der Befragung mit 1600 Teilnehmern wurden seit Mitte Juli insgesamt vier Modelle zur Wahl gestellt.
Die Ministerin möchte das Modell "zeitnah" einführen und kündigte eine entsprechende Verordnung für den Oktober an. Diese muss dann von der EU-Kommission gebilligt und vom Bundesrat bestätigt werden. Ein entsprechender Rechtsrahmen könnte dann im kommenden Jahr stehen. Allerdings wird kein Unternehmen dazu verpflichtet, den Nutri-Score auf seine Verpackungen zu drucken, wie die Lebensmittelindustrie umgehend mitteilte - die Nutzung bleibt freiwillig.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch lobte die Entscheidung für den Nutri-Score als "Goldstandard unter den Nährwertkennzeichnungen". Weil das Logo zunächst freiwillig bleibt, sei man jedoch weiter vom Willen der Unternehmen abhängig, so Foodwatch. Die Verbraucherorganisation fordert, dass die "Nutri-Score-Ampel zum verpflichtenden Modell in Europa wird".
Die Grünenpolitikerin Renate Künast erklärte, das lange Kämpfen für eine Nährwertampel habe ein Ende. Der Nutri-Score sei für die Verbraucher "auf einen Blick verständlich und hilfreich beim Lebensmitteleinkauf". Für die SPD begrüßte die ernährungspolitische Sprecherin Ursula Schulte die farbliche Nährwertkennzeichnung als "wichtige Ergänzung" zur Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fette.
Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft begrüßte die Einführung des Nutri-Score. Dies könne aber nur einer von mehreren Bausteinen sein, sagte die Geschäftsführerin Barbara Bitzer. So müsse etwa an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte verboten werden.
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Die Verpackungen der beiden Müsliriegel des Herstellers Schwartau sind fast identisch. Doch ein Riegel bekäme nach französischem Vorbild nur den Nutri-Score E: Corny Milch enthält laut Foodwatch mehr Zucker und Fett als eine Schokosahnetorte. In Corny Free sind dagegen kaum gesättigte Fette und Zucker, dafür viele Proteine und Ballaststoffe.
Das Crunchy Müsli von Kellogg's würde deutlich schlechter bewertet als das günstigere Früchte-Müsli von Edeka. Gründe sind der hohe Anteil gesättigter Fette, der geringere Fruchtanteil, die höhere Kalorienzahl sowie mehr Zucker und Salz.
Der Arla Erdbeerjoghurt bekäme in Frankreich den deutlich besseren Nutri-Score: Der Erdbeere Feinjoghurt von Mövenpick enthält doppelt so viel Zucker, doppelt so viele Kalorien und viermal so viel gesättigte Fette.
Im Vergleich zwischen Dr. Oetkers Ristorante Pizza Spinaci und der Big Pizza Boston Spinat von Wagner wäre die Ristorante die gesündere Wahl. Sie enthält weniger Fett, weniger Salz, weniger Kalorien und deutlich mehr Gemüse.
Die "Unglaublichen" schlagen das Einhorn: Bei fast gleicher Kalorienanzahl enthalten die Froot Loops wesentlich mehr Zucker und Salz und deutlich weniger Ballaststoffe als das mit Disney-Figuren beworbene Produkt von Kellogg's.
Verbraucher könnten die Joghurt-Schnitte von Ferrero für das gesündere Produkt halten. Nach französischem Nutri-Score-Vorbild würden allerdings beide den schlechtesten Wert E bekommen. Beide enthalten große Mengen an Zucker und Fett.
Mit einem Nutri-Score könnten Verbraucher auch bei den Gutfried-Putenprodukten zur gesünderen Alternative greifen: Die Putensalami enthielt mehr als 18-mal so viel gesättigte Fettsäuren und dreimal so viele Kalorien wie die Putenbrust, auch der Salzgehalt ist deutlich höher.
Nestlé bewirbt sowohl seine Vollkorn- als auch die Schokoladenflakes mit dem Schlagwort "Fitness". Allerdings enthält die Schokoladen-Variante deutlich mehr Zucker und gesättigte Fettsäuren und bekäme daher die schlechtere Bewertung.
Das Active 02 von Adelholzener ist alles andere als ein gesunder Durstlöscher. Wegen des hohen Zuckergehalts bekäme das Produkt einen schlechteren Nutri-Score.
Den schlechtesten Nutri-Score E bekäme Capri Sun Multivitamin. Das mit vielen bunten Früchten versehene Packungsdesign soll einen gesunden Drink suggerieren. Doch mit nur zwölf Prozent Frucht und dafür neun Prozent Zucker enthält das Getränk reichlich Kalorien.
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