Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht Ernste Themen für die frohen Tage

Wer zum Jahresende mit der Familie zusammenkommt, sollte die gemeinsame Zeit auch für ernste Gespräche nutzen - zum Beispiel darüber, wer im Notfall medizinische und finanzielle Entscheidungen trifft.

Weihnachtszeit ist Familienzeit - und oft die einzige Zeit im Jahr, in der alle Familienmitglieder zusammenkommen, um in Ruhe miteinander zu reden. Ob beim Waldspaziergang oder abends auf dem Sofa.

Auch über schwierige Fragen muss gesprochen werden. Zum Beispiel über die Frage, wer eigentlich wichtige Entscheidungen trifft, wenn ich es selbst nicht mehr kann. Etwa, weil ich nach einem Schlaganfall oder einem Autounfall ins Koma gefallen bin oder wegen fortgeschrittener Demenz meinen eigenen Willen nicht mehr klar zum Ausdruck bringen kann.

Anders als die meisten Menschen denken, ist dazu nicht einmal ein Ehepartner automatisch befugt. Selbst wenn man also nur möchte, dass der Ehepartner entscheidet, muss man dafür sorgen, dass er das auch darf . Das gilt für finanzielle Entscheidungen, genauso aber auch für schwierige medizinische Fragen, wenn es um Leben und Tod geht. Für die medizinische Behandlung der Wahl kann man sich heute vorab entscheiden und diese Entscheidung schriftlich festlegen . Aber auch hier hilft es, wenn Vertraute Bescheid wissen und sich im Ernstfall kümmern können.

Die Fachbegriffe für solche aufgeschriebenen Regeln lauten Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Sie sind inzwischen geradezu populär geworden. Will eine Volkshochschule den Saal der Kreisstadt voll bekommen, lädt sie einen Experten, häufig eine Juristin oder einen Juristen, eine Ärztin oder einen Arzt ein, die erklären, was eine Patientenverfügung ist, und wie man bis zum Schluss selbstbestimmt leben kann.

Wünsche deutlich und nachvollziehbar formulieren

Das grundsätzliche Wissen darüber, dass es solche Möglichkeiten wie die Patientenverfügung gibt, ist der erste Schritt. Dann aber brauchen Sie Zeit mit der Familie oder den Freunden und besser auch mit dem Arzt Ihres Vertrauens. Sie müssen nämlich verstehen, wie Sie Ihre eigenen Vorstellungen zur medizinischen Behandlung in Regeln für Ärzte gießen. Mit dem Arzt können Sie über die konkreten Formulierungen sprechen, damit die Patientenverfügung später auch dem behandelnden Mediziner als Handlungsanweisung nützt.

Sie sollten diese Regeln und Ihre Gedanken dabei unbedingt mit Ihren Vertrauten besprechen und nachvollziehbar machen. Und schließlich müssen Sie jemanden konkret bevollmächtigen, der/die im Zweifelsfall mit dem behandelnden Arzt sprechen darf und dafür sorgen soll, dass Ihr Wille umgesetzt wird. Mit diesem Menschen sollten Sie vorher besonders lange reden. Sinnvoll ist auch, eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Sie kann sich allein auf medizinische Aspekte beschränken, aber auch auf alle Bereiche des täglichen Lebens beziehen.

Wie notwendig solche Gespräche sind, habe ich vor einigen Jahren selbst gelernt. An einem Wochenende schrieb ich damals mein erstes Testament; von der ersten bis zur letzten Zeile mit der Hand, wie das der Gesetzgeber möchte, damit es gültig ist. Ich traf ein paar wichtige Entscheidungen, sprach mit dem wichtigsten Mensch in meinem Leben, legte den Text zu Hause an einer sicheren Stelle ab und schickte auch meinem Bruder eine Kopie.

Am folgenden Tag bekam ich einen besorgten Anruf: Ob es mir schlecht ginge, ob ich krank sei, was der Arzt sage. Die Vorstellung, ich könnte ein Testament ohne solchen Anlass schreiben, schien meinem Bruder offenbar fern. Ich hatte vorher nicht mit ihm gesprochen.

Einige Zeit später rief mein allein lebender Onkel aus dem Krankenhaus an. Die Ärzte hatten ihn nach einer lebensbedrohlichen Diagnose gleich da behalten, um ihn zu operieren. Er brauchte ein paar Sätze Unterwäsche, die ich ihm vorbeibrachte. Einige Monate später, nach Wochen im künstlichen Koma, wurde er entlassen und ist seither wieder wohlauf. Geregelt war damals nichts.

Die wichtigsten Fragen für die Patientenverfügung

Um solche Situationen zu vermeiden, sind die Gespräche mit dem Arzt, der Ärztin und den Vertrauten so wichtig: Zentrale Fragen einer Patientenverfügung sind dabei folgende:

  • Welche medizinischen Eingriffe möchte ich zulassen, wenn ich schwer-, vielleicht todkrank bin?
  • Wie lange sollen lebenserhaltende Maschinen im Einsatz sein?
  • Möchte ich Schmerzmittel, auch wenn diese mein Leben verkürzen?
  • Möchte ich im Krankenhaus oder zu Hause sterben?
  • Und wer ist der beste Ansprechpartner für behandelnde Ärzte, um meinen Willen auch durchzusetzen?

Die Ärzte müssen die Wünsche des Patienten einer solchen Patientenverfügung konkret entnehmen können. Und sie müssen wissen, dass es die Verfügung gibt und wen sie im Zweifelsfall danach fragen können.

Das Bundesjustizministerium empfiehlt in seinem Entwurf für die Patientenverfügung  sogar, dass der Arzt Ihres Vertrauens die Verfügung mitunterschreibt. Er bestätigt auf diese Weise zusätzlich, dass Sie bei klarem Verstand waren, als Sie die Verfügung aufgesetzt haben. Das kann aber auch ein Notar tun.

Rund die Hälfte aller über 60-Jährigen hat inzwischen eine solche Patientenverfügung aufgesetzt. Das heißt andersherum aber auch: Die Hälfte der Menschen hat auch in diesem Alter eine solche Entscheidung noch nicht getroffen. Von den Jüngeren ganz zu schweigen. Nur wer eine solche Verfügung bewusst verfasst hat, weiß auch, dass er zusätzlich jemanden bevollmächtigen sollte, sich darum zu kümmern, dass der eigene Wille später dann auch tatsächlich umgesetzt wird.

Zwar muss sich der Arzt am vermuteten Willen des Patienten orientieren. Und wenn der diesen Willen aufgeschrieben hat, hilft das schon viel. Nur: woher weiß der Arzt in Notfall, dass der Patient seinen Willen aufgeschrieben hat? Und wie soll er den Willen im Zweifel interpretieren?

Dafür gibt es mittlerweile Hilfsmittel. Wird man zu einer geplanten Behandlung in die Klinik eingeliefert, gehört es inzwischen zum guten Ton, nach der Patientenverfügung zu fragen. Kommen Sie dagegen bewusstlos im Krankenwagen ins Krankenhaus, kümmern sich die Ärzte erst mal um das medizinisch Notwendige. Aber auch dann haben Sie eine Chance, Ihren Willen zu erfahren: Wenn Sie zum Beispiel eine Kopie Ihrer Verfügung online im sogenannten Zentralen Vorsorgeregister hinterlegt haben. Wichtig ist aber auch, dass Ihr Bevollmächtigter eine Kopie der Verfügung in den Händen hat und dass er darin tatsächlich genannt wird.

Warum schreibe ich das in der Woche vor Weihnachten? Wenn Sie glücklicherweise einen Menschen haben, dem Sie sich auch in schwierigen Zeiten komplett anvertrauen können, dann sprechen Sie über die Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht. Zum Beispiel an den ruhigen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr.


Zum Autor
Foto:

Micha Kirsten / Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip«  refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .

Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren